Blockaden und Hausfriedensbruch:Staatsanwälte ermitteln gegen 84 Klimaschützer

Blockaden und Hausfriedensbruch: Aktivisten von "Extinction Rebellion" demonstrierten im April am Firmensitz des Versicherers Munich Re. Drei von ihnen müssen sich jetzt wegen Hausfriedensbruchs vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.

Aktivisten von "Extinction Rebellion" demonstrierten im April am Firmensitz des Versicherers Munich Re. Drei von ihnen müssen sich jetzt wegen Hausfriedensbruchs vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

In den kommenden acht Tagen müssen sich sechs Aktivisten vor dem Amtsgericht verantworten. Aber auch zwei Autofahrer haben Ärger mit der Justiz.

Von Martin Bernstein

Erneut stehen am Mittwoch drei Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten vor Gericht. Die Mitglieder von "Extinction Rebellion" (XR) hatten im April während der Hauptversammlung des Rückversicherungskonzerns "Munich Re" an der Münchner Königinstraße für den sofortigen Stopp aller Versicherungen von Öl- und Gasprojekten und den Ausstieg aus allen Investments fossiler Energieförderung demonstriert. Der Versicherungskonzern hatte sie wegen Hausfriedensbruchs angezeigt, die Staatsanwaltschaft München I Strafbefehle beantragt. Einige Protestierer hatten diese nicht akzeptiert.

Blockaden und Hausfriedensbruch: Protestaktion auf dem Marienplatz: Vertreter von "Scientist Rebellion" wandten sich gegen die Inhaftierung von 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Protestaktion auf dem Marienplatz: Vertreter von "Scientist Rebellion" wandten sich gegen die Inhaftierung von 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Gegen insgesamt 84 Frauen und Männer wurden im Zusammenhang mit Klimaprotesten im vergangenen Jahr Ermittlungen eingeleitet. Das hat die für Stadt und Landkreis München zuständige Staatsanwaltschaft am Montag bilanziert. Das Gros der strafrechtlich verfolgten Personen komme nicht aus München, sagte Behördenleiter Hans Kornprobst. Insgesamt 250 Strafanzeigen hatte die Polizei gestellt, 80 Prozent davon zwischen Oktober und Dezember, als die beiden Klimaschutzorganisationen XR und "Letzte Generation" ihre Proteste intensivierten.

Hausfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung angezeigt

Laut Staatsanwaltschaft waren 45 Aktionen strafrechtlich relevant. Zweimal kam es dabei zu Sachbeschädigungen. Widerstand gegen Polizisten oder gar "Verletzungshandlungen" gab es jedoch nicht. Hausfriedensbruch sei nicht nur der Protest mit Rauchtöpfen beim Rückversicherer gewesen. Im Oktober klebten sich zwölf Aktivisten der Gruppierungen "Scientist Rebellion" und "Debt for Climate" im Inneren eines Gebäudes am Lenbachplatz vor den Vertriebsbüros des Finanzinvestors Blackrock fest; vier weitere waren dort an einer Performance beteiligt, die live gestreamt wurde und auf tödliche Konsequenzen der Erdöl-Förderung aufmerksam machen sollte. Wenige Tage später klebten sich Klimaschützer an einen rund 170 000 Euro teuren Wagen in der BMW-Welt.

Blockaden und Hausfriedensbruch: Auch die Investmentgesellschaft Blackrock am Lenbachplatz bekam Besuch von Klima-Aktivisten.

Auch die Investmentgesellschaft Blackrock am Lenbachplatz bekam Besuch von Klima-Aktivisten.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Alten Pinakothek fixierten sich Ende August zwei Aktivisten am Rahmen eines Rubens-Gemäldes. Tags zuvor waren beim Bundesliga-Heimspiel der Münchner Bayern gegen Borussia Mönchengladbach in der 16. Minute fünf Klima-Aktivisten auf das Spielfeld gelaufen. Sie versuchten, sich an die Pfosten eines Tores zu binden. Das Spiel verzögerte sich um eineinhalb Minuten.

Blockaden und Hausfriedensbruch: Großes Verkehrschaos gab es am Stachus, als sich Aktivisten der "Scientist Rebellion" im Oktober anklebten.

Großes Verkehrschaos gab es am Stachus, als sich Aktivisten der "Scientist Rebellion" im Oktober anklebten.

(Foto: Stephan Rumpf)

26 Straßenblockaden zählte die Münchner Polizei im vergangenen Jahr. Sie erfüllen laut Oberstaatsanwalt Felix Hofmeir, Leiter des Sachgebiets für politisch motivierte Delikte, den Straftatbestand der Nötigung. Bis zu 23 Aktivistinnen und Aktivisten waren daran im Einzelfall beteiligt. "Gewaltlos" seien derartige Blockaden keineswegs, sagte Hofmeir. Immerhin werde auf Autofahrer ein physischer Zwang ausgeübt. Spätestens mit der Auflösung einer Aktion durch die Polizei ende auch der verfassungsrechtliche Schutz durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Drei Blockierer der "Letzten Generation" müssen sich wegen einer Aktion vom 3. November am Dienstag kommender Woche vor dem Schnellrichter verantworten.

Leitender Oberstaatsanwalt warnt eindringlich vor rabiater Notwehr

Strafbar machen sich aber auch Autofahrer, die meinen, zu rabiater Selbsthilfe greifen oder gar handgreiflich gegenüber Blockierern werden zu müssen. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt derzeit gegen einen Autofahrer, der im Mai an der Weiterfahrt gehindert wurde. Er stieg aus - mit einem Schlagstock in der Hand. Den platzierte er auf dem Kopf eines der Aktivisten und forderte ihn ultimativ auf, den Weg freizumachen. Ein anderer zog einen Aktivisten gewaltsam von der Straße.

In beiden Fällen steht jetzt der Vorwurf der Nötigung im Raum, im zweiten Fall auch Körperverletzung. Die Ermittlungen sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber noch nicht abgeschlossen - die Rechtslage sei kompliziert. Der dringende Rat des Leitenden Oberstaatsanwalts ist umso einfacher: "Tun Sie das nicht", warnte Hans Kornprobst Autofahrer, "die Polizei hat solche Situationen schnell im Griff".

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