Wiener Festwochen:Mann für knallharte Realitäten

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Milo Rau, der neue Intendant der Wiener Festwochen, vorgestellt von der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. (Foto: Hans Klaus Techt/AFP)

Der Schweizer Theaterregisseur Milo Rau wird neuer Intendant der Wiener Festwochen und soll mehr Publikum anziehen. Keine Traumbesetzung für Konservative.

Von Wolfgang Kralicek

Der Schweizer Regisseur Milo Rau, 46, wird neuer Intendant der Wiener Festwochen. Er tritt die Nachfolge von Christophe Slagmuylder an, der im Herbst überraschend bekannt gegeben hatte, dass er die Festwochen bereits ein Jahr vor Ablauf seines Vertrags verlassen werde. Der Posten musste daher ungewöhnlich kurzfristig neu besetzt werden. Und während Slagmuylder zurück in seine Heimatstadt Brüssel geht, wo er die Leitung des Kulturzentrums Palais des Beaux-Arts übernimmt, übersiedelt sein Nachfolger aus Belgien nach Wien: Milo Rau ist seit 2018 Intendant des Theaters NTGent. Sein Vertrag bei den Festwochen beginnt am 1. Juli 2023. Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bezeichnete Rau bei seiner Vorstellung am Freitag als einen der wichtigsten internationalen Regisseure und wünschte sich von ihm, das Festival für eine breitere Öffentlichkeit aufzustellen und wieder mehr Publikum anzuziehen.

Gegen den Kandidaten Matthias Lilienthal gab es in Wien eine konservative Medienkampagne

36 Personen hatten sich um den Posten beworben, sechs davon wurden von einer Findungskommission zu einem Hearing eingeladen - darunter auch der frühere Intendant der Münchner Kammerspiele Matthias Lilienthal. Dass der es nicht geworden ist, hängt hoffentlich nicht mit einer bizarren Pressekampagne zusammen, die in den vergangenen Wochen gelaufen war: In zwei Wiener Blättern war so heftig gegen den Kandidaten polemisiert worden, als wären die Festwochen mit dessen Engagement endgültig dem Untergang geweiht; Lilienthal habe in München das Publikum vertrieben und nur Theater für abgehobene Kritiker gemacht. Hinter solchen ebenso oberflächlichen und nicht einmal halbwahren Behauptungen steht ein neuer Konservativismus, der in der Kulturkritik derzeit generell konstatiert werden kann. Die nach Corona eine Zeit lang schlechter ausgelasteten Zuschauerräume haben längst erledigt geglaubte Debatten und uralte Schreckgespenster wie das "Regietheater" reanimiert.

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Milo Rau ist mit seinen eminent politischen, internationalen Projekten, in denen der literarische Kanon und antike Mythen mit dokumentarischen Formen und knallharten Realitäten konfrontiert werden, bestimmt nicht die Traumbesetzung für konservative Theatergeher. Aber es ist ihm zuzutrauen, die Wiener Festwochen wieder zu einem angriffigeren, kantigeren Festival zu machen, als es das zuletzt war. Man hat Christophe Slagmuylder ja nicht ganz zu Unrecht vorgeworfen, die Festwochen allzu schöngeistig und versponnen kuratiert zu haben. Ein ganz radikaler Wechsel aber ist nicht zu erwarten: Die im kommenden Mai und Juni bevorstehenden Festwochen sind die letzten, die Slagmuylder noch verantwortet. Auf dem Programm steht unter anderem eine Inszenierung von Milo Rau.

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