Unter Bayern:Die Ewigkeit beginnt im Netz

Das Internet vergisst nichts, das ist hinlänglich bekannt. Und vielleicht hilft es sogar mit, ein paar Dinge zu bewahren. Sogar im Wortsinne.

Glosse von Katja Auer

Die Ewigkeit beginnt dem gängigen christlichen Zyklus zufolge nach dem Tod, in Wahrheit jedoch schon davor im Internet. Widerlegte Thesen, gebrochene Versprechen, verflossene Liebschaften: Nichts wird der Vergänglichkeit anheim gegeben. Noch Generationen nach uns werden die Tweets von Hubert Aiwanger und deren Rezeption verfolgen können und aus der Rückschau vielleicht endlich die Erkenntnis erlangen, ob der Mann in seiner Zeit ein verkanntes politisches Genie oder doch nur ein bauernschlauer Populist gewesen ist.

Und selbst Zeich und Woar (umgangssprachlich für alltägliche Gegenstände), das sonst direkt entsorgt worden wäre oder allenfalls in unzugänglichen Dachböden die Zeiten überdauert hätte, findet heute den Weg in den ewigen Kreislauf und wird auf diversen Plattformen zum Kauf angeboten. Das ist freilich wunderbar nachhaltig, aber auch ein wenig absurd.

Ein Eimer ist gerade im Angebot, sehr alt laut Beschreibung, eine Antiquität also, aus Emaille noch dazu, wenn auch mit einem sehr großen Loch im Boden. Dafür soll er aber auch nur 17 Euro kosten, plus Versand, selbstverständlich. Ohne Loch gibt es einen solchen schon für 49 Euro, mit Gebrauchsspuren freilich und ohne besonderes Dekor, zu gebrauchen etwa als Blumenübertopf.

Meine Oma hätte nicht schlecht gestaunt, wäre ein Städter des Weges gekommen und hätte mit Blick auf den Melkeimer in ihrer Hand gefragt, ob er dieses formschöne Gefäß wohl erwerben könne. Sie hätte ihn vermutlich gefragt, warum jemand einen Melkeimer haben möchte, der nicht einmal weiß, wo an der Kuh der Hahn für die Milch ist.

Früher waren in der Oberpfalz öfter Amerikaner vom nahegelegenen Truppenübungsplatz Grafenwöhr auf den Flohmärkten anzutreffen oder direkt bei den Bauern in den Scheunen, da haben sie Wagenräder gekauft und alte Holzfässer, Schweinetröge und Pferdegeschirre. Als Deko. Und die Leute haben das Zeug gerne hergegeben, Sentimentalität ob der alten, angeblich guten Zeit war in dieser Gegend nicht weit verbreitet. Ein Faktum, das Denkmalschützer und Museumsleiter heute bedauern, weil nicht mehr viel übrig ist vom "alten Graffl".

Nur gut, dass es das Internet gibt. Wer gerade den nächsten Sperrmüll plant, der werfe doch noch einen Blick hinein. Und bewahre Opas alten Hobel vor dem schnellen Ende. Vielleicht kauft ihn jemand für 37 Euro. Oder Sie pflanzen ein paar Vergissmeinnicht hinein - und stellen ihn neben den gerade erworbenen Melkeimer.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusGeschichte Bayerns
: Wer sich früher schon nicht impfen ließ

Eine Ausstellung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv widmet sich den Impfgegnern, deren Existenz bis zu den Anfängen der Impfpflicht vor 200 Jahren zurückreicht. Letztlich ist es auch eine Geschichte des Scheiterns.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: