Streit um Grünflächenschutz:Ein Bürgerbegehren, das spaltet

Streit um Grünflächenschutz: Vor der Stadtratssitzung versammelten sich Unterstützer des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" vor dem Rathaus.

Vor der Stadtratssitzung versammelten sich Unterstützer des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" vor dem Rathaus.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Nach harten Debatten im Stadtrat übernimmt München die Forderungen der Initiative "Grünflächen erhalten". Zu einem Bürgerentscheid wird es deshalb nicht mehr kommen.

Von Heiner Effern

"Politik in Reinstform", ein Festtag für überzeugte Demokraten, so sah es ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff. "Es lebe der politische Opportunismus", ein Tag der taktischen Fallrückzieher, so erlebte es Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). In jedem Fall war der Mittwoch der Tag, an dem der Stadtrat mit großer Mehrheit die Forderungen des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" in einem Beschluss übernahm. Ein Bürgerentscheid ist damit nicht mehr nötig, dem Willen der etwa 60 000 Unterzeichner ist genüge getan. Stadtrat Dirk Höpner (München Liste) nutzte die Gelegenheit, den drei Initiatoren Stefan Hofmeir, Clement Meier und Helmut Köpf zu gratulieren.

Diese hatten mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern am Mittwoch vor dem Rathaus ihren Sieg schon gefeiert, die Mehrheit für ihr Anliegen zeichnete sich seit Montagabend ab. Doch das Bürgerbegehren und die Debatte im Stadtrat zeigte auch, wie verschlungen die Wege in der Kommunalpolitik verlaufen können. Keine Fraktion fand und findet die Idee des Bürgerbegehrens falsch, Grünflächen zu erhalten. Das untermauerten zahlreiche Stadträtinnen und Stadträte in ihren Wortbeiträgen. Den Weg dorthin, Grün pauschal in Anlehnung an den Flächennutzungsplan zu schützen, findet eine große Mehrheit allerdings immer noch fragwürdig. Trotzdem will sie ihn nun eingeschlagen.

Unbeirrt in ihrer Richtung blieben die Fraktionen ÖDP/München Liste sowie SPD und die FDP. Allerdings auf unterschiedlichen Seiten. Die ÖDP stieg zwar erst spät offiziell beim Bürgerbegehren ein, Fraktionschef Ruff agierte zuletzt aber auch als einer deren Sprecher. Der nicht ausreichende Schutz von Grünflächen sei eine der offenen Baustellen der Stadtpolitik, sagte er. Es müsse und werde nun zu einem "absoluten Tabu" werden, diese anzupacken. Sprich: zu versiegeln oder zu bebauen. Bürgerinnen und Bürger müssten auch künftig fußläufig zu einer Grünfläche oder zu einem Park kommen. Neben dieser sozialen Stoßrichtung des Bürgerbegehrens stellte er den Klima- und Artenschutz in den Fokus.

Aber Ruff konnte es auch nicht lassen, den Kritikern des Bürgerbegehrens eine mitzugeben, die ihm und seinen Mitstreitern einen Egotrip der Immer-gegen-alles-Bürger vorwerfen, der zu höheren Mieten führe, weil der Wohnungsbau nun ausgebremst werde. Da würden "Pappkameraden aufgestellt und erschossen", die mit der Sache nichts zu tun hätten. Einen "ganz, ganz schlechten Stil" stellte der Sprecher des Bürgerbegehrens bei den Gegnern fest, vor allem bei der SPD.

Streit um Grünflächenschutz: Ein leidenschaftlicher Streiter für das Bürgerbegehren: Tobias Ruff, ÖDP.

Ein leidenschaftlicher Streiter für das Bürgerbegehren: Tobias Ruff, ÖDP.

(Foto: Florian Peljak)

Die Sozialdemokraten verweigern wie die FDP konsequent die Zustimmung. Sie sehen die ÖDP an der Spitze der Bürgerinnen und Bürger, die am liebsten jeden Wohnungs- und Gewerbebau einstellen und die Stadt wegen Überfüllung zusperren würden. Das Bürgerbegehren sei "Teil einer Kampagne einer Kleinstpartei", nämlich der ÖDP, die auch noch mit "falschen oder halbwahren Plattitüden" arbeite, sagte Fraktionschef Christian Müller. Die Grünflächen zu erhalten sei ohnehin schon längst Maxime der SPD-Politik, die aber auch noch Möglichkeiten brauche, durch Tausch oder Ersatz von Grünflächen die Stadt zu entwickeln.

"Planung und Wohnungsbau erfordern Haltung", sagte Müller. Er ließ keine Zweifel daran, dass ihm eine solche auch beim grünen Koalitionspartner fehle. Müller stellte Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und Fraktionssprecherin Mona Fuchs als wenig meinungstreu dar. Genüsslich zitierte er, wie sich die beiden noch vor wenigen Tagen gegen das Umfallen vor jeder Bürgerinitiative allgemein und gegen die Formulierungen des Bürgerbegehrens konkret ausgesprochen hatten. Man müsse das Engagement der Bürger ernst nehmen, die Ziele teile man ohnehin, nur der Weg, "an dem scheiden sich die Geister", sagte Fuchs.

Streit um Grünflächenschutz: Beklagt die fehlende Haltung bei seinem grünen Koalitionspartner: SPD-Fraktionschef Christian Müller.

Beklagt die fehlende Haltung bei seinem grünen Koalitionspartner: SPD-Fraktionschef Christian Müller.

(Foto: Florian Peljak)

Wenn sich die SPD nicht gesperrt und man sich auf eine Formulierung für einen Ratsentscheid hätte einigen können, dann hätten die Grünen gegen die Übernahme der Forderung des Bürgerbegehrens gestimmt, sagte Fuchs. Nun stimme die Fraktion zu in dem Wissen, dass nach Rechtsansicht des Planungsreferats dem Stadtrat trotzdem noch ein "Handlungsspielraum" bleibe und im Einzelfall abgewogen werden könne, wie eine Grünfläche verwendet werde.

Auch die CSU stimmte für die Übernahme des Bürgerbegehrens, obwohl sie es schwierig findet. "Wir würden die Frage so nicht stellen", sagte Sprecher Manuel Pretzl. Die Fraktion habe mit sich gerungen, doch letztendlich habe die Auslegung des Planungsreferats den Ausschlag gegeben. Dass große Bauvorhaben leiden würden, sei "vollkommener Unsinn". Die entstünden nicht auf Grünanlagen, die man nun besonders schütze. Gemeinsam mit den Grünen legte die CSU im Beschluss fest, dass bereits laufende Verfahren nicht rückwirkend betroffen seien. OB Reiter hält dies für rechtswidrig und wird diesen Passus der Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde vorlegen.

Obwohl er ihnen inhaltlich nicht zustimme, dankte Reiter den engagierten Bürgern, weil "sie es ernst und ehrlich gemeint haben". Das unterscheide sie von Grünen und CSU, die ausschließlich aus "politischem Kalkül" gehandelt hätten. Dieses sei in Bezug auf das Bürgerbegehren leicht zu durchschauen: "Wir wollen es übernehmen, aber ändern darf sich nichts." Man werde nun von CSU und Grünen im Planungsausschuss viele empathische Gründe hören, warum das Bürgerbegehren in diesem und jenem Einzelfall nicht zum Tragen komme, prophezeite er. "Potemkin in Reinkultur", so beschrieb er die Haltung der beiden größten Fraktionen.

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