Ausgezeichnete Sattlerin:Altes Handwerk mit Zukunft

Ausgezeichnete Sattlerin: Den Dressursattel hat Anna Baumann selbst gemacht, von der Polsterung bis hin zu jeder einzelnen Naht, auch die Trensen auf dem Tisch sind ihr Werk.

Den Dressursattel hat Anna Baumann selbst gemacht, von der Polsterung bis hin zu jeder einzelnen Naht, auch die Trensen auf dem Tisch sind ihr Werk.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anna Baumann aus Poing setzt sich als Bundessiegerin gegen sechs Kandidaten durch: Die 21-Jährige ist als beste Nachwuchssattlerin ausgezeichnet worden. Mittlerweile ist sie Gesellin - und möchte ihren Beruf gegen keinen anderen eintauschen.

Von Alexandra Leuthner, Poing

Jedes Leder, das ihr unter die Finger kommt, kann sie bearbeiten. Nicht nur das: Sie kann etwas richtig Feines daraus machen: Eine Handtasche, einen Geldbeutel, einen Würfelbecher. Anna Baumann lacht und hebt einen besonders schönen Gürtel in die Höhe: "Meine ganze Familie hat mittlerweile einen solchen bekommen."

Dabei ist das eigentliche Metier der 21-Jährigen die Sattlerei, der Pferdesattel also. Und Pferde haben auch etwas damit zu tun, dass sie den Beruf ergriffen hat, in dem sie jetzt bayernweit und bundesweit ausgezeichnet worden ist. Als beste Nachwuchssattlerin Deutschlands. Genauer gesagt hat sie sich im Bundeswettbewerb der Sattlergesellen in Stuttgart gegen sechs andere Kandidaten durchgesetzt, nachdem sie zuvor schon Kammersiegerin in Oberbayern und dann bayerische Landessiegerin geworden ist.

Elf Stunden hatten die Kandidaten in Stuttgart Zeit für die Fertigung von drei Werkstücken aus einem einfachen Lederstück. Nicht ohne Stolz rückt Baumann einen Würfelbecher, ein lederüberzogenes Holzbrett mit zwei ausgefallenen Nähten und eine Handtasche mit diversen Innentaschen und Reißverschluss auf dem Tisch in der heimischen Stube ihrer Eltern zurecht. Allein für die Tasche habe sie acht Stunden gebraucht - und wenn man sich das kleine Meisterwerk genauer anschaut, versteht man auch warum: Zigmal muss die Sattlerin mit einer Ahle durchs Leder stechen, um anschließend den Faden durchziehen zu können und die sogenannte Sattlernaht zu setzen.

Dass das Kraft braucht, erklärt sich von selbst. "Ich hab schon stärkere Oberarme gekriegt, seit ich in der Ausbildung bin", erzählt die zierliche junge Frau. Kein Wunder, dass die Sattlerei früher mal ein reiner Männerberuf war, allein die Lederstücke, das Rohmaterial, haben mit ihren fünf bis sechs Quadratmetern Fläche ein ordentliches Gewicht. "Wenn da eine Lieferung kommt, die aufgeräumt werden muss, weißt du hinterher, was du getan hast." Umso überraschender, dass ihre Konkurrenten in Stuttgart alles Frauen waren, bis auf einen - ihren Kollegen bei der Sattlerei Georg Kieffer in Weßling, wo sie jetzt als Gesellin arbeitet und zuvor ihre Ausbildung gemacht hat.

Ausgezeichnete Sattlerin: Mit dieser Tasche ist Anna Baumann aus Poing Bundessiegerin geworden, acht Stunden hat sie für das kleine Schmuckstück gebraucht, das auch ihre Mitbewerber fertigen mussten.

Mit dieser Tasche ist Anna Baumann aus Poing Bundessiegerin geworden, acht Stunden hat sie für das kleine Schmuckstück gebraucht, das auch ihre Mitbewerber fertigen mussten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der nächste Weg ist das für Anna Baumann nicht, von Poing an den Starnberger See, genau ans andere Ende von München, eineinhalb Stunden sitzt sie locker jeden Tag im Auto. Wenn wieder mal Stau ist im Aubinger oder im Allacher Tunnel, kann schon die einfache Fahrt zwei Stunden dauern. Doch Sattlereien gibt es nicht so viele, und als sie sich beworben hatte, war der Betrieb noch in München-Daglfing zu Hause. "Aber man gewöhnt sich an alles", kommentiert Baumann lapidar. Zur Berufsschule, eine der wenigen, die Sattlerei überhaupt anbietet, und der einzigen deutschlandweit, die sich auf die Sattlerei in verschiedenen Ausbildungsrichtungen spezialisiert habe, musste sie bis nach Mainburg in der Hallertau, wo sie und ihre Mitschüler im Blockunterricht geschult wurden.

