Thüringen:Mit bester Überzeugung

Thüringen: Welche Auswahlkriterien galten für seine Staatssekretäre? Die Regierung von Bodo Ramelow, hier im Erfurter Landtag, steht in dieser Frage unter Beschuss.

Welche Auswahlkriterien galten für seine Staatssekretäre? Die Regierung von Bodo Ramelow, hier im Erfurter Landtag, steht in dieser Frage unter Beschuss.

(Foto: Jacob Schröter/Imago)

Hat die rot-rot-grüne Landesregierung politisches Spitzenpersonal nach Gesinnung statt Qualifikation eingestellt? Das legt ein Papier des Rechnungshofes nahe, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Iris Mayer, Leipzig

Der Entwurf des Thüringer Rechnungshofes über die Prüfung zur "Stellenbesetzung in den Leitungsbereichen der obersten Landesbehörden" trägt den Vermerk "Vertrauliche Personalsache". Auf 21 Seiten listen die Kontrolleure im zweiten Teil akkurat auf, welche Personalentscheidungen auf Staatssekretärsebene der rot-rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sie seit 2014 für nicht nachvollziehbar oder schlicht rechtswidrig halten.

Für acht von damals 13 Staatssekretären sah sich der Rechnungshof seit 2020 die Personalakten an. Er kommt zu dem vorläufigen Schluss, dass die Anerkennungsverfahren in fünf Fällen "insgesamt intransparent und fehlerhaft" seien. Kernvorwurf der Prüfer: Es sei "nicht im Ansatz erkennbar, dass eine Bestenauslese stattgefunden haben könnte", wie eigentlich im öffentlichen Dienst erforderlich.

In fünf von acht der geprüften Fälle seien besondere persönliche und fachliche Befähigungen nicht ersichtlich. Und: "Die Einstellung von Personen mit wenig oder sogar ohne Erfahrung in den Aufgabenbereichen eines Ministeriums als deren Spitzenbeamte lässt vielmehr den Schluss zu, dass maßgebliches oder alleiniges Kriterium der Ernennung die politische Übereinstimmung mit der jeweiligen Hausleitung war." Der Rechnungshof halte die Ernennung für rechtswidrig und beanstande sie auch im Hinblick auf künftige Lasten und Ausgaben. Deutlicher kann eine Rüge kaum ausfallen.

Landesregierung will "vollumfänglich kooperieren"

Am Montagabend bestätigte die Staatsanwaltschaft Erfurt, dass sie wegen des Anfangsverdachts der Untreue ermittelt. Das Verfahren werde derzeit gegen unbekannt geführt. Auf Nachfrage teilte die Behörde mit, das Ermittlungsverfahren sei Mitte Januar eingeleitet worden. Der endgültige Prüfbericht des Landesrechnungshofes soll spätestens bis Ende März vorliegen, wie ein Sprecher der SZ sagte. Bislang kursieren nur Entwürfe. Neben den Staatssekretären untersuchte die Behörde in einem ersten Teil auch 64 Personalakten von engen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Leitungsebenen der Ministerien.

Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) will erst durch eine Anfrage des MDR von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfahren haben, sehe dem aber aufgeschlossen entgegen: "Wir werden als Landesregierung selbstverständlich mit der Staatsanwaltschaft Erfurt vollumfänglich kooperieren." Die Prüfvorgänge des Rechnungshofes seien bisher nicht abgeschlossen, man habe darum gebeten, dies nun zügig zu tun und das Ergebnis inklusive der Stellungnahme der Landesregierung und der Ministerien zu veröffentlichen.

Bereits im Dezember wies Hoff - nachdem der Spiegel die Vorwürfe Ende November erstmals öffentlich machte - die Argumentation des Landesrechnungshofes zurück. Alle seit 2014 ernannten Staatssekretäre und Staatssekretärinnen hätten demnach die erforderlichen Voraussetzungen "hinsichtlich der Eignung, Leistung, Befähigung und des politischen Vertrauens" erfüllt. Sie seien politische Beamte und unterlägen gegenüber der Regierung einer besonderen Loyalitätspflicht. Hoff stellte zudem einen Gesetzentwurf in Aussicht, wonach Staatssekretäre für eine Ernennung nicht mehr die gleichen Anforderungen erfüllen müssten wie andere Beamte. In Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sei das bereits geltende Praxis.

Rot-Rot-Grün habe sich das Land zur Beute gemacht, sagt die CDU

Laute Kritik kommt naturgemäß aus der Opposition. Selbstbedienungsmentalität und Filz wittert die CDU, Vetternwirtschaft die FDP, Doppelmoral die AfD. In einer aktuellen Stunde im Landtag forderte der AfD-Abgeordnete Robert Sesselmann am Dienstag den Rücktritt von Ministerpräsident Bodo Ramelow und beklagte "Chaos-Tage im Landestheater". Der CDU-Abgeordnete Andreas Bühl meldete für seine Partei dringenden Gesprächsbedarf an. Rot-Rot-Grün habe sich das Land zur Beute gemacht und verteilt: "Ihr Argument der Bestenauslese ist Gesinnung." Es brauche jetzt volle Aufklärung, im Zweifel durch einen Untersuchungsausschuss.

Staatskanzlei-Chef Hoff entgegnete, die Landesregierung habe nichts zu verbergen und keine anderen Regeln angewandt als Vorgängerregierungen.

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