US-Staatsschulden:Countdown zur Pleite

US-Staatsschulden: In Washington wird wohl bald über die Schuldengrenze verhandelt, auch hier im Kapitol.

In Washington wird wohl bald über die Schuldengrenze verhandelt, auch hier im Kapitol.

(Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Die USA haben die Schuldengrenze von 31 Billionen Dollar erreicht. Die Regierung leitet Notmaßnahmen ein. Präsident Biden braucht bald eine Mehrheit, um die Grenze zu erhöhen - sonst ist der Staat der facto zahlungsunfähig.

Von Peter Burghardt, Washington

Seit Tagen, ja Wochen, geistert das Thema durch die amerikanischen Medien, nun wird es ernst. Sehr ernst, der Fall betrifft mindestens mittelfristig außer den USA auch den Rest der Welt, denn es geht um die größte Volkswirtschaft der Erde. Wie finanzieren sich die Vereinigten Staaten, wenn die von der Politik gesetzte Schuldengrenze erreicht, diese Politik aber unter anderem in dieser Sache enorm zerstritten ist?

Das offiziell zulässige debt limit alias debt ceiling liegt bei derzeit 31,4 Billionen US-Dollar, am Donnerstag haben die Vereinigten Staaten dieses Dach erreicht. Es ist das oberste Niveau dessen, was sich die amerikanische Regierung an Verbindlichkeiten leisten darf, festgelegt mit Zustimmung des Kongresses. Genügt die Summe nicht mehr, um die laufenden Kosten weiter zu decken, dann müsste sie entweder mit einer nötigen Mehrheit erhöht werden - oder die derzeitige Administration von Präsident Joe Biden wäre de facto zahlungsunfähig.

Seit Donnerstag tickt die Uhr besonders laut

Finanzministerin Janet Yellen leitete unmittelbar Notfall-Maßnahmen ein, um eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und den Spielraum der Regierung zu erhalten. Sie gab bekannt, dass etwa Zahlungen in staatliche Pensionsfonds ausgesetzt werden. Leistungsempfänger sind davon nicht betroffen.

Nach ihren Worten kann mit dem Notbehelf voraussichtlich bis zum 5. Juni weiterregiert werden. Es gebe allerdings "erhebliche Unsicherheiten", ob dieses Datum gehalten werden könne. Sie forderte erneut die Anhebung der Schuldengrenze: "Ich fordere den Kongress nachdrücklich auf, unverzüglich zu handeln, um das volle Vertrauen in die USA und ihre Kreditwürdigkeit zu schützen."

Präsident Biden und die Volksvertreter im Kapitol haben nun also einige Monate lang Zeit, um die Anhebung oder Aussetzung der Schuldengrenze zu beschließen. Es ist eine Atempause, die dringend gebraucht wird, denn selten zuvor war das Repräsentantenhaus dermaßen gespalten. Beide Parteien sind geradezu verfeindet, wofür derzeit nicht zuletzt Hardliner aus der Anhängerschaft von Donald Trump sorgen.

Bei den Zwischenwahlen im November, den Midterms, hatten die Republikaner eine knappe Mehrheit im House of Representatives zurück gewonnen. Doch selbst innerhalb dieser Fraktion eskalieren Grabenkämpfe, weshalb für die Wahl des Sprechers kürzlich vier Tage und 15 Runden nötig waren. Der Staatshaushalt ist eines der großen Druckmittel der republikanischen Rechten, um Biden und den Demokraten zu schaden sowie Trump oder einen anderen wie Ron DeSantis für 2024 in Position zu bringen.

Gleichzeitig müssen Biden und die Demokraten sehen, dass sie ihren linken Flügel weiterhin besänftigen und vor allem bei den Sozialausgaben keine Zugeständnisse machen. Die Republikaner würden einer Aufstockung der Schulden wohl allenfalls zustimmen, wenn die Kosten gesenkt werden, zum Beispiel für Social Security und Medicare, wobei diese beiden Programme einige öffentliche Unterstützung genießen. Einige Herausforderer Bidens würden am liebsten die milliardenschwere Hilfe für die Ukraine kappen.

Es wird ein harter Kampf auf dem Capitol Hill, um sich möglichst vor Ablauf der Frist zu einigen. Noch nie setzten die USA ihre Verpflichtungen aus, aber sie waren kurz davor. Nicht allein Amerikaner erinnern sich mit Schrecken daran, wie Barack Obama 2011 erst in letzter Minute ein Kompromiss gelang, um den default und mithin globales Chaos abzuwenden. Es war das Ergebnis eines mehrere Monate lang dauernden Duells, das international Panik heraufbeschwor und dazu führte, dass die Ausgaben beschränkt wurden. Das halten die Demokraten längst für schädlich, zumal bei Straßen, Schulen oder Krankenhäusern einiges zu tun ist.

Biden bekam mit seinem Team vor der Umbesetzung des Parlaments noch Milliardenprogramme durch, seine Umfragewerte stiegen, die Zinsen auch, die Inflation fiel. Jetzt stehen ihm unangenehme Wochen bevor, noch härter vermutlich als vor elf Jahren. Damals war er Vizepräsident, als sein Chef Obama in derselben Frage auf radikalisierte Republikaner traf. Seinerzeit kam die stramm konservative Bewegung Tea Party auf - sie wirkt vergleichsweise harmlos, wenn man sieht, wie heutzutage der sogenannte Freedom Caucus und weitere Trump-Vertraute auftreten.

Eingeführt wurde die Schuldengrenze vor mehr als einem Jahrhundert. Allein seit dem Zweiten Weltkrieg wurde sie mehr als hundert Mal geändert, unter demokratischer und republikanischer Führung. Er sehe nicht, weshalb man das Verhalten der Vergangenheit fortsetzen sollten, meint der neue Speaker im Repräsentanten, der Republikaner Kevin McCarthy. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre dagegen sagt, die Schuldenobergrenze solle "nicht als politischer Spielball benutzt werden", auch früher habe es dabei parteiübergreifende Zusammenarbeit gegeben. Die Regierung bemühe sich um eine Einigung ohne Bedingungen, "wir sollten das volle Vertrauen und den Kredit unseres Landes nicht in Geiselhaft nehmen".

Nicht nur Ökonomen und die Wall Street sind nervös. Finanzministerin Yellen warnt, ein Zahlungsausfall würde "der US-Wirtschaft, dem Lebensunterhalt aller Amerikaner und der globalen Finanzstabilität irreparablen Schaden zufügen".

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