Internationale Reaktionen:Griechenland bietet Türkei trotz Spannungen Hilfe an

Internationale Reaktionen: Im türkischen Adana versuchen Helfer, eingeschlossene Bewohner in eingestürzten Gebäuden zu erreichen.

Im türkischen Adana versuchen Helfer, eingeschlossene Bewohner in eingestürzten Gebäuden zu erreichen.

(Foto: Uncredited/dpa)

Um die Beziehungen zwischen Athen und Ankara stand es zuletzt schlecht. Doch nach den verheerenden Erdbeben kündigt die griechische Regierung Unterstützung an. Auch Bundesaußenministerin Baerbock und die Nato versprechen Hilfe.

Nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien mit insgesamt mehr als 2500 Toten und Tausenden Verletzten versichern mehrere Staaten ihre Hilfsbereitschaft. Internationale Reaktionen im Überblick:

Trotz schwerer diplomatischer Spannungen mit der Türkei erklärte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis: "Griechenland wird sofort helfen." Das Land verfügt über Rettungsmannschaften mit großer Erfahrung in von Erdbeben heimgesuchten Regionen, da Griechenland - wie auch die Türkei - immer wieder Beben erlebt. Eine erste Gruppe von 21 griechischen Rettern mit zwei Spürhunden ist bereits von einem Militärflughafen nahe Athen in den Südosten der Türkei abgeflogen.

Die verheerenden Erdbeben sind Anlass eines ersten direkten Kontakts zwischen Mitsotakis und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan seit Monaten. "Im Namen des griechischen Volkes habe ich mein tief empfundenes Beileid ausgesprochen", twitterte Mitsotakis nach dem Telefongespräch mit dem türkischen Präsidenten. Athen sei bereit weitere Hilfe zu leisten, fügte er hinzu. Wie es aus Mitsotakis Büro hieß, habe sich Erdoğan bedankt. Der türkische Präsident hatte vor fast zehn Monaten erklärt, er werde nicht mehr mit Mitsotakis reden.

Athen und Ankara streiten sich seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. In den vergangenen Monaten hatte Erdoğan wiederholt mit einer Invasion griechischer Inseln gedroht. Die beiden Nato-Mitglieder hatten sich aber bereits 1999 gegenseitig bei schweren Erdbeben in Griechenland und in der Türkei geholfen. Diese Hilfe, die unter dem Namen "Erdbebendiplomatie" bekannt ist, leitete damals eine Phase der Entspannung ein.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb am Morgen auf Twitter, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren. Er selbst sei in Kontakt mit Erdoğan und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Über seine Nachricht setzte Stoltenberg die Worte: "Uneingeschränkte Solidarität mit unserem Verbündeten Türkei nach diesem schrecklichen Erdbeben."

"Deutschland wird selbstverständlich Hilfe schicken", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Twitter. "Wir trauern mit den Angehörigen und bangen mit den Verschütteten." Später sagte der Kanzler noch: Man koordiniere sich gerade mit der türkischen Regierung, aber auch mit allen anderen, die in Europa und anderswo helfen wollen. "Wir sind solidarisch", versichert er.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb angesichts der Katastrophe auf Twitter von "schrecklichen Nachrichten". Sie erklärte: "Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen." Die Lieferung von Notstromaggregaten, Zelten und Decken werde bereits vom Technischen Hilfswerk (THW) vorbereitet, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch Notunterkünfte und Anlagen zur Wasseraufbereitung könnten bereitgestellt werden.

Sein Mitgefühl gelte den betroffenen Menschen in dieser Stunde der Tragödie, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres in New York. Die Vereinten Nationen unterstützten die Hilfsmaßnahmen in den Katastrophengebieten. UN-Teams seien vor Ort, um den Bedarf zu ermitteln.

Die Entsendung europäischer Rettungskräfte wird vom Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert. "Zehn Teams aus Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Polen, Rumänien und der Tschechischen Republik wurden rasch mobilisiert, um die Ersthelfer vor Ort zu unterstützen. Auch Italien und Ungarn haben der Türkei ihre Rettungsteams zur Verfügung gestellt", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Der slowenische EU-Kommissar Janez Lenarcic bestätigte zudem, dass das EU-Katastrophenschutzverfahren gestartet worden sei. Es zielt der Kommission zufolge unter anderem darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedsländern und den anderen teilnehmenden Staaten zu stärken und die Reaktion auf Katastrophen zu verbessern. Wenn ein Notfall die Reaktionsfähigkeit eines Landes überfordert, kann das Land über das Verfahren Unterstützung anfordern. Neben den EU-Staaten sind auch die Türkei und europäische Länder wie Norwegen an dem System beteiligt.

Er habe sein Team angewiesen, die Situation weiter genau im Auge zu behalten und jede Hilfe, die benötigt werde, zur Verfügung zu stellen, sagte US-Präsident Joe Biden. Die erste Unterstützung aus den USA für die Türkei ist nach Darstellung von Außenminister Antony Blinken bereits unterwegs. In Syrien seien zudem humanitäre Organisationen im Einsatz, die von den USA unterstützt würden.

Die beiden Erdbeben hatten die Stärken 7,4 und 7,9, ihr Epizentrum lag in der Nähe der türkischen Millionenstadt Gaziantep. Nachbeben erschütterten die Region, am Mittag kam es zu einem weiteren schweren Beben. Die Erschütterungen waren auch in Israel, Libanon und auf Zypern zu spüren.

Israel kündigte schon kurz nach dem Beben an, der Türkei humanitäre Hilfe zu leisten. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant wies die Armee und sein Ressort an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. "Unsere Sicherheitskräfte sind bereit, jegliche notwendige Hilfe zu leisten", sagte Galant. Israel habe Erfahrung mit Notfällen und dem Retten von Menschenleben. Syrien hat nach Darstellung einer regierungstreuen Zeitung Israel nicht um Hilfe gebeten. Al-Watan beruft sich auf einen Regierungsvertreter. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte zuvor in einer Rede, über einen diplomatischen Vertreter sei eine Bitte um humanitäre Hilfe eingegangen. Israel werde dem nachkommen.

In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht eine Tsunami-Warnung aus und empfahl den Menschen, sich von der Küste zu entfernen. Wenige Stunden später nahm die Behörde die Warnung zurück. In den Regionen Kalabrien und Apulien sowie auf der Insel Sizilien wurde der Zugverkehr aus Vorsicht kurzzeitig gestoppt. Der Zivilschutz bot zudem seine Hilfe für die Erdbebenregion an.

Hilfe kommt auch aus Russland. In den kommenden Stunden sollen Rettungskräfte vom russischen Zivilschutz nach Syrien geflogen werden, wie der Kreml mitteilte. Präsident Wladimir Putin habe bereits mit seinem syrischen Amtskollegen Baschar al-Assad telefoniert. Auch die Türkei wolle die russische Hilfe annehmen. Im Bürgerkriegsland Syrien gilt Russland als einer der wichtigsten Verbündeten von Machthaber Assad. Auch Moskau und Ankara haben - trotz einiger außenpolitischer Differenzen - ein enges Verhältnis.

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