Medizin:An den Kleinsten wird gespart

Medizin: Kind krank und keine Hilfe: Für viele Eltern ist das entsetzlich.

Kind krank und keine Hilfe: Für viele Eltern ist das entsetzlich.

(Foto: Imago)

Dass zu wenig Medikamente und Krankenbetten für Kinder da sind, empört nicht nur Eltern. Heftige Kritik üben SZ-Leser und -Leserinnen an den Methoden, mit denen Gesundheitsminister Karl Lauterbach versucht, dem Mangel entgegenzusteuern.

"Deutschland sucht Fiebersaft" und "Lauterbach hat recht" vom 21. Dezember, "Krankheitsschübe" vom 17./18. Dezember, "Geiz macht krank" vom 7. Dezember und weitere Artikel:

Kinder sind Zukunft

Was für ein kinderfreundliches, solidarisches Land, das den Nachwuchs hegt und pflegt: Weil der Profit der Pharmakonzerne für Kindermedikamente zu gering sei, weshalb zahlreiche Medikamente für die Jüngsten mitten in einer Grippewelle fehlten, stockt der Gesundheitsminister die Preise auf. In Krankenhäusern fehlen zahllose Kinderbetten, was Eltern in die Verzweiflung treibt.

Dasselbe Land, das Monate brauchte, um in der Pandemie Luftfilter in Klassenräumen zu installieren; das es über Jahrzehnte nicht fertig bringt, Schulen zu digitalisieren und mit dem Notwendigsten wie funktionierenden Toiletten zu versorgen; aber in dem Politiker nicht müde werden zu betonen, Kinder seien "unsere Zukunft". Die nächsten 100 Milliarden Euro an Sondermitteln für den Fonds "Kinder sind Zukunft" sollten sich schon einmal auf den Weg machen, bevor Christian Lindner uns Eltern die Idee wegschnappt.

Dieter Pienkny, Berlin

Über den Tisch gezogen

Die Maßnahme des Bundesgesundheitsministers, die Preise für bestimmte Medikamente um bis zu 50 Prozent zu erhöhen, um Lieferengpässe zu vermeiden, zeigt, wie wenig die Verantwortlichen in der Bundesregierung von Einkauf und Beschaffung verstehen. Es ist ein Irrglaube, dass höhere Preise eine bessere Verfügbarkeit erwirken. Es müssen klare Mengenverträge mit den Lieferanten abgeschlossen werden, die mit einer Mindestbestands- und Sicherheitsbestandsmenge gekoppelt sind, die eventuelle Bedarfsschwankungen abfedern können. Die Argumente der Hersteller, dass sie an den Produkten nichts mehr verdienen, sind unglaubwürdig. Die Preise wurden gemeinsam vereinbart, und daran hat man sich innerhalb der Vertragslaufzeit zu halten. Auf dieser Basis können auch die Hersteller Verträge für das von ihnen benötigte Material abschließen. Wie groß die Lücken in Sachen Einkauf und Beschaffung sind, zeigen die Millionen FFP2-Masken, die sich in den Herstellungskosten im niedrigen zweistelligen Centbereich bewegen, die aber für 8 Euro das Stück eingekauft wurden. Dafür würde ein Einkäufer in der Industrie seinen Arbeitsplatz riskieren. Auffallend ist, dass sich jeder, der sich hier über den Tisch ziehen ließ, glaubt, richtig gehandelt zu haben und nichts daraus gelernt hat.

Hermann Raab, Schöngeising

PR-Coup der Pharma-Branche

Der Pharma-Branche ist ein PR-Coup sondergleichen gelungen. Landauf, landab verbreiten Nachrichtensendungen, Kommentare und sicher bald auch die Talk-Shows ihre Erzählung. Und die geht so: Der sparwütige Staat hat unsere ums Überleben kämpfende Pharmaindustrie so sehr geschädigt, dass sie nicht anders konnte, als leider, leider die Produktion unrentabler Präparate in die Niedriglohnländer zu verlagern oder ganz chinesischen oder indischen Firmen zu überlassen. Deshalb bekommen unsere Kinder keinen Hustensaft. Wer möchte da widersprechen, geht es doch um unsere Kleinsten, um Schutzbedürftige? In Wahrheit wittert hier eine Branche Morgenluft, in der Umsatzrenditen von über 20 Prozent keine Seltenheit sind. Die korrekte Erzählung müsste lauten: Wir können Fiebersaft und ähnliches leider nicht mehr produzieren, weil wir damit nicht die hohen Gewinne erzielen können, die wir und die Kapitalmärkte von uns erwarten.

Hilfreich wäre ein Blick zurück in die Zeit, als exorbitant steigende Ausgaben für Medikamente die Krankenkassen in finanzielle Schieflage brachten und niemand weiter steigende Krankenkassenbeiträge politisch verantworten wollte. Damals war die Arbeitslosenquote hoch und man fürchtete, dass eine weitere Erhöhung der Arbeitgeberanteile zu noch mehr Arbeitslosen führen würde. Deshalb wurden die Preisverhandlungen zwischen den Herstellern und den Kassen eingeführt. Gern wird von interessierter Seite vorgebracht, dass die Pharmaindustrie wegen der enormen Kosten für die Entwicklung neuer Präparate hohe Gewinne brauche. Doch diese Aufwendungen werden bei der Ermittlung der Umsatzrendite berücksichtigt. Zudem betreibt nur ein kleiner Teil der Pharmaunternehmen eigene Forschung. Erinnert sei auch an das Ärgernis hypertropher Marketing- und Vertriebsetats bei gleichzeitig geringen Forschungsetats. Aber wer wird schon kleinlich und nachtragend sein. Schließlich geht es um unsere Kinder.

