Kritik:Die tägliche Dosis Rassismus

Sulaiman Masomi weiß, was Diskriminierung ist. In der Lach- und Schießgesellschaft zeigt er, dass er trotzdem noch lachen kann.

Von Thomas Becker

Könnte sein, dass Sulaiman Masomi ein Schlingel ist. Tut bei der Zugabe so, als wüsste er gar nicht, welche Geschichte aus seinem Buch er nun noch vorlesen könne - und fischt dann ein derart spektakulär lustiges Stück Literatur aus dem Inhaltsverzeichnis, das die Texte der eineinhalb Stunden zuvor in den Schatten stellt, zumindest was Gag-Dichte und -Qualität betrifft. Wie sagt man so schön: selten so gelacht!

Dabei ist der in Köln lebende Frühvierziger überhaupt nicht der Typ Schenkelklopfer, sondern eher ein ruhiger Vertreter seines Fachs. Sein Aktionsradius auf der Bühne der Lach- und Schießgesellschaft: zwei Schritte vom Mikrofon zum Lese-Tisch und wieder zurück, that's it.

Und er ist einer, der sich auch im neuen Programm "kunterbunt & farbenblind" mit Themen beschäftigt, die nicht gerade vor Komik triefen: Rassismus, Diskriminierung, Selbstwert, Teilhabe, Ausländerfeindlichkeit, racial profiling. Themen, die ihn schon von klein auf begleitet haben. Masomi ist in Kabul geboren, in Krefeld aufgewachsen, hat in Paderborn Literaturwissenschaft studiert und landete 2014 mit dem Kurzgeschichten-Band "Ein Kanake sieht rot" einen veritablen Erfolg - auch die oben beschriebene Zugabe namens "Ich weiß ES" stammt aus diesem Buch.

Prompt schickte das Goethe-Institut den so vorbildlich integrierten Poetry Slammer hinaus in die Welt: Kairo, San Francisco, Jerusalem. Nur: Wenn er wieder zurück nach Köln kommt, ist der latente Alltags-Rassismus immer noch da, werden Ausländer im Kollektiv bewertet, nicht als Individuum, ist die Wohnungssuche als selbstständiger Künstler mit Migrationshintergrund praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Es lebe die Pauschalisierung! Masomis Wunsch: wenn schon Rassismus, dann bitte ein ehrlicher! Zum Beispiel per Ausländer-Barometer beim Anstehen vor dem Disco-Türsteher. Die Lektion, die er hier gelernt hat: Du musst in dem, was du tust, besser sein als ein Deutscher. Das hat er schon mal geschafft, der Schlingel.

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