"Es trifft mich schon":Wie der neue Vize-General der Bayern-SPD Rassismus erlebt

"Es trifft mich schon": Nasser Ahmed, seit drei Wochen Vize-Generalsekretär der Bayern-SPD, ist in Deutschland geboren. Seine Eltern flüchteten vor Krieg und Diktatur in Eritrea.

Nasser Ahmed, seit drei Wochen Vize-Generalsekretär der Bayern-SPD, ist in Deutschland geboren. Seine Eltern flüchteten vor Krieg und Diktatur in Eritrea.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Vor drei Wochen ist Nasser Ahmed zum Parteimanager aufgestiegen. Nun stellt er erstmals im Leben Strafanzeige wegen rassistischer Beleidigung.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Eigentlich versucht Nasser Ahmed über rassistische Entgleisungen zu lachen. Und meistens, sagt er, gelinge ihm das auch. In einem neuen Fall aber wird Nürnbergs SPD-Chef, der seit drei Wochen auch Vize-Generalsekretär der bayerischen Sozialdemokraten ist, voraussichtlich Strafanzeige erstatten - nachdem im Karl-Bröger-Zentrum, dem lokalen Quartier der SPD, eine anonyme Postkarte eingegangen ist. Zu lesen steht darauf Folgendes: "Jetzt hatten wir berechtigte Hoffnung, dass nach dem Abgang von Tasdelen endlich eine qualifizierte Führungskraft folgt! Nein, stattdessen wieder so ein Dreckskanake namens Nasser! Toll."

Mit Tasdelen ist offenkundig Arif Taşdelen gemeint, der bis Januar Generalsekretär der Bayern-SPD war. Er hat die Postkarte selbst auf Twitter veröffentlicht und dies mit dem Kommentar versehen: "Enthemmter Rassismus. Das ist leider die neue Realität in unserem Land." Taşdelens Familie hat türkische Wurzeln, Ahmeds Eltern sind als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Eritrea nach Deutschland gekommen.

Nasser Ahmed ist in Nürnberg geboren, auch dieses Schreiben hat er zunächst mit Humor zu nehmen versucht, erzählt er im SZ-Gespräch. Immerhin habe sich da jemand die Mühe einer Postkarte gemacht, das gebe es ja heute kaum noch. Taşdelen und er hätten dann aber entschieden, diesmal Anzeige zu erstatten - um auch öffentlich Grenzen aufzuzeigen. Es wird, berichtet Ahmed, die erste persönlich gestellte Anzeige einer rassistischen Beleidigung wegen sein. "Es trifft mich schon", sagt der 34-Jährige.

Ahmed war einige Jahre als Schieds- und Linienrichter im Fußball in der Bezirks- und Landesliga unterwegs, da habe er sich manches anhören müssen. Affenlaute vom Spielfeldrand, auch Bemerkungen, er soll doch dahin "heimgehen", wo er angeblich herkomme. Anlass für eine Strafanzeige sah er nicht. Auch in der Nürnberger Südstadt, einem signifikant diversen Teil der Halbmillionenstadt, sah er dafür nie eine Notwendigkeit - habe sich freilich oft "über strukturellen Rassismus" auf dem Weg dorthin geärgert. In der Nähe des Hauptbahnhofs, erzählt Ahmed, sei er zum Teil bis zu einmal pro Monat kontrolliert worden.

Von sehr handfestem, brutalem Rassismus berichtet ihm dagegen seine Mutter. Sie trägt Kopftuch und werde immer wieder beschimpft, dieses doch abzunehmen - man sei ja "schließlich in Deutschland". Trotzdem sei sie immer bei ihrer Ansicht geblieben, dass dieses Land ihr Schutz und eine neue Heimat geboten habe auf der Flucht vor Krieg und Diktatur; und dass die klare Mehrheit sie willkommen heiße, die Verbalattacken von einer "lauten Minderheit" stammten.

Schon als Ahmed 2021 SPD-Chef Nürnbergs wurde, hatte ihn viel Zuspruch erreicht - aber auch rassistische Zwischenrufe. Obwohl über eine Kandidatur bei der OB-Wahl 2026 längst nicht entschieden ist, wurde er in Foren gefragt, ob er nicht lieber Bürgermeister in Eritrea werden wolle. Anzeige erstattete er nicht.

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