Landsberg am Lech:Gefährliche Finanzgeschäfte: Gericht kürzt Kämmerer das Gehalt

Der frühere Finanzchef von Landsberg am Lech soll der Stadt durch riskante Swap-Deals Millionenverluste beschert haben. Das Verwaltungsgericht will ihm sein Ruhegehalt aber nicht wie von der Disziplinarbehörde beantragt komplett streichen.

Von Florian Fuchs, München

Wer die Dimensionen dieses Verfahrens erfassen will, muss nur der Richterin zusehen, wie sie kurz vor Start der Verhandlung einen Rollwagen voll mit Aktenordnern in Saal 7 des Verwaltungsgerichts München schiebt. Es sind allein die Ordner des Disziplinarverfahrens gegen den früheren Kämmerer der Stadt Landsberg am Lech. Die Ordner mit den Dokumenten zu den Strafverfahren lägen in Griffweite in einem anderen Raum, sagt die Richterin kurze Zeit später zum Start des Prozesses, weitere 40 Akten würden gar nicht benötigt.

Elf Jahre laufen die Verfahren des Kämmerers und der Stadt Landsberg wegen hochspekulativer und letztlich verlustreicher Derivatgeschäfte nun. Es ist nicht ganz leicht, das sagt auch die Richterin, den Überblick zu behalten. Die Stadt klagte gegen das beratende Finanzinstitut, das Finanzinstitut gegen die Stadt. Der Kämmerer musste sich vor einem Strafgericht verantworten. Und nun wollte ihm die Landesanwaltschaft Bayern, zuständig als Disziplinarbehörde, das Ruhegehalt aberkennen, weil er zu sorglos mit dem Vermögen der Stadt umgegangen sei und nicht einmal den Oberbürgermeister sowie die zuständigen Gremien ordentlich über die hochspekulativen Finanzdeals unterrichtet habe.

Sein Ruhestandsgehalt wird dem 73-Jährigen laut Urteil des Verwaltungsgerichts jedoch nicht aberkennt, lediglich für 48 Monate um zehn Prozent gekürzt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, darf er sich daher über eine satte Rückzahlung freuen: Um etwaige Ansprüche abzusichern, erhielt er seit 2013 bereits nur noch um 30 Prozent gekürzte Bezüge.

Kern der Vorwürfe gegen den Kämmerer sind sogenannte Swap-Geschäfte, die vor zehn bis 20 Jahren zahlreiche Kommunen tätigten, um sich gegen steigende Kreditzinsen abzusichern. Im Landsberger Fall wurde der Streitwert zwischen Stadt und dem beratendem Bankhaus "Hauck & Aufhäuser" auf etwa sechs Millionen Euro festgesetzt, wobei der Schaden nicht genau zu beziffern ist: Mindestens einer der geschlossenen Verträge läuft noch bis 2034, der Kämmerer und sein Anwalt wiesen am Montag darauf hin, dass die Stadt wegen steigender Zinsen wenigstens in den nächsten Jahren sogar noch profitieren könnte.

Das Strafverfahren gegen den Kämmerer wegen Untreue wurde nach mehreren Instanzen schließlich gegen eine Geldauflage von 35 000 Euro eingestellt. Stadt und Bankhaus prozessieren noch immer, wer letztlich für den Schaden aufkommen muss. Im Disziplinarverfahren warf die Landesanwaltschaft dem Ruheständler nun vor, gegen das Spekulationsverbot verstoßen zu haben. Der Stadt sei nicht nur finanziell großer Schaden entstanden, sondern auch für das Image.

Der Beklagte und sein Anwalt hielten dagegen, dass der heute 73-Jährige als Kämmerer umfassende Vollmachten vom Oberbürgermeister und den zuständigen Gremien der Stadt erhalten habe. Er sei schlecht beraten worden von der Bank, die nicht ausreichend auf Risiken der Derivatgeschäfte hingewiesen hätte. Im Übrigen gebe es keine vergleichbaren Disziplinarverfahren gegen Kämmerer anderer Städte, denen wegen hochspekulativer Swap-Geschäfte ebenfalls hoher Schaden entstanden sei.

Als Kämmerer sei er in der Besoldungsstufe A 15 und dann A 16 eingruppiert gewesen, entgegnete die Richterin. "Das ist eine Stellung, in der man wenig verzeiht." Er sei kein unbedarfter Kämmerer gewesen, sondern hätte die heraufziehende Gefahr erkennen müssen. Stattdessen habe er sie unter Aufnahme hohen Risikos in Kauf genommen. Dass er im Amt also Fehler gemacht habe, befand die Richterin als unzweifelhaft.

Hauptsächlich weil er sich nicht persönlich bereichert habe und auch kein Strafurteil gegen ihn wirksam geworden ist, wollte die Richterin aber nicht dem Antrag folgen, ihm sein Ruhegehalt als Pensionär zu streichen. Für ihn seien keine negative Auswirkungen auf die Stadt absehbar gewesen, sonst wären die Geschäfte nicht abgeschlossen worden, sagte der Kämmerer zum Schluss der Verhandlung. "Wer macht schon alles richtig?", fragte er. "Aber dass es ein grundlegendes Fehlverhalten gegeben hat, das weise ich zurück."

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