Nicht nur mit der körperlich fordernden Lederbearbeitung hat sie sich hier auseinandersetzen müssen, auch mit der Anatomie des Pferdes. Das Wissen um die größten Rücken- und Schultermuskeln etwa gehört zur Ausbildung dazu, schließlich kann man mit dem falschen Sattel richtig viel anrichten bei einem Pferd. Vor allem die Polsterung lässt sich verändern, um auf Breite, Widerrist, Rückenlänge und -form zu reagieren. Vor allem bei jungen Pferden, die gerade erst in den Reitbetrieb übernommen werden, könne sich die Muskulatur sehr schnell verändern, erklärt Anna Baumann, ein Sattler könne darauf reagieren, den Sattel regelmäßig verändern und anpassen. Ein erfahrener Reiter merkt es seinem Pferd aber auch an, wenn der Sattel nicht mehr richtig liegt, kneift oder scheuert. "Pferde zeigen das ziemlich deutlich."

Ausgezeichnete Sattlerin: Einen Lederriemen für ein Zaumzeug so zu bearbeiten, dass es rund gebogen ist und die Nähte innen liegen, ist schon höhere Handwerkskunst.

Einen Lederriemen für ein Zaumzeug so zu bearbeiten, dass es rund gebogen ist und die Nähte innen liegen, ist schon höhere Handwerkskunst.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von klein auf habe sie es schon zu Pferden hingezogen, sie sei jahrelang geritten, habe nach einer Auszeit vor zwei Monaten jetzt wieder angefangen. Doch nicht nur die Pferde allein, auch das Material Leder, der Geruch, das handwerkliche Arbeiten, "dass ich was schaffe und hinterher sehe, was rauskommt", das sei genau ihr Ding. "Mit einem Bürojob könnte ich nicht leben." Dann lieber jeden Tag unterwegs sein, quer durch München. In aller Früh fährt sie los, das heißt Aufstehen um 5.40 Uhr, um den Berufsverkehr zu vermeiden, "aber wenn ich in der Früh in den Betrieb rein komme, und dann rieche ich das Leder, dann ist das so schön."

Tatsächlich dürfte die Arbeit als Sattlerin auch eine zukunftssichere Sache sein. Abgesehen davon, dass sich Baumann auch mit einem Kleingewerbe selbständig machen könnte, "wird es Pferde und Reiter immer geben. Die hat es ja auch immer schon gegeben." Zumindest solange es Menschen gibt, die Geld haben. So ein Pferd zu halten ist ja schon eine kostspielige Sache. Einstellen, Koppelgang, tägliches Futter, Tierarzt, da sind ganz schnell etliche Hunderter weg im Monat. Die Reitausstattung kommt dann noch oben drauf.

Um die 18oo Euro müsse man für einen einfachen Sattel schon rechnen - neben dem Material sind es auch die 38 bis 40 Arbeitsstunden, die darin stecken, erklärt Baumann und legt zur Anschauung den englischen Dressursattel auf den Tisch, den sie selbst in ihrer Lehre gemacht hat. Ein feines Stück aus dunkelbraunem Leder mit hellen Nähten - und einem fantastischen Ledergeruch. Billiger jedenfalls werde es wohl eher nicht, wenn der Sattel von der Stange komme. Erstens sei er nicht ans Pferd angepasst, mit möglichweise schweren Folgen für die Muskulatur des Tieres. Zweitens seien diese oft aus China kommenden Sättel nicht unbedingt gut verarbeitet, erklärt Baumann, "und wenn er kaputt ist, dann müssen Sie erst einmal einen Sattler finden, der Ihnen das repariert."

Ausgezeichnete Sattlerin: Und wenn es besonders schön sein soll, begnügt sich die Sattlerin nicht mit der Funktionalität eines Werkstücks, dann muss auch noch eine Verzierung dazu.

Und wenn es besonders schön sein soll, begnügt sich die Sattlerin nicht mit der Funktionalität eines Werkstücks, dann muss auch noch eine Verzierung dazu.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dann also lieber einen Sattel auf Bestellung. Da sind dann auch mal Sonderwünsche drin, wie das Einarbeiten eines Glitzerstoffs in den Zwiesel oder eines Rinderfells ins Sattelblatt. Ob das sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. "Geht alles und gibt's auch alles", versichert Baumann. Nur eines, das gibt's noch nicht: Den Sattel, von dem man nicht herunterfällt. Oben bleiben muss man schon selber.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusVerkehr im Landkreis
:"Bei uns jagt man den Radfahrer von der Straße"

Der Bund Naturschutz wiederholt nach drei Jahren eine Tour durch Pliening - und stellt fest, dass Autofahrer nach wie vor alle Vorteile auf ihrer Seite haben. Die wichtigen Dinge seien jedenfalls nicht vorangekommen, klagt Franz Höcherl.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: