Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht:Großmetzgerei Sieber bekommt Schadensersatz

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Die Listerien-Funde waren der Anfang vom Ende der Geretsrieder Großmetzgerei Sieber. (Foto: Claus Schunk)

Der Insolvenzverwalter des Geretsrieder Unternehmens erzielt vor dem Oberlandesgericht München einen Teilerfolg gegen den Freistaat Bayern. Über die Höhe der Entschädigung muss das Landgericht München I nun erneut verhandeln.

Von Andreas Salch

In dem millionenschweren Prozess um die Pleite der Geretsrieder Großmetzgerei Sieber hat deren Insolvenzverwalter, der Wolfratshauser Rechtsanwalt Josef Hingerl, einen Teilerfolg vor dem Oberlandesgericht (OLG) München erzielt. Hingerl fordert in dem Verfahren vom Freistaat Bayern rund elf Millionen Euro Schadensersatz. Aus Sicht des Insolvenzverwalters habe das Verbraucherschutzministerium mit seiner amtlichen Warnung vom Mai 2016 vor allen Produkten der Firma Sieber überreagiert und sei deshalb mitverantwortlich am Aus des Traditionsunternehmens.

In erster Instanz hatte das Landgericht München I Hingerls Klage abgewiesen. Die Richter des 1. Senats am OLG München verwiesen an diesem Dienstag den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht München I zurück. Aufgabe der Vorinstanz ist es nun, über den Anspruch und die Höhe des von Hingerl geltend gemachten Schadensersatzes zu entscheiden.

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Drei Lebensmittelskandale in Bayern erschütterten zwischen 2012 und 2016 das Vertrauen von Verbrauchern und Verbraucherinnen und schlugen bundesweit Wellen: Müller-Brot, Bayern-Ei und dann im März 2016 erhöhte Listerien-Werte im Wacholder-Wammerl der Geretsrieder Großmetzgerei Sieber. Die Bakterien, die Kontrolleure bei der Entnahme von Proben fanden, können bei Kindern, Kranken und Schwangeren zu schweren Erkrankungen führen. Sieber hatte nach dem Listerien-Fund binnen weniger Wochen den Betrieb einstellen müssen. 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihren Job.

In ihrem 38-seitigen Urteil stellen die Richter am OLG München unter anderem fest, dass das Verbraucherschutzministerium aufgrund der erhöhten Listerien-Werte im Wacholder-Wammerl von Sieber nicht nur tätig werden durfte, sondern auch tätig werden musste. Die Stilllegung der Produktion, der Rückruf von Waren sowie die amtliche Warnung vom Mai 2016 hätten sich aber nur auf jene Produkte beziehen dürfen, in denen Listerien überhaupt vorkommen konnten.

Unbedenkliche Waren hätten nicht zurückgerufen werden dürfen

So hatte Sieber nach dem Listerien-Fund im Wacholder-Wammerl auch Waren nachpasteurisiert. Diese seien somit nicht durch Listerien gefährdet gewesen, so das OLG. Darauf hatte Insolvenzverwalter Josef Hingerl in der mündlichen Verhandlung Anfang Dezember vergangenen Jahres vor dem 1. Senat hingewiesen. Da das Verbraucherschutzministerium mit seiner Verzehrwarnung aber generell vor den Waren von Sieber gewarnt hatte, hätten die Anordnungen eine "Amtspflichtverletzung" dargestellt, stellt nun das OLG fest. Allein für diese nachpasteurisierten Waren, die im Mai 2016 bereits im Handel waren und die nicht hätten zurückgerufen werden dürfen, hat Sieber laut dem Urteil des OLG ein Anrecht auf Schadensersatz in Höhe von rund 29 000 Euro.

Gleichwohl nehmen die Richter auch den damaligen Geschäftsführer der Großmetzgerei Sieber in die Pflicht. Ihn treffe ebenfalls ein Mitverschulden - wenn auch weitaus geringer als den Freistaat. Er habe in der damaligen Situation nicht ausreichend gegen die vom Verbraucherschutzministerium getroffenen Maßnahmen interveniert und die Kontrolleure nicht darauf hingewiesen, dass die Metzgerei seinerzeit auch unbedenkliche Wurstwaren in ihrem Sortiment gehabt habe.

Hingerls Anwalt Andreas Meisterernst teilte am Dienstag auf Anfrage mit, er werte das Urteil des OLG als Erfolg. Der Verbraucherschutz sei ein hohes Gut, so Meisterernst. Aber es gebe auch für Behörden "Regeln, die man einhalten muss".

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