Schalke 04:Steineklopfen in zähen Tagen

Schalke 04: Schalke kämpft um jeden Punkt in der Bundesliga, so lief es auch gegen Mönchengladbach.

Schalke kämpft um jeden Punkt in der Bundesliga, so lief es auch gegen Mönchengladbach.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

S04 spielt zum zweiten Mal nacheinander 0:0 und schwankt zwischen Stagnation und Fortschritt. Immerhin hat man neuerdings wieder Profis, die dem Gegner ein wenig Angst einjagen.

Von Philipp Selldorf, Mönchengladbach

Spieler wie Éder Balanta sind selten geworden in den internationalen Spitzenligen. Der 29 Jahre alte kolumbianische Nationalspieler, den Schalke 04 im Winter vom FC Brügge geliehen hat, gehört jener artbedrohten Spezies von Fußballkriegern an, die es für ihre Pflicht halten, dem Gegenspieler Angst einzujagen oder ihn einfach gleich auf die Laufbahn zu befördern. Schon die ersten Szenen seines Bundesliga-Debüts am Samstagabend in Mönchengladbach hinterließen bei den betroffenen Borussen Schmerzen und beim Zuschauer Mitgefühl.

Bereits nach sechs Minuten sah Balanta die gelbe Karte, weil er lieber rigoros zugegriffen hatte, als den Gladbacher Lars Stindl mit dem Ball entkommen zu lassen. Da wurden Erinnerungen wach an den ehemaligen Schalker Dario Rodriguez, dem die Fans ein wunderbares Gedicht geschrieben hatten, um "Mister Uruguays" gewaltsame Grätschen zu feiern.

Balantas fußballerische Eignungen hingegen fanden am Samstag im Resultat der Begegnung Ausdruck: Auf beiden Seiten stand am Ende die Null, und so hatte das Spiel auch meistens ausgesehen. Ihm sei schnell klar gewesen, "dass es ein zäher Tag mit Steineklopfen wird", sagte Gladbachs Trainer Daniel Farke, der für das ärgerliche Buhen der heimischen Zuschauer vollstes Verständnis hatte: "Mir war auch eher nach Pfeifen zumute. So soll unser Fußball nicht aussehen."

Zweimal hintereinander haben die Schalker ihren Gegnern nun ein torloses Remis aufgezwungen, die Frage ist, ob sich darin Fortschritt oder Stagnation äußert. Die notwendig unentschlossene Antwort lautet: Beides. Schalke sammelt kaum Punkte gegen den Abstieg, darf aber mittlerweile Konkurrenzfähigkeit reklamieren, was Sportvorstand Peter Knäbel zu der Ansage veranlasste: "So spielt kein Absteiger." Der Wert dieser stolzen Äußerung relativiert sich dadurch, dass er sie am 19. Spieltag getroffen hat. Knäbel sieht zwar den Rückstand auf die rettenden Plätze, er beruft sich jedoch auf seine Erfahrung als Spieler beim VfL Bochum und behauptet, der Abstiegskampf sei immer noch im Stadium der "Ouvertüre".

Schalke ist dem 1:0 gegen Gladbach näher

Wie gegen Köln waren die Schalker am Ende auch in Mönchengladbach dem 1:0 näher als der Gegner. Das liegt unter anderem daran, dass im Winter ein paar Spieler angeheuert wurden, die dem bis dahin personell extrem beschränkten Trainer Thomas Reis Variationen ermöglichen. Anders als gewünscht und geplant kamen die Neuen zwar nicht zum Trainingsstart am Monatsbeginn, sondern im laufenden Betrieb zum Monatsende. Aber der Nutzen ist erkennbar, die Einkäufer haben mit wenig Geld effektvoll improvisiert.

Da ist Balanta, dessen Pässe zwar häufig Gewaltschüssen glichen und ihr Ziel manchmal kilometerweit verfehlten, der aber für Angst und Schrecken und im Mittelfeld für Entlastung sorgt, was seinen Nebenleuten Alex Král und Tom Krauß zugutekommt. Da ist außerdem der japanische Rechtsaußen Soichiro Kozuki, 22, der Schalke quasi zugelaufen ist, als er im Sommer aus der fünftklassigen Oberliga ins Regionalligateam wechselte. Seit er im Winter zu den Profis aufgestiegen ist, hat Schalke auf einmal einen echten Flügelstürmer mit Tempo und Technik. Eine perfekte Lösung ist der grünschnabelige Kozuki (noch) nicht, hilfreich ist er allemal. Auch Tim Skarke, 26, von Union Berlin geliehen, ist kein potenzieller Nationalspieler, bringt aber wenigstens die Geschwindigkeit mit, die Reis bisher vermissen musste. Ein Klub ohne Geld bekommt im Winter keinen João Cancelo.

Auf Reis' Fahndungsliste gibt es deshalb nach wie vor einen eklatanten Posten: An Torgefahr und kreativer Chancenproduktion mangelt es notorisch. Mittelstürmer Simon Terodde und sein neuer Stellvertreter Michael Frey arbeiten viel, schießen aber selten aufs Tor. Ein Tor in vier Spielen seit dem Neustart - das ist eine Notstandsbilanz.

Dafür durfte Ralf Fährmann, der neue alte Torwart, zweimal hintereinander die Null feiern, das seltene Glück verdankt er besonders dem fünften Winter-Zugang, dem Innenverteidiger Moritz Jenz, 23: ein deutsches Verteidigertalent, 15-jährig nach England verzogen, nun beim französischen Provinzklub FC Lorient unter Vertrag, zuletzt aber beim schottischen Meister Celtic Glasgow aktiv.

Nach zwei sehr beachtlichen Bundesligaeinsätzen steht er bereits im Rang einer Entdeckung mit Karriere-Perspektive, Jenz sehe "nach einem Bessermacher aus", meint Knäbel. Den Spezialeinsatz gegen den solo davongelaufenen Borussen Marcus Thuram würdigte Sky-Experte Lothar Matthäus als Husarenstreich ("dolle Reddungsdad"). Verantwortlich für den Perlenfund ist Schalkes Chefscout André Hechelmann, bis Oktober ständiger Mitarbeiter des geflüchteten Sportdirektors Rouven Schröder und nunmehr Anwärter auf die Beförderung zum Nachfolger.

Unlängst noch überall zum hoffnungslosen Fall erklärt, haben sich die Schalker in der Not ein Team zusammengeliehen und zusammengebastelt, das dank "Top-Mentalität, Einsatzkraft und Physis" (Borussia-Coach Farke) irgendwie mithalten kann. Der 19. Spieltag ist ein Zeitpunkt, an dem der Fortschritt zu spät kommen könnte, doch besteht jetzt immerhin die Aussicht auf einen echten Abstiegskampf und, wenn es denn schiefgeht, einen Abstieg mit Anstand, anders als beim Grauen vor zwei Jahren. Die Gefahr der Hoffnungslosigkeit droht trotzdem jederzeit. Ohne Tore und ohne Siege steht jedes nächste Spiel noch mehr unter dem Druck, die letzte Chance zu bieten. Nächste Station ist am Freitag das Treffen mit Wolfsburg. Dann müsse man mal "den Bock durch die Öse treiben", meint Knäbel.

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