"Till - Kampf um die Wahrheit" im Kino:Lynchmord in Mississippi

Lesezeit: 3 min

Danielle Deadwyler und Jalyn Hall in "Till". (Foto: AP/Universal)

Der Film "Till" erzählt nach einer wahren Geschichte vom Mord an einem schwarzen Jungen - und vom Kampf seiner Mutter um Gerechtigkeit im rassistischen Amerika.

Von Fritz Göttler

Er ist charmant und elegant, blauer Anzug, Hut und gesprenkelte Krawatte, ein kleiner Dandy in der großen Stadt Chicago. Emmett Till, ein Afroamerikaner, vierzehn Jahre alt, seine Mutter hat ihn ausstaffiert für die Reise zum Onkel in die Provinz, ins Städtchen Money im Bundesstaat Mississippi. Es ist der Sommer 1955.

Es wird eine Reise mit schrecklichem Ausgang, mit einem brutalen Lynchmord, von dem die Regisseurin Chinonye Chukwu in ihrem neuen Film erzählt. Emmett wird eines Nachts aus dem Bett geholt und weggeschleppt, von zwei weißen Männern. Sie behaupten, er hätte sich an einer weißen Frau vergangen. Der Onkel und seine Familie flehen um Erbarmen, die Weißen sind unerbittlich. Emmett wird gefoltert und dann erschossen, die Leiche soll im Fluss verschwinden, taucht aber nach Tagen wieder auf. Sie soll nach Chicago gebracht werden, verlangt die Mutter, Mamie Till-Mobley.

Dort lässt sie den toten geschundenen Jungen aufbahren, im offenen Sarg, der Leichnam ist brutal zugerichtet - die Welt soll sehen, was ihm angetan wurde. Mamie fährt auch nach Money, sagt beim Prozess gegen die beiden Täter aus - obwohl alle wissen, wie solche Prozesse im Süden Amerikas ausgehen, mit zwölf weißen Männern als Geschworenen und einem Verteidiger, der mit miesen Tricks die Familie Till diffamiert. Doch der Mord und der Prozess und das Foto des Leichnams werden der Bürgerrechtsbewegung in den USA einen starken Schub geben.

Die Frau behauptet, der Junge habe sie sexuell attackiert. Das ist schlecht für einen schwarzen Teenager in Mississippi

Emmett ist ein smarter Sunnyboy, mit einem heiteren Gemüt, wie er durch sein Teenager-Leben tänzelt, an der Seite seiner Mutter, fröhlich singend im Auto. Die Mutter kümmert sich mit Sorgfalt und Nachdruck um ihren Jungen. Sie reicht ihm vor der Abreise die Krawatte, die sie für ihn vorgebunden hat. Emmett besteht darauf, den Ring seines Vaters zu tragen, der im Krieg gefallen ist. Als sie sich auf dem Bahnsteig von ihm verabschiedet, sieht er aus wie eine kleine Version seines Vaters.

Sie haben andere Regeln für uns in Mississippi, ermahnt Mamie ihren Sohn, wenn du dort bist, mach dich klein. Zum offenen Rassismus der Provinz kommt noch das soziale Gefälle. Emmett, der vom Onkel und von dessen Jungs zur Ernte mitgenommen wird, albert auf dem Baumwollfeld herum und wird von der Arbeit freigestellt. Mit den Jungs geht er dann in einen Drugstore in der Stadt, kauft sich ein paar Süßigkeiten, lässt ein paar charmante Floskeln fallen gegenüber der Frau hinter dem Ladentisch. Beim Rausgehen noch ein Pfiff, ein ungelenker Versuch jugendlich-charmanter Flirterei, völlig fehl am Platz. Die Frau starrt ihn entgeistert an, dann läuft sie los. Auch die Jungs fangen an zu rennen, nur Emmett kapiert nicht: "Sie holt ihre Flinte!" Ihr Mann ist einer von denen, die Emmett umbringen werden. Vor Gericht wird die Frau aussagen, Emmett habe sie sexuell angegriffen.

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Der Alltag des Rassismus. Es ist ein Anlass, eine Reaktion, eine Brutalität, wie sie damals in der Öffentlichkeit gar nicht diskutiert wurden. Der Film rühmt die schmerzvolle Entschlossenheit, mit der Mamie ihr persönliches Leid in den politischen Kampf der Afroamerikaner einbringt. Und den Mut, den der Onkel aufbringt, wenn er in seiner Heimatstadt gegen weiße Männer vor Gericht auszusagen bereit ist. Die Schwarzen, die mit Mamie nach Money zum Prozess kamen - Anwälte, Vertreter der Bürgerrechtsbewegung, Journalisten - wirken wie Fremdkörper.

Die Tills sind Teil der Wohlstandsgesellschaft von Chicago, sozial avanciert, aber politisch der Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft ausgeliefert. Mamies Frisur ist perfekt gestylt, sie trägt schicke Kostüme und Hüte, Ohrringe und weiße Handschuhe, sie hat eine gute Stelle als Sekretärin, die einzige Afroamerikanerin im Büro. Für den Glamour ihrer späten Auftritte aber sorgen ihre Verzweiflung, ihr Schmerz, ihr Erinnern.

Till , USA 2022 - Regie: Chinonye Chukwu. Buch: Michael Reilly, Keith Beauchamp, Chinonye Chukwu. Kamera: Bobby Bukowski. Schnitt: Ron Patane. Musik: Abel Korzeniowski. Mit: Danielle Deadwyler, Jalyn Hall, Whoopi Goldberg, Sean Patrick Thomas, Frankie Faison, Haley Bennett, John Douglas Thompson. Universal, 130 Minuten. Kinostart: 26. Januar 2023.

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