Pendeln:Home-Office bringt den Deutschen 30 Minuten mehr Freizeit

Pendeln: Nerviges Pendeln am Morgen: Die Deutschen sparen täglich mehr als eine Stunde, wenn sie aus dem Home-Office arbeiten.

Nerviges Pendeln am Morgen: Die Deutschen sparen täglich mehr als eine Stunde, wenn sie aus dem Home-Office arbeiten.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Wer nicht ins Büro fährt, spart Zeit. Davon profitiert niemand so sehr wie die Arbeitnehmer in Deutschland.

Von Bastian Brinkmann

Ewiger Stau auf der Straße, der Sitznachbar in der S-Bahn trägt trotz Mundgeruch keine Maske, der Fahrradweg ist vereist: Es gibt viele Gründe, heute mal nicht ins zu Büro zu fahren. Forscher haben nun ein großes Rätsel des Home-Office gelöst: Wer profitiert mehr, wenn die Fahrt ins Büro wegfällt? Die Arbeitnehmer durch mehr Freizeit? Oder die Arbeitgeber, weil die Leute zu Hause einfach länger arbeiten? Die Antwort der Studie: beide, aber nicht in gleichem Maße. Die Ergebnisse der internationalen Studie sind besonders für Deutschland bemerkenswert. Denn in keinem anderen untersuchten Land profitieren die Arbeitnehmer demnach so sehr vom Home-Office wie hierzulande.

Im Durchschnitt spart sich der Deutsche 65 Minuten Pendelei pro Arbeitstag, den er im Home-Office verbringt. Diese Zeit gewinnen die Menschen also im Schnitt, wenn sie mal nicht pendeln. Aus diesem Zeitplus stecken die Menschen fast 30 Minuten in Freizeit, fast die Hälfte der gewonnenen Zeit.

Die Abwägung Arbeit versus Freizeit treffen nur wenige Länder in der Tendenz ähnlich wie die Deutschen. In keinem anderen der 26 ebenfalls untersuchten Länder ist der Anteil, der in Freizeit gesteckt wird, so hoch. In Frankreich beispielsweise fließt die gewonnene Zeit nur zu einem Viertel in Lesen, Fernsehen, Sport und ähnliche Freizeitaktivitäten. Die Deutschen dagegen, die sich oft im Vergleich mit anderen Ländern als besonders arbeitsfreudig einstufen, machen mehr frei.

Allerdings triumphiert im Home-Office nicht nur die Freizeit, obwohl manche Chefs das vermuten. In den meisten anderen Ländern können sich die Unternehmen freuen: Die gesparte Pendelzeit wird dort nämlich zuvorderst in mehr Arbeit aufgebracht. In Deutschland gehen rund ein Drittel der gesparten Zeit für zusätzliche Arbeit drauf, das sind im Schnitt rund 20 Minuten pro pendelfreiem Tag.

In Deutschland gilt: Der Chef profitiert nicht am meisten

Dass Leute im Home-Office ordentlich was wegschaffen, liegt nicht nur an digitalen Werkzeugen wie Zoom, sondern schlicht auch daran, dass sie länger vor dem Laptop sitzen als im Büro der Firma. Auch hier sind die Deutschen im internationalen Vergleich wieder auffällig. Sie überlassen ihren Chefinnen und Chefs einen besonders geringen Anteil an Zusatzarbeit - weniger haben die Forscher in keinem anderen Land beobachtet.

Die Studie des Forscherteams ist beim US-Wissenschaftsnetzwerk NBER erschienen, das in der Ökonomie höchstes Renommee genießt. Die Forscher saßen für die Studie aber nicht mit der Stoppuhr neben Probanden im Home-Office, sondern nutzten Umfragen. Die Zahlen sind somit Schätzungen, die die Betroffen selbst abgegeben haben. In Deutschland wurden mehr als 1000 Vollzeit arbeitende Menschen während der Corona-Pandemie online befragt. Die Antworten wurden so gewichtet, dass Faktoren wie das Alter, Geschlecht und Bildung das Ergebnis nicht verzerren. Die Befragten gaben an, wie viel Zeit sie durch das Pendeln sparen und was sie mit den Minuten machen. Neben zusätzlicher Arbeit und Freizeit konnten sie auch ankreuzen, sich um ihre Kinder oder Angehörige zu kümmern, einzukaufen, heimzuwerken oder den Haushalt zu schmeißen.

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