Salesianer Don Boscos:Friedliche Tage im Kloster

Salesianer Don Boscos: Auszeit vom Krieg: Etwa 60 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sind im Kloster Benediktbeuern untergekommen.

Auszeit vom Krieg: Etwa 60 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sind im Kloster Benediktbeuern untergekommen.

(Foto: privat/oh)

Der Konvent in Benediktbeuern hat 60 ukrainische Kinder und Jugendliche samt Erzieherinnen aufgenommen. Die Gruppe aus einem Familienhaus in Lwiw kann sich dort zeitweise von den Strapazen des Krieges erholen.

Von Sophia Coper, Benediktbeuern

In Klöstern leben meist ältere Menschen. Nicht so in Benediktbeuern. Geht man an der imposanten Pfarrkirche ein paar Schritte weiter zu den anrainenden Gebäuden schallt Kinderlachen durch die Flure, zwei Mädchen spielen im Hof Fangen und in der Ecke sitzen junge Studierende, die an der integrierten Stiftungshochschule Kurse in Sozialer Arbeit belegt haben. Junge Gesichter sind hier keine Ausnahme, sondern die Regel. Dennoch ist zur Zeit etwas anders. Fremd klingen die Satzfetzen, die aus dem Speisesaal zu hören sind. Dort versammelt sitzt eine kleine Gruppe von Jungen, die mit den Beinen baumeln. Auf den Tischen heißer Tee - und ukrainische Schulhefte.

In der Jugendherberge des Klosters tummeln sich seit Anfang Januar vorübergehend 60 Kinder und Jugendliche sowie deren sechs Erzieherinnen aus dem Westen des vom Krieg gebeutelten Landes. "Wir haben uns gefragt, was unser Beitrag sein könnte", erzählt Niklas Gregull, Bildungsreferent und Leiter der Ukrainehilfe des Klosters. Schon seit Anfang der 2000er Jahre gebe es Verbindungen zu dem Familienhaus "Pokrova" in Lwiw, das wie das Kloster Benediktbeuern unter der Schirmherrschaft der Salesianer Don Boscos stehe. Dort leben rund 70 Jungen im Alter von sechs bis 18 Jahren, die allesamt durch persönliche Schicksalsschläge auf sich alleine gestellt und in dem Haus eine neue Familie gefunden haben.

Das Kloster Benediktbeuern steht seit 1930 unter der Trägerschaft der Salesianer Don Boscos, einer katholischen Ordensgemeinschaft, welche sich insbesondere die Förderung von Jugendlichen auf die Fahnen geschrieben hat. In den mittelalterlichen Räumlichkeiten gibt es eine Vielzahl an Einrichtungen, deren Spannbreite von buchbaren Veranstaltungsräumen, über das Zentrum für Umwelt und Kultur bis hin zu Lehrräumen der Katholischen Stiftungshochschule München und der Jugendherberge reicht, in der die Buben nun wohnen.

"Die Kinder sollen hier eine Verschnaufpause bekommen"

Im Rahmen des Don-Boscos-Festes 2023 hat das Kloster zum Gespräch gebeten, am Tisch versammelt sitzen Leiter Pater Claudius Amann, sein ukrainischer Kollege Pater Mykhaylo Chaban, Niklas Gregull sowie einige Erzieherinnen und Jungen. Den wichtigsten Posten hat jedoch Danylo Lypskyi inne: Der 17-Jährige ist bereits im vergangenen Frühling nach Benediktbeuern gekommen und dolmetscht durch den Vormittag.

Angedacht ist der Aufenthalt als temporäre Möglichkeit zur Entspannung, denn obgleich die Heimatstadt der Buben sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Frontgebiet befindet, ist der russische Angriffskrieg auch dort trotzdem dauerhaft präsent. "Die Kinder sollen hier eine Verschnaufpause bekommen", schildert Pater Chaban die Hintergründe der Aktion. In Lwiw würden häufig Luftalarme den Unterricht unterbrechen, das Schutz suchen im Keller zermürbe auf die Dauer. In Benediktbeuern gebe es schöne Natur zum Erholen, die Ruhe helfe sowohl der physischen als auch psychischen Gesundheit.

Salesianer Don Boscos: Übersetzer Danylo Lypsky, Pater Claudius Amman, Erzieherin Nataliya Boyko (vorne, von links), Initiator Niklas Gregull, Pater Mykhaylo Chaban, der 17-jährige Vladyslav Bonda, Erzieherin Myroslava Yaremkiv (Mitte, von links) und der elfjährige Roman Lysak (hinten) im Klosterhof vor der Basilika.

