Kultur:Gesamtkunstwerk in Vollendung

Kultur: Wer glaubt, Perkussionsinstrumente können nur für den Rhythmus sorgen, wird von den vier Musikern schnell eines Besseren belehrt.

Wer glaubt, Perkussionsinstrumente können nur für den Rhythmus sorgen, wird von den vier Musikern schnell eines Besseren belehrt.

(Foto: Johannes Simon)

Begeisterndes Gastspiel von "Elbtonal Percussion" in der Gröbenzeller Steinerschule.

Von Klaus Mohr, Gröbenzell

Mehrmals ist die Gruppe "Elbtonal Percussion", bestehend aus den vier Schlagwerkern Francisco Manuel Anguas Rodriguez, Jan-Frederick Behrend, Stephan Krause und Sönke Schreiber, bereits im Landkreis aufgetreten. Nun gastierten die Musiker aus Hamburg wie vor etwa zehn Jahren wieder in Gröbenzell. Das riesige Instrumentarium, das die Bühne in der Steinerschule vollkommen ausfüllte, ist so vielfältig wie die Klänge, die damit erzeugt werden können. Und wer bei Perkussionsinstrumenten nur vermutet, dass es insbesondere um den musikalischen Parameter Rhythmus geht, der damit bedient werden kann, der hätte die auffälligste Komponente, nämlich den unendlichen Klangfarbenreichtum, übersehen. Es gab insofern keinen lauten und explosiven Konzertabend zu erleben, sondern eine klangliche Entdeckungsreise, bei der Überraschungen das berühmte Salz in der Suppe waren. So verwunderte es nicht, dass es am Ende einen richtigen Begeisterungssturm aus dem Publikum gab, der eine wiederum überraschende Zugabe nach sich zog.

"Madeira River" hieß das Stück des Minimalkomponisten Philip Glass, welches das Konzert eröffnete. Zu einem Ton kamen vielfach repetierte Klänge von Xylophon und Glocken, die in eine dynamische Entwicklung eingebunden waren. Grundlage war ein durchgehender Puls, dessen Klangfläche sich aufhellte und Wohlfühlmomente bei den Zuhörern auslöste. Auch bei der Verkürzung der Tonabstände blieb es beim durchgehenden Puls, der keinen weiteren Rhythmus aufwies. Es gibt wohl so gut wie keine Stilrichtung oder Besetzung, die nicht einen Bezug zur Musik Johann Sebastian Bachs findet. Die Suite für Violoncello solo Nr. 6 in D-Dur stand in einer Bearbeitung für Marimbaphon auf dem Programm. Wie das Original, so strahlte auch die Transkription viel meditative Ruhe aus. Aus klangvollen Kantilenen wurden hier pointillistische Leuchtpunkte, die sich quasi das Licht in die Hand gaben.

Ein Musikstück, das nicht live aufgeführt wurde und trotzdem höchst lebendig wirkte, war die pantomimisch inszenierte Nummer "Bad Touch" von Casey Cangelosi. Der Klang kam aus der Konserve, ein Schlagzeuger bewegte aber in unnachahmlicher Präzision mit den Klängen zwei Sticks und seine Hände, so dass sich eine selbstverständliche Synchronität zwischen akustischem und optischem Sinneseindruck einstellte. Einen mysteriösen Touch erhielt die Nummer dadurch, dass der Musiker im dunklen Raum wie ein Gespenst aus der Geisterbahn wirkte. Ganz vorne am Bühnenrand saßen die Musiker hinter hölzernen Tischen und entlockten der Tischplatte vielfältige Klopf- und Schleiflaute, die sie mit den Fingern oder der Handkante sorgsam ineinander verzahnten. Zu hören war eine interessante Rhythmusstudie, die imitatorische Abschnitte mit konzertierten Aktionen aller drei Musiker verzahnte.

Etwas scherzhaft wurde in der Moderation das Tätigkeitsfeld der Elbtonal-Musiker mit japanischen Mönchen verglichen, die "trommeln, joggen und beten". In der Tat war es im Stück "The Wave" von Keiko Abe nicht ganz einfach, hören und sehen zusammenzubringen. Vielleicht hätte man ein paar Augen oder Ohren mehr gebraucht, um den Ablauf differenziert erfassen zu können, so spannend war der Verlauf. Manchmal wild und doch gut geordnet, mit urtümlichen Schreien versehen, mal zitternd und bebend - und am Ende ein Spiel in Trance. So stellt man sich ein Gesamtkunstwerk in Vollendung vor. Noch eine Überraschung gab es dann am Schluss: Schlaginstrumente müssen nicht für diesen Zweck gebaut sein. Auch simple Putzeimer und große Plastikbottiche lassen sich mit quietschbunten Sticks effekt- und lustvoll akustisch zum Leben erwecken.

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