Ebersberger Verein:Auf Funkwellen in die Welt hinaus

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Wilfried Dilling (links) ist Vorsitzender des Ortsverbands des Deutschen Amateur- und Radioclubs Ebersberg. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig zum Stammtisch. (Foto: Christian Endt)

Die Ebersberger Amateurfunker verbindet die Leidenschaft für eine besondere Technik. In einer Krise könnte ihnen aber eine große Verantwortung zufallen.

Von Vera Koschinski, Ebersberg

Es ist ein nebliger Winterabend, an dem sich der Deutsche Amateur- und Radioclub (DARC) aus Ebersberg namens "C 24" in Gsprait zu seinem monatlichen Ortsverbandsabend trifft - OVA nennen die Mitglieder das selbst. Viele solcher fachspezifischen Abkürzungen werden an diesem Abend wie selbstverständlich am Wirtshaustisch fallen gelassen, um den sich 15 der knapp 20 Mitglieder versammelt haben. Bereits von Weitem sind einige auf dem Tisch verstreute Handfunkgeräte zu erkennen.

"Neben dem gemütlichen, privaten Zusammensitzen steht vor allem der technische Austausch an solchen Abenden im Vordergrund", sagt Wilfried Billing, Vorsitzender des Ortsverbandes. Erst seit Ende 2022 vertritt der 74-jährige Elektrotechniker den Ortsverband Ebersberg.

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Seit fast 50 Jahren ist Wilfried Billing schon im Besitz seiner Funklizenz, die jeder Amateurfunker bei der Bundesnetzagentur beantragen muss, bevor er in das weltweite Funknetz eintauchen darf. An einem japanischen Gerät übte er das Funken in seinem Heimatort in der Oberpfalz, nahe der Stadt Weiden. "Mein Vater hat damals mit mir zusammen noch die Rohrmasten im Garten zusammengeschweißt und aufgebaut", erinnert er sich. Wie die meisten der Mitglieder habe auch er heute einen eigenen Funkraum bei sich zu Hause, in dem sich Kabel, Knöpfe und Armaturen türmen, zwischen denen die geschulten Augen der Funker eine eigene Ordnung ablesen können.

Aktuell läuft die meiste Kommunikation übers Internet - das könnte im Krisenfall schwierig werden

"Aber Funker sind mehr als nur technikbegeisterte Hobbyamateure", betont Wolfgang Michalke, ehemaliger Vorsitzender des Ortsvereins. Aktuell verlasse sich der Großteil der Bevölkerung in seiner Kommunikation voll und ganz auf das Internet. Und tatsächlich wären wohl für die meisten jungen Menschen die größeren Handfunkgeräte von einem alten Mobiltelefon auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden: schwarze, touchscreenfreie Kunststoffboxen, an deren Oberseite eine ausfahrbare Antenne schwingt.

Aber das einseitige Kommunikationsverfahren über Smartphones schaffe eine Abhängigkeit, die in einer Naturkatastrophe zum Verhängnis werden könnte. "Wenn alle auf einmal in einem Katastrophenszenario versuchen, zu telefonieren und Kontakt aufzubauen, dann knickt das Internet ein. Die Notfallversorgung ist dann nicht mehr gesichert", sagt Markus Kandlbinder. Der 58-jährige Patentanwalt engagiert sich im Landkreis für die Kommunikationsversorgung in Notfällen. In solchen Situationen biete es sich an, auf den Funk zurückgreifen.

Um Notfalleinrichtungen wie Krankenhäuser, Polizeistationen, die Feuerwehr oder die Landratsämter per Funk miteinander zu vernetzen, müsse man jedoch erst einmal die Netzknoten auf den Dächern der Einrichtungen installieren. Damit könnten die Einrichtungen bei einem "Blackout" per Funk die Mitglieder des DARC kontaktieren. Diese wiederum könnten dann einen Notfunkruf an den DARC oder an funkfähige Noteinrichtungen des nächsten, mit dem Internet verbundenen Ortes senden, sodass von dort aus die Notfallversorgung über das Mobilfunknetz koordiniert werden könnte. So ähnlich habe sich bereits das Szenario bei der Flutkatastrophe im Ahrtal für ein Krankenhaus abgespielt, dessen Mobilfunkverbindung durch die Flut eingebrochen war.

Die Ebersberger Funker haben viele Pläne

Ein langer Kommunikationsweg, bei dem viel Verantwortung bei den Funkern liegt, die zwischen den einzelnen Stationen hoffentlich keine Informationen nach dem Stille-Post-Prinzip verdrehen. Die erste Einrichtung, die in Ebersberg mit einem solchen Netzknoten ausgestattet werde, sei das Landratsamt. Folgen sollen dann die Gemeindehäuser, Feuerwehr und möglicherweise auch die Polizei, sagt Markus Kandlbinder. Das alles wird freilich noch eine Weile dauern.

70 Prozent Deutschlands seien mittlerweile vom sogenannten "Hamnet" abgedeckt. "Das Hamnet ist eigentlich genau das gleiche wie das Internet, nur halt für Funker", erklärt Kandlbinder. Vom Ebersberger Aussichtsturm zweigen zurzeit drei sogenannte Lichtstrecken, über die die Funkverbindungen hergestellt werden, in verschiedene Himmelrichtungen ab. Funksignale werden dort empfangen und weitergleitet. "Auch die Optimierung der Lichtstrecken gehört zu einem unserer aktuellen Projekte."

Mit dem Versand einer QSL-Karte bestätigen Funkamateure eine erfolgreiche Verbindung. Die Ebersberger Funker haben schon einige davon gesammelt. (Foto: Christian Endt)

Unabhängig von Sprache und Land würden sich Funksignale jedoch nicht durch geografische Grenzen aufhalten lassen. Der deutsche Verein sei mit Funkern aus aller Welt vernetzt und pflege Kontakte in alle Himmelsrichtungen. Sogar Verbindungen in sehr entlegene Gebiete im Ausland stelle man regelmäßig her. Als Beweis dafür breitet Wilfried Billing einen Stapel postkartengroßer Bilder auf dem runden Holztisch aus.

Als Bestätigung einer erfolgreich hergestellten Funkverbindung schicke man sich sogenannte QSL-Karten zu. Auf diesen seien dann Ort, Datum, Uhrzeit und weitere Hintergrundinformationen über das Funkgespräch enthalten. Aber auch über den technischen Austausch hinaus, knüpfe man persönliche Kontakte ins Ausland. "Es gibt da beispielsweise einen Funkamateur in Tromsø, zu dem ich auch eine persönliche Beziehung aufgebaut habe", erzählt Wilfried Billing. Der Kontakt habe sich so gut entwickelt, dass er vor einigen Jahren mit seiner Frau in einem Campingwagen nach Norwegen gereist sei, um ihn zu besuchen.

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