Forschung in München:Ein Roboter, der besser kellnert als ein Mensch

Forschung in München: "Manchmal darf man nicht zu kompliziert denken": Robotik-Forscher Luis Figueredo.

"Manchmal darf man nicht zu kompliziert denken": Robotik-Forscher Luis Figueredo.

(Foto: Robert Haas)

Luis Figueredo und sein Team an der TU München programmieren einen künstlichen Kellner. Auf die Idee brachte sie ein uraltes mathematisches Prinzip.

Interview von Martina Scherf

Luis Figueredo füllt ein Glas bis zum Rand mit Tee und stellt es dem Roboter auf die "Hand". Der schwenkt es hin und her, auf und ab, ohne einen Tropfen zu verschütten - so gut könnte das kein Mensch. Die Idee kam dem Brasilianer eines späten Abends im Labor, als er zusammen mit Doktorand Riddhiman Laha aus Indien und Masterstudent Rafael Cabral Muchacho aus Spanien zusammen saß, und einer der drei seinen Kaffee verschüttete.

Figueredo hat in Brasilia promoviert, am Massachusetts Institute of Technology und in Großbritannien geforscht und kam vor drei Jahren nach München ins Team von Sami Haddadin, der das Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRIM) der Technischen Universität leitet. Ihr Kellner-Roboter ließ jetzt die Fachwelt aufhorchen.

Wir wissen, dass Roboter besser Schach spielen als Menschen, dass sie sprechen, malen, Autos zusammenschrauben und im OP-Saal assistieren. Warum ist gerade Ihr künstlicher Kellner so eine Sensation?

Es hört sich simpel an, aber die Aufgabe, Getränke zu servieren, ohne einen Tropfen zu verschütten und dabei auch noch auf die Umwelt zu reagieren, war eine große Herausforderung. Unser Roboter kann das, und zwar präziser und schneller als ein Mensch.

Wirklich?

Die Reaktionszeit eines Menschen auf visuelle Reize liegt bei mehr als 100 Millisekunden, unser Roboter reagiert in weniger als einer Millisekunde. Stellen Sie sich vor, er wird im Pflegeheim eingesetzt - eine der möglichen Anwendungen - und soll einem Patienten eine heiße Suppe servieren. Da sagt der Patient plötzlich: Ich will das nicht und macht eine abweisende Handbewegung. Dann muss der Roboter blitzschnell zurückweichen, ohne einen Tropfen zu verschütten.

Es forschen doch sicher Wissenschaftler weltweit an dieser Aufgabe?

Ja, aber bisher ist diese Stabilität nicht gelungen, vor allem nicht in Echtzeit. Die Rechenzeit für die Bewegungen und Reaktionen war viel zu lange. Wir waren vor Kurzem bei einer Konferenz in Japan, zusammen mit 4000 der besten Robotikforscher der Welt. Wir sagten ihnen: Versucht alles, was euch einfällt, um unseren Roboter aus der Balance zu bringen. Und sie strengten sich wirklich an! Aber niemandem ist es gelungen. Jetzt müssen wir noch weiter an der Sicherheit arbeiten, damit er Bewegungen des Menschen noch besser vorhersehen kann.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Wir saßen wieder mal eines späten Abends im Labor, waren alle schon müde, und einer meiner Studenten verschüttete seinen Kaffee. Da alberten wir herum und sagten: Vielleicht sollte besser der Roboter den Kaffee bringen. Dann begannen wir zu tüfteln. Als wir auf das marokkanische Teetablett kamen, fanden wir ziemlich schnell die Lösung. In Japan sagten uns jetzt etliche Kollegen: Oh my God, wieso kamen wir da nicht selbst drauf?

Was haben Sie anders gemacht und was hat das marokkanische Teetablett damit zu tun?

Manchmal darf man nicht zu kompliziert denken. Viele Forscher versuchten, die Flüssigkeiten im Glas zu modellieren, das ist eine unendlich komplexe Aufgabe. Wir sahen dieses Video von einem marokkanischen Teeträger, dessen Tablett nach dem Prinzip des sphärischen Pendels schwingt, also Ausschläge in verschiedene Richtungen zulässt. Wenn man das 300 Jahre alte mathematische Prinzip dahinter versteht, kann man es programmieren, dann ist es plötzlich recht einfach.

Hat der Roboter einen Namen?

Nein, wir haben mit den Robotern von Franka Emika, die hier in München am Institut entwickelt wurden und mittlerweile weltweit im Einsatz sind, begonnen. Aber wir testen unser Programm immer wieder an verschiedenen Robotern.

Kann er oder sie sprechen?

Wir sind dabei, Sprache zu integrieren. Einfache Fragen und Antworten sind leicht zu programmieren. Aber natürliche Sprache, die zum Beispiel ein Pflegeroboter verstehen müsste, ist eine größere Herausforderung. Da geht es ja immer um die Sicherheit von Patienten. Wir arbeiten dabei aber schon mit anderen Forschergruppen zusammen, und ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis auch das gelingt.

Welche Anregungen bekommen Sie aus der Praxis?

Wir sind im Gespräch mit Pflegeschulen, um zu lernen, welche Szenarios dort im Alltag auftreten. Der Pflegenotstand ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen, die Assistenz bei der Essensausgabe wäre da schon eine große Hilfe. Wir haben aber auch schon mit Chemielaboren und einer Filmgesellschaft gesprochen, die den Roboter gerne einsetzen möchten. Das macht die Aufgabe so spannend: Man hat es mit ganz unterschiedlichen Menschen und Disziplinen zu tun. Ich spreche mit Medizinern, Mechanikern, Soziologen, Psychologen, Anthropologen. Und lerne jedes Mal etwas Neues dazu.

Und jetzt lassen Sie sich im Büro jeden Tag den Kaffee vom Roboter servieren?

Leider nicht (lacht). Der steht drüben im Labor und muss dort ständig neue Forschungsaufgaben bewältigen. Da hat er fürs Servieren wenig Zeit.

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