Gender-Pay-Gap:Was der Westen vom Osten lernen kann

Gender-Pay-Gap: Erzieherin in Halle in Sachsen-Anhalt. In den ostdeutschen Bundesländern bekommt eine Frau für jeden Euro, den ein Mann verdient, 93 Cent.

Erzieherin in Halle in Sachsen-Anhalt. In den ostdeutschen Bundesländern bekommt eine Frau für jeden Euro, den ein Mann verdient, 93 Cent.

(Foto: Waltraud Grubitzsch/picture alliance / dpa)

Frauen in Deutschland verdienen zwar weiterhin weniger als Männer. In Ostdeutschland ist der Unterschied aber deutlich kleiner als im Westen. Das hat Gründe.

Von Tobias Bug

Immer noch verdienen Frauen in Deutschland weniger als Männer: Für jeden Euro, den ein Mann im vergangenen Jahr an Lohn erhielt, bekam eine Frau nur 82 Cent. Der sogenannte Gender-Pay-Gap liegt also bei 18 Prozent, zeigt eine neue Auswertung des Statistischen Bundesamtes. Männer erhielten im Schnitt einen Bruttostundenverdienst von 24,36 Euro, Frauen dagegen nur 20,50 Euro. Immerhin wird der Unterschied kleiner: Zu Beginn der Erhebung, im Jahr 2006, lag der Gender-Pay-Gap noch bei 23 Prozent.

Im Vergleich mit den anderen EU-Staaten bleibt Deutschland aber weiterhin eines der Schlusslichter. Nur Lettland (22 Prozent), Estland (21 Prozent) und Österreich (19 Prozent) haben einen größeren Gender-Pay-Gap. Luxemburg (ein Prozent), Rumänien (zwei Prozent) und Slowenien (drei Prozent) haben die Gehaltslücke zwischen Frau und Mann schon fast geschlossen.

Knapp zwei Drittel des Gehaltsunterschieds in Deutschland sind den Statistikern zufolge darin begründet, dass Frauen häufiger schlechter bezahlte Berufe ausüben und öfter in Teilzeit arbeiten. Der von diesen Faktoren bereinigte Gender-Pay-Gap beträgt sieben Prozent. Auch in vergleichbaren Tätigkeiten und mit ähnlichen Qualifikationen und Erwerbsbiografien verdienen Frauen also deutlich weniger als Männer. Nicht einbezogen in die Erhebung sind laut Statistischem Bundesamt Unterbrechungen des Berufslebens, etwa wegen Schwangerschaft oder der Pflege von Angehörigen. Daher sei der bereinigte Gender-Pay-Gap "als Obergrenze für Verdienstdiskriminierung zu verstehen".

Bis 2030 will die Bundesregierung den Gender-Pay-Gap auf zehn Prozent drücken

Die Untersuchung zeigt auch: Im Osten ist der Gender-Pay-Gap deutlich kleiner als im Westen. Dort bekommt eine Frau für jeden Euro, den ein Mann verdient, immerhin 93 Cent - im Westen sind es nur 81 Cent. Und schaut man sich das mittlere Einkommen an, also die Einkommenshöhe, von der aus die Anzahl der Personen mit niedrigeren Gehältern gleich groß ist wie die der Personen mit höheren Gehältern, dreht sich die Lohndifferenz im Osten sogar komplett um: Ostdeutsche Frauen haben ein mittleres monatliches Bruttoeinkommen von 3060 Euro - und bekommen damit 82 Euro mehr als die ostdeutschen Männer, die im Schnitt 2978 Euro verdienen. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Juni 2022 hervor. Gender-Pay-Gap mal anders.

Dafür, dass der Osten hier deutlich weiter ist als der Westen, gibt es historische Gründe. Ab Ende der Sechzigerjahre hat sich in der damaligen DDR allmählich das Doppelversorgermodell durchgesetzt. Beide Partner arbeiteten weitgehend kontinuierlich und in Vollzeit, Unterbrechungen für die Kinderbetreuung wurden bei den Frauen über die Jahre immer kürzer. Noch heute sei es dort viel selbstverständlicher als im Westen, dass die Frau in Vollzeit arbeite, sagt Michaela Fuchs vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. "Frauen werden im Osten als gleichwertiger angesehen - auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben. Und sie werden für Kinder auf dem Arbeitsmarkt nicht so sehr bestraft wie die Frauen in Westdeutschland." Auch seien Kitaplätze besser verfügbar und die Ganztagsschulen besser ausgebaut.

Ein wichtiger Grund für den kleineren Gender-Pay-Gap, sagt Fuchs, sei auch, "dass Männer im Osten nicht die Jobmöglichkeiten haben wie die im Westen. Sie verdienen in klassischen Männerberufen im Maschinenbau und in der Industrie deutlich weniger." In den "klassischen Frauenberufen", in der Dienstleistungsbranche und im Gesundheitswesen, sei das Ost-West-Gefälle nicht so groß. Auch bei den Minijobs haben die neuen Bundesländer den alten einiges voraus: Gut 17 Prozent der berufstätigen Frauen gehen im Westen einem 520-Euro-Job nach, im Osten hat nur eine von zehn Frauen einen Minijob. Das zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2018.

Bis 2030, übrigens, will die Bundesregierung den Gender-Pay-Gap auf zehn Prozent drücken. Bis dahin bleibt noch einiges zu tun - vor allem im Westen.

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