Österreich:ÖVP verliert absolute Mehrheit

Österreich: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) muss bei der Niederösterreich-Wahl eine empfindliche Niederlage hinnehmen.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) muss bei der Niederösterreich-Wahl eine empfindliche Niederlage hinnehmen.

(Foto: Helmut Fohringer/DPA)

Bei der Landtagswahl in Niederösterreich verlieren die Konservativen deutlich, Wahlsiegerin ist die rechtsextreme FPÖ.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In Niederösterreich wurde an diesem Sonntag gewählt, und die Befürchtungen der ÖVP, mit der sie in den vergangenen Wochen ihre Wähler fast verzweifelt zu mobilisieren versucht hatte, sind wahr geworden: Laut Hochrechnungen zeichnete sich ein Verlust um neun Prozentpunkte ab - von historisch guten 49,6 auf 39,9 Prozent. Damit verliert die Volkspartei die absolute Mehrheit, die sie in dem größten Bundesland Österreichs seit zwei Jahrzehnten hielt. Mindestens ebenso schlagzeilenträchtig ist das Ergebnis der rechtsextremen FPÖ: Sie kam auf 24,2 Prozent und legte damit mehr als neun Punkte zu. Die SPÖ verlor ein paar Punkte und wurde mit etwa 20 Prozent nur drittstärkste Partei.

Die deutliche Niederlage der ÖVP unter Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner war im Vorfeld der Wahl erwartet worden. Allerdings hatten die Konservativen bis zuletzt gehofft, über 40 Prozent zu kommen und ihre Mehrheit in der Regierung nicht zu verlieren. In Niederösterreich gilt nach wie vor ein - in fast allen anderen Bundesländern mittlerweile abgeschafftes - Proporzsystem, das allen Parteien, die auf mehr als zehn Prozent der Stimmen kommen, Sitze im Kabinett sichert. Nach dem vorläufigen Ergebnis würde die machtgewohnte und machtbewusste ÖVP, die in Niederösterreich seit Kriegsende die dominierende Kraft im Land war, ihre Mehrheit bei den Landesräten verlieren; Mikl-Leitner dürfte daher ein sogenanntes Arbeitsübereinkommen mit der SPÖ anstreben. Die FPÖ hat versichert, sie werde weder mit der ÖVP in der Regierung zusammenarbeiten, noch Mikl-Leitner zur Landehauptfrau wählen.

Die ÖVP liegt im Bund bei schwachen 20 Prozent

In Tirol, wo zuletzt im Herbst 2022 gewählt worden war, hatte die ÖVP etwa genauso viel verloren, war aber ebenfalls stärkste Kraft geworden; vielzitierte Schlagzeilen sprachen damals von einem "Absturz auf Platz eins". Dem entspricht nun auch das Wahlergebnis in Niederösterreich, wo Mikl-Leitner zwar als Landeshauptfrau politisch beschädigt ist, aber nur bedingt an Einfluss verliert. In der SPÖ wiederum dürfte sich nach dem historisch schlechten Ergebnis eine Führungsdebatte nicht nur im Land, sondern auch im Bund entspinnen, wo Parteichefin Pamela Rendi-Wagner umstritten ist.

Thema der kommenden Wochen wird nicht nur in der Landes- sondern vor allem auch in der Bundespolitik das erwartet gute Abschneiden der FPÖ werden. Die ÖVP liegt im Bund unter Kanzler Karl Nehammer bei schwachen 20 Prozent, auch hier führen die Rechtspopulisten die Umfragen an. Korruptionsaffären und Ermittlungsverfahren hatten das Image der ÖVP in den vergangenen Jahren beschädigt, den Sturz von Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat die Partei bis heute nicht wirklich verwunden. Zuletzt hatten Nehammer und Innenminister Gerhard Karner unter anderem das Thema Migration und Asyl in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt, eine Kampagne gegen "Asylmissbrauch" gestartet und gegen das "kaputte Asylsystem" in Europa agitiert. Politikwissenschaftler und Oppositionsparteien warfen der ÖVP daraufhin vor, der FPÖ bei ihrem Leib- und Magenthema in die Hände gespielt zu haben.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wiederum, der vor wenigen Tagen für eine zweite Amtszeit vereidigt wurde, hat deutlich gemacht, dass er die FPÖ, sollte sie bei den nächsten Bundeswahlen stärkste Partei werden, nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen werde. Ihm wird nun angelastet, dass er damit der FPÖ in die Hände gespielt habe, die sich einmal mehr als ausgegrenzte politische Kraft inszenieren werde, die zwar in der Bevölkerung populär sei, aber von den "Eliten" beiseitegedrängt werde.

Mikl-Leitner machte äußere Umstände für die Niederlage verantwortlich

Im Vorfeld der Wahl hatte Ex-Innenminister Herbert Kickl, der nach der Ibiza-Affäre die FPÖ-Parteiführung von seinem Vorgänger und damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache übernommen hatte, den 36-jährigen Spitzenkandidaten in Niederösterreich, Udo Landbauer, massiv unterstützt. Beide mobilisierten gegen das "System ÖVP", gegen Russland-Sanktionen und Migration nach Österreich.

Landbauer erklärte seinen Erfolg vor allem mit der Politik der niederösterreichischen ÖVP, Landeshauptfrau Mikl-Leitner hingegen argumentierte in der Elefantenrunde am frühen Sonntagabend mit internationalen Krisen, Belastungen wie Inflation und hohen Energiepreisen - und dem Image der Bundes-ÖVP. Einen Rücktritt wollte weder sie noch der erfolglose SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl diskutieren.

Der Standard titelte am Wahlabend: "Die FPÖ ist zurück." Gleichwohl dürfte in Wien nach einer intensiven Debatte über deren Erfolg in Niederösterreich bis auf Weiteres alles beim Alten bleiben. Denn vorgezogene Neuwahlen wollen derzeit nur: die Freiheitlichen.

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