Übersetzer Danylo Lypsky, Pater Claudius Amman, Erzieherin Nataliya Boyko (vorne, von links), Initiator Niklas Gregull, Pater Mykhaylo Chaban, der 17-jährige Vladyslav Bonda, Erzieherin Myroslava Yaremkiv (Mitte, von links) und der elfjährige Roman Lysak (hinten) im Klosterhof vor der Basilika.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Erzieherin Nataliya Boyko bestätigt den Pater: "Unser Alltag in der Ukraine ist völlig anders." Strom und Heizung fielen ständig aus und die Alarme zerstückelten jegliche Normalität. "Bei der Ankunft hier waren wir alle gestresst", erzählt Boyko. "Erst mit der Zeit haben wir uns allmählich beruhigt und fühlen uns mittlerweile viel besser." Freie Stunden vertreibe man sich mit dem Bauen von Schneeburgen, am Billardtisch und am Kicker, die restliche Zeit hingegen laufe der ukrainische Unterricht ganz normal online weiter. Dadurch sei aber auch hier im oberbayerischen Kloster der Krieg nie ganz weg: Wenn in Lwiw der Luftalarm losgehe, würden die Schuleinheiten unterbrochen, erklärt die Erzieherin. Nur könne man hier eben an die frische Luft.

Dass die Schüler in Benediktbeuern ein Refugium gefunden haben, geht vor allem auf das Engagement Niklas Gregulls zurück. Pater Amann bescheinigt ihm "ein aus salesianischem Strickmuster gewebtes Hemd" und bedankt sich, dass es "so junge Leute wie Niklas gibt, die erkennen, was wichtig ist." Gregull lächelt. Im Frühjahr 2022 ist bereits eine Handvoll Jugendlicher aus der Ukraine nach Benediktbeuern gekommen. Für die fünf, die geblieben sind, ist Gregull eine Art Vormund. Er kümmert sich um alle Angelegenheiten, ist persönlicher Ansprechpartner und springt ein, wenn es mal Schwierigkeiten gibt - und das zusätzlich zu Job und eigener Familie.

Die familiäre Atmosphäre ist im Kloster allgegenwärtig

Einer seiner Schützlinge ist Dolmetscher Danylo Lypskyi. Der mittlerweile 17-Jährige wollte nicht zurück nach Lwiw und absolviert inzwischen ein Studienkolleg in München. Danach soll es mit einem Informatik-Studium weitergehen. Lypskyi wirkt erstaunlich frisch nach einem Vormittag voller Übersetzungen und Gespräche, munter sticht er in das letzte Stück Kuchen, das vom Buffet übriggeblieben ist. "Die ersten zwei Wochen damals waren wie Ferien", sagt er. "Aber nach einem Monat haben mir meine Familie und Freunde sehr gefehlt." Trotzdem sei die Entscheidung in Bayern zu bleiben naheliegend gewesen. "In München studieren zu können, ist eine tolle Chance", sagt Lypskyi. Zudem gefalle ihm die Stadt außerordentlich gut. Für die nette Aufnahme in Benediktbeuern sei er dankbar, die Vormundschaft Gregulls sei ein guter Rückhalt.

Die familiäre Atmosphäre im Kloster ist allgegenwärtig. Während Lypskyi die letzten Reste verspeist, kommen mehrmals Leute vorbei, grüßen und suchen das Gespräch. Die temporär bleibende Gruppe hat sich ebenfalls gut eingegliedert, auch wenn die Buben hauptsächlich unter sich geblieben sind. "Uns war es wichtig, dass das gesamte Familienhaus zusammen an einen Ort kommt, damit die gewohnten Strukturen so wenig wie möglich unterbrochen werden", betont Gregull. Kleine Vermischungen habe es jedoch gegeben. Bei einem Jugendfußballturnier in Penzberg seien zwei ukrainische Jungs spontan eingesprungen: "Die Trainer wollten sie danach gar nicht gehen lassen, so gut waren die", schmunzelt Gregull.

Auf die Frage, ob es Herausforderungen gegeben habe, winkt der Bildungsreferent nur ab. "Im Nachhinein wirkt alles immer klein und man hat es eh gut hinbekommen." Natürlich sei eine Sprachbarriere da, aber das sei alles im Bereich des Machbaren. Im Vorfeld sei die Teilnehmeranzahl auf- und ab geschwankt, "aber wenn andere 300 Leute aufnehmen können, dann sind wir auch in der Lage, unsere Strukturen spontan anzupassen."

So friedlich sie auch sind: Die Tage in Benediktbeuern sind für die ukrainischen Jugendlichen gezählt. Schließlich hat die Gruppe die Klosterräumlichkeiten idyllischen Oberland nur temporär bezogen. Das Datum für die Rückfahrt ist für den achten Februar angesetzt, auch wenn sich die Lage in der Ukraine wird bis dahin wohl nicht verändern wird. "Falls sich die Situation im Lemberg zuspitzt, haben wir einen Plan B oder C in der Schublade liegen, um den Aufenthalt zu verlängern", betont Gregull nachdrücklich. "Wir finden für alles eine Lösung."

Der Aufenthalt der Gruppe wird über Privatspenden und der Ukraine Hilfe der Salesianer Don Boscos finanziert. Wer einen Beitrag leisten möchte, kann direkt an die Don Bosco Mission spenden: Don Bosco Mission Bonn, Sparkasse KölnBonn ,IBAN: DE78 3705 0198 1994 1994 10, BIC: COLSDE33XXX, Verwendungszweck: Nothilfe Ukraine

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