Gewerkschaft:IG Metall will Energiewende beschleunigen

Gewerkschaft: Die deutsche Industrie verbraucht sehr viel Energie. Das wird derzeit zum Problem.

Die deutsche Industrie verbraucht sehr viel Energie. Das wird derzeit zum Problem.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Günstiger grüner Strom soll die Abwanderung der Industrie stoppen. Damit bald eine Doppelspitze die Gewerkschaft führen kann, soll die Satzung verändert werden. Aber wird das klappen?

Von Alexander Hagelüken

Jörg Hofmann kommt gleich auf die dramatischen Begriffe zu sprechen, die das abgelaufene Jahr prägten. Von der Energiekrise redet der IG-Metall-Chef, von Rekordinflation und apokalyptischen Warnungen. Darüber reden gerade viele Akteure. Deshalb ist der Begriff Hofmanns, der im traditionellen Jahresgespräch am meisten aufhorchen lässt, ein ganz undramatischer: Lametta. Lametta?

Der glitzernde Weihnachtsschmuck ist tief in der deutschen Kulturgeschichte verankert, seit der Satiriker Loriot 1978 Opa Hoppenstedt über den Fernsehschirm schlurfen ließ. Dem nölenden Opa missfällt die moderne Zeit. Er bringt das bei der familiären Weihnachtsfeier zum Ausdruck, in dem er den gleichen Satz wiederholt: "Früher war mehr Lametta!"

Warum Obermetaller Hofmann den Weihnachtsschmuck erwähnt, ist für die Zukunft der größten deutschen Gewerkschaft durchaus bedeutend. Hofmann bestätigt damit einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach es eine auch formal gleichberechtigte Doppelspitze geben soll, sobald er im Herbst abtritt. Dafür müsste allerdings die Satzung geändert werden, die bisher einen Ersten und Zweiten Vorsitzenden vorsieht. Altmodische, sperrige Titel, die in der Gewerkschaftsrealität eine Hierarchie anzeigen. "Es gibt Überlegungen, das Lametta aus der Satzung zu streichen", sagt Hofmann. Dann wäre der Weg frei für die Aspiranten Christiane Benner und Roman Zitzelsberger: Die bisherige Zweite Vorsitzende und der baden-württembergische Bezirksleiter könnten ein gleichberechtigtes Team formen. Es wäre ein Machtkampf zwischen ihnen um die Spitze vermieden wie jener zwischen Jürgen Peters und Berthold Huber, der vor 20 Jahren die IG Metall lähmte.

Gewerkschaft: Christiane Brenner könnte Vorsitzende der IG Metall werden, in einer Doppelspitze.

Christiane Brenner könnte Vorsitzende der IG Metall werden, in einer Doppelspitze.

(Foto: Friedrich Bungert)

Vielleicht sagen Benner und Zitzelsberger in ihrer Antrittsrede dann so was wie: "Früher war mehr Lametta!" Ob es wirklich so kommt, ist aber keineswegs gesagt. Nicht nur Opa Hoppenstedt liebt den Glitzerschmuck. Gegen eine Reinigung der Satzung von Lametta, für die es beim Gewerkschaftskongress im Oktober eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, ist auch mancher einflussreiche Metaller. Zum Beispiel, weil das so aussehen könnte, als traue man Christiane Benner nicht zu, als erste Frau alleine an die Spitze der Gewerkschaft zu treten. Dazu kommt, dass durch die Satzungsänderung der geschäftsführende Vorstand von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert werden soll, um schlagkräftiger zu werden. Ein solcher Plan scheiterte 2011 schon mal. Zu vielen Gewerkschaftern war wichtig, dass möglichst viele Regionen und politische Lager im Vorstand vertreten sind.

Gewerkschaft: Roman Zitzelsberger ist der baden-württembergische Bezirksleiter der Gewerkschaft.

Roman Zitzelsberger ist der baden-württembergische Bezirksleiter der Gewerkschaft.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die Energiewende als Überlebensstrategie

Ob dem Gewerkschaftskongress die Satzungskorrektur vorgeschlagen wird, entscheidet sich im März. Fällt der Plan flach, könnte eine Rivalität zwischen Benner und Zitzelsberger ausbrechen. Offiziell gibt es noch gar keine Kandidaten. Jörg Hofmann will erst im Sommer Namen vorschlagen. Dass sie den Job möchte, macht die neben ihm sitzende Christiane Benner so klar, wie man es als Noch-Nicht-Kandidatin darf: "Selbstverständlich bin ich bereit, weitere Führungsverantwortung zu übernehmen."

Hofmann möchte das heikle Thema so schnell wie möglich verlassen und richtet seinen Blick auf die Politik. Deutschland müsse Leitmarkt einer erfolgreichen Energie- und Mobilitätswende werden, wolle es seinen Wohlstand behalten. "Sind wir da spät unterwegs? Ja, aber nicht zu spät." Hofmann zählt auf, dass im vergangenen Jahr 17 000 öffentliche Ladepunkte für E-Autos dazukamen, obwohl es mindestens 130 000 pro Jahr brauche, um bis 2030 das Ziel von einer Million zu erreichen. Genauso dramatisch sei der Rückstand bei erneuerbaren Energien. Die Industrie brauche günstigen grünen Strom mit einer Preisbremse, damit keine Betriebe abwanderten: "In den energieintensiven Industrien sind massenhaft Arbeitsplätze gefährdet."

Auch den Arbeitskräftemangel will die IG Metall angehen. So kündigte Benner eine Kampagne für mehr Ausbildungsplätze an. Auch wer den üblichen Moment für ein Berufstraining verpasst habe, dürfe nicht durchs Raster fallen: "2,3 Millionen Bürger zwischen 20 und 34 Jahren sind ohne Ausbildung. Wie kann das sein?" Zudem solle die Regierung mehr Geld ausgeben, um Umschulungen zu ermöglichen: etwa vom Mechaniker zum Heizungsinstallateur. Oder vom Motorenentwickler zum Softwareentwickler.

Die IG Metall selbst kämpft wie andere Gewerkschaften um ihren Einfluss. 2022 sank die Mitgliederzahl auch durch Todesfälle um ein Prozent auf 2,15 Millionen. Vor allem dank der Tarifrunde gelang es aber, 120 000 neue Mitglieder zu werben, der höchste Wert seit Langem. Darunter waren besonders viele Angestellte, gerade Ingenieure. Was die von Lametta halten, ist nicht erforscht.

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