Prof. Dr. Stefan Müller, Neustadt/Weinstraße

Wissen verloren gegangen

Als Oma von fünf Enkeln und Mutter von drei Kindern entsetzt mich nicht der Mangel an Fieber senkenden Medikamenten. Das Wissen scheint verloren gegangen zu sein, dass man Wadenwickel machen kann. Natürlich macht das Arbeit, aber das ist auch beruhigend wegen der Zuwendung. Zudem gibt es begleitend Globuli, die aber in der Presse verteufelt werden. Vielleicht lassen Sie sich einmal von einem kompetenten homöopathisch arbeitenden Kinderarzt informieren, denn bei Kindern kann es keinen Placeboeffekt geben.

Irmhilt Bodack, Gröbenzell

Unangemessen

Inzwischen wissen wir, dass die Corona-Politik von Lauterbach & Co. unseren Kindern massives und sinnloses Leid zugefügt hat. Man hat das bedauert, jedoch keinerlei Konsequenzen gezogen. Ich empfinde es als unangemessen, ja unverschämt, wenn Karl Lauterbach sich in Pose wirft und den Beschützer der Kinder mimt, indem er für sie völlig überteuerte Medikamente kauft. Bei so viel Frechheit gefriert einem die Spucke im Urin.

Prof. Ludwig Paul, Hamburg

Revolution oder doch nicht?

Die Verhältnisse in den Kinderkliniken sind empörend. "Geiz macht krank" - das sind neue Töne. Jahrzehntelang starrten viele auf die "Kostenexplosion im Gesundheitswesen". Die Gesundheitskosten "würgen alles ab", stand im Spiegel. Heute wandern viele nach unzähligen Sparmaßnahmen überlastet, genervt und unterbezahlt aus den Gesundheitsberufen ab. Jungen Ärztinnen und Ärzten nimmt die Kontrollwut die Zeit für die Patientenversorgung und verdirbt ihnen die Laune am Beruf. Und die Kosten? Sind weiter gestiegen.

Karl Lauterbach will die Krankenhausfinanzierung umstrukturieren und nennt das eine Revolution. Wenn dabei nicht endlich der Bereich Pflege mehr Wertschätzung bekommt, wenn die Ärzte nicht von der Bürokratie entlastet werden, dann wird aus der Revolution ein Hornberger Schießen.

Dr. med. Friedrich-Karl Schmidt, Weinheim

Hilfe abgelehnt

Es hieß, die Lage in den Kinderkliniken sei aufgrund Personalmangels "dramatisch". Viele Kinder könnten nicht mehr oder nur weit entfernt behandelt werden. Daraufhin boten eine befreundete Kinderärztin, eine Kinderkrankenschwester und ich, Physiotherapeutin und Schwesternhelferin (alle drei ausgebildet, studiert, examiniert, approbiert und promoviert), an, an einem Tag der Woche das überlastete Personal, auch gerne unentgeltlich, auf Station zu unterstützen. Erst nach der zweiten Anfrage bekamen wir von dem großen Kinderkrankenhaus in München eine Absage. In der dargestellten Krisensituation ist dies sehr verwunderlich. Offensichtlich haben sie keinen Bedarf an Hilfe.

Regina Krammer, Neubiberg

Verpuffung

Nur ein lebensmüder Mensch käme auf die Idee, aus einem überhitzten Topf, der kaum Wasser enthält, den letzten Tropfen Flüssigkeit herauszunehmen, um damit einen schon glühenden Topf zu löschen. Die womöglich entstehenden Verpuffungen können lebensgefährlich sein. Genau das tut aber Karl Lauterbach, wenn er empfiehlt, Pflegepersonal von den Erwachsenenstationen auf die Kinderstationen zu verlegen. Das Ergebnis ist: gefährliche Pflege bei den erwachsenen Kranken, auf deren Stationen der gleiche Personalmangel herrscht - und gefährliche Pflege in der Pädiatrie, da Kinder und Jugendliche zu pflegen, eine andere medizinische Welt ist.

Es darf nicht sein, dass beim Aufkommen der kleinsten Infektionswelle alles zusammenbricht. Nicht nur, dass im "Normalbetrieb" Stationen geschlossen werden müssen, sondern auch, dass sich krank Fühlende abgewiesen werden und wir als Gesellschaft uns das gefallen lassen. Ein Ausscheiden der Nationalmannschaft bei einer fragwürdigen WM bewegt viele mehr als ein Gesundheitssystem, dessen Kaputt-Sein unsere Politiker und Politikerinnen bewusst zu verantworten haben.

Josef Gegenfurtner, Schwabmünchen

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