Theater im Stemmerhof:Am Wohlfühlort

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Das Stück "Love Letters" hat es Stefan Zimmermann offensichtlich angetan. Er inszeniert es bereits zum dritten Mal und spielt selbst mit Ursula Berlinghof an seiner Seite mit. (Foto: Marina Maisel)

Das Hoftheater im Stemmerhof ist noch sehr jung. Iris von Zastrow und Stefan Zimmermann haben es im Herbst 2021 eröffnet, sie zeigen dort Gastspiele, Musikabende - und nun auch ihre erste Eigenproduktion am neuen Ort.

Von Yvonne Poppek

Es gibt Räume, die heißen einen sogleich empfangen. Da gehört der kleine Saal des Hoftheaters im Sendlinger Stemmerhof sicher dazu. Er ist eine Mischung aus Improvisiertem und Geplantem, aus Übriggebliebenem und Neugemachtem. Die Bühne hat sich den Raum sympathisch angeeignet, gehört sie doch in diese seltsame Konstruktion eigentlich nicht hinein. Rund 100 Plätze gibt es vor und neben dem Spielpodest. Zwei-Personenstücke haben auf diesem gut Platz, bei mehr Darstellenden muss man sich die Wege über die Bühne vermutlich gut überlegen.

Das Publikum sitzt auf zwei Ebenen in alten Kinosesseln und auf Stühlen, die auch in einem Seminarraum stehen könnten. Teils ist das Ziegelmauerwerk aufgelassen, teils wurde es mit dem alten Holz aus der Stemmerhof-Scheune verkleidet. Und dann gibt es noch die Bar, eine kleine geschwungene Theke in einem Winkel des Zuschauerraums. Die Getränke, die die Gäste sich dort kaufen, dürfen sie auf ihre Plätze mitnehmen.

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"Wohlfühlort", so nennt Iris von Zastrow das. Gemeinsam mit Stefan Zimmermann hat sie die Spielstätte im Herbst 2021 eröffnet. Das war mitten in der Pandemie, die Auflagen waren streng, für die meisten kleinen Häuser war es schwierig, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Es spricht also einiges dafür, dass hier zwei Theaterleiter mit einigem Enthusiasmus ans Werk gegangen sind. Fragt man Zastrow danach, wie sie selbst ihre Aufgabe im Haus beschreiben würde, sagt sie auch: "Wir machen Theater aus Leidenschaft."

Die beiden starteten im Stemmerhof dabei nicht bei Null. Bereits 2001 hatten sie gemeinsam das Gastspieltheater Agon gegründet, um "Hochkultur in die Fläche zu tragen". "Dabei ist das Thema Unterhaltung nicht zu verachten", sagt Zastrow. Eine probate Form ist hier die "Komödie mit Tiefgang", wie sie sagt. Neun bis zwölf Produktionen im Jahr und rund 200 Aufführungen bietet das Agon Theater nach eigener Auskunft an. Nicht wenig, trotzdem gab es den Wunsch nach einem eigenen Haus in München, als Plattform, um sich und die Künstler zu präsentieren. Als sie die Chance im Stemmerhof bekamen, haben sie zugegriffen, sagt Zastrow. Zum Start kommt nun ein weiterer Wunsch hinzu: "Es ist uns ein Anliegen, ein Stadtteiltheater zu sein." Wobei sie den Wirkungskreis gerne auch größer ziehen.

Der Stemmerhof ist ein passender Ort

Der Ort Stemmerhof mit seiner Gastronomie und seinen kulturellen Projekten ist dabei schon einmal sehr passend. Auf der Bühne selbst zeigen Zimmermann und Zastrow Gastspielprojekte von Künstlerinnen und Künstlern, mit denen sie gerne zusammenarbeiten wollen. Dazu sollen auch ein paar Agon-Produktionen gehören, aber eben auch viel anderes. Aktuell läuft etwa der Édith-Piaf-Chansonsabend "La vie en rose", im Februar das Kriminalstück "Bei Anruf Mord". Mit ihren Musikpartnern von Soundscouts holen sie eine Jazz-Reihe ins Haus, im Februar kommt etwa das Matthias Bublath Trio. Zudem sind auch Eigenproduktionen für das Hoftheater Teil des Programms.

Die erste hatte nun gerade Premiere. Stefan Zimmermann hat Regie geführt und steht auch auf der Bühne. Das Stück, "Love Letters" von A.R. Gurney hat es ihm offensichtlich angetan. Er inszeniere es zum dritten Mal, sagt Zastrow. Mit Ursula Buschhorn und Peter Kremer steht dieser Abend tatsächlich auch in seiner Regie im Agon-Gastspiel-Programm. Für die Hoftheater-Produktion hat er sich nun Ursula Berlinghof an seine Seite auf die Bühne geholt. Zusammen schnurren sie das Zwei-Personen-Stück schnörkellos durch den Abend.

Darin geht es um die Beziehung zwischen Melissa und Andrew. Sie ist Tochter reicher Eltern, künstlerisch begabt, aber von vielen unglücklichen Beziehungen zur Familie und später zu Männern geprägt. Er ist aus gutem Haus, sportlich, klug, und er verfolgt zielstrebig seine Karriere vom Juristen zum Bilderbuch-Politiker. Die beiden wachsen zusammen auf und schreiben sich ihr Leben lang Briefe, die das Textmaterial für das Stück darstellen.

Das Prinzip ist also so wie in Daniel Glattauers Erfolgsroman "Gut gegen Nordwind", nur dass der Schreib-Austausch noch in den Dreißigerjahren beginnt. Gemäß den Regieanweisungen sitzen Berlinghof und Zimmermann je an einem Tisch, vor sich ein Stapel Blätter mit dem Text, sie blicken sich bis zum Schluss nicht an, die Geschichte soll im Kosmos der Briefe bleiben. Wer die Mittel so bewusst beschränkt, muss viel in die Stimme legen. Das können die beiden. So entwickelt sich eine Liebesgeschichte im Hörbuch-Format, das Berlinghof durch expressive Mimik und nervöses Fingerspiel begleitet und Zimmermann mit der angepassten, aber selbstbewussten Haltung eines smarten Spießers ergänzt. Heraus kommt ein konzentrierter Abend, der bestens an diesen Wohlfühlort passt.

Love Letters, weitere Vorstellungen am 26. Jan. sowie 8., 9. und 16. Feb., Hoftheater München , Plinganserstr. 6, Telefon: 089/18 90 47 54

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