Preisentwicklung:Ökonomen erwarten geringere Inflation

Preisentwicklung: Die extremen Preissteigerungen bei Lebensmitteln könnten der Vergangenheit angehören, weil die Weltmarktpreise wieder fallen.

Die extremen Preissteigerungen bei Lebensmitteln könnten der Vergangenheit angehören, weil die Weltmarktpreise wieder fallen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Teuerungsrate in Deutschland könnte in diesem Jahr wegen stark sinkender Energiekosten überraschend zwischen vier und sechs Prozent liegen, sagen führende Prognose-Institute.

Von Alexander Hagelüken

München - Wirtschaftsforscher sagen voraus, dass die Deutschen dieses Jahr unter geringeren Preissteigerungen leiden werden. Zahlreiche Ökonomen erwarten nach 7,9 Prozent Inflation 2022 in diesem Jahr lediglich eine Teuerung von vier bis sechs Prozent. "Der Wendepunkt ist da", sagt Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut der Süddeutschen Zeitung. "Wir haben den Höhepunkt der Inflation hinter uns." Das ist bemerkenswert, weil Wissenschaftler bis vor Kurzem davon ausgingen, dass die Preise in diesem Jahr um neun Prozent und mehr steigen würden.

Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser rechnet vor, dass allein die Strom- und Gaspreisbremsen der Bundesregierung die Teuerung um etwa zwei Prozentpunkte reduzieren. Mit solchen Maßnahmen soll den Bürgern ein großer Teil der Mehrkosten durch die Energiepreise abgenommen werden, die infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine rasant gestiegen waren.

Die Inflation dämpft auch, dass Energie teils wieder billiger ist. So kostet Öl inzwischen weniger als vor dem russischen Überfall. Gas kostet im Großhandel nur ein Siebtel so viel wie vergangenen August. "2022 war die Inflation auch von der Stimmung an den Finanzmärkten getrieben, von Krieg und Angst, sodass die Energiepreise auf den Spotmärkten übertrieben waren", sagt Gunther Schnabl, der das Institut für Wirtschaftspolitik an der Uni Leipzig leitet, der SZ. Weil die Energiepreise deutlich schrumpften, werde die Inflation dieses Jahr nicht mehr so hoch sein. "Die Energiepreise werden die Inflation nicht dauerhaft hochtreiben", prognostiziert Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Auch die extremen Preissteigerungen bei Lebensmitteln könnten der Vergangenheit angehören, erwartet Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. "Die Welthandelspreise fallen seit ein paar Monaten. Das dürfte sich auch bei den Konsumenten bemerkbar machen." Der Ökonom resümiert: "Die Kehrtwende bei der Inflation dürfte geschafft sein." Im kommenden Jahr könnte sich die Teuerung dann wieder bei zwei bis drei Prozent einpendeln, sagen zahlreiche Forscher voraus. Das wäre nicht mehr weit von der Preisentwicklung entfernt, die die Bürger vor der extremen Inflation im vergangenen Jahr gewohnt waren.

Angesichts der unsicheren Weltlage gibt es für den positiven Trend bei der Teuerung allerdings Risiken. Das reicht von einer Eskalation des Ukraine-Kriegs über neue Lücken in der Energieversorgung bis zu weiteren geopolitischen Konflikten. Mehrere Forscher verweisen auch darauf, dass zahlreiche Firmen ihre Preise über ihre Kostensteigerungen hinaus anheben, um ihre Gewinne zu erhöhen.

Streit gibt es unter den Ökonomen, ob die starke Teuerung nicht durch staatliche Ausgabenwut zurückkehren könnte. So kritisiert Gunther Schnabl hohe Staatsausgaben in den Euro-Staaten. In der Vergangenheit sei hohe Inflation meist mit unkontrollierten Staatsausgaben verbunden gewesen. Sebastian Dullien wendet ein, im historischen Vergleich seien die Defizite der Euro-Staaten weder aktuell noch absehbar übermäßig hoch.

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