Justiz in Bayern:Richterbank is calling

Justiz in Bayern: Kann man mich hören? Nicht nur in Bürokonferenzen ist das eine der häufigsten Fragen, sondern nun auch im Gericht - zumindest in digitalen Anhörungen.

Kann man mich hören? Nicht nur in Bürokonferenzen ist das eine der häufigsten Fragen, sondern nun auch im Gericht - zumindest in digitalen Anhörungen.

(Foto: David Young/dpa)

Mehr als 12 000 Zivilverfahren im Freistaat setzten vergangenes Jahr auf digitale Videoschalten - ein Trend, den der Justizminister lobt. Stolpersteine gibt es trotzdem.

Glosse von Johann Osel

Eine Beobachtung neulich in einem Münchner Gerichtssaal, Zivilkammer: Eine wissenschaftliche Studie entsprach nicht den Vorstellungen des Auftraggebers, jetzt gibt es Streit ums Honorar. Während die Richterin und die eine Partei im Saal warten, rollt ein Bediensteter technisches Gerät dazu - denn die zwei Forscher und deren Rechtsanwältin werden zugeschaltet. Die Richterin unkt noch ein bisschen, ob's denn wirklich funktionieren wird.

Kein Vorführeffekt schließlich, puh, ein bisschen Rumgeschiebe und alle drei Personen erscheinen gut sichtbar über das Tool Microsoft Teams auf dem Bildschirm. Und dann das! Ein digitaler Teilnehmer sitzt in Bayern, die Anwältin in Hessen, der dritte übermittelt ein fröhliches Hallo aus der Schweiz. Auweia, Nicht-EU-Ausland, nicht erlaubt ohne Extra-Genehmigung, meint die Richterin und muss erst mal die Sitzung unterbrechen.

Kurios ist, dass die Stolpersteine beim Zuschalten vor Gericht dieselben sind wie im normalen Arbeitsleben. Frage eins: Klappt es mit der Technik? Frage zwei: Wo sitzen die Teilnehmer, hat sich da einer, der den Fleißigen am Schreibtisch mimt, in Wahrheit in einen Kurzurlaub verdrückt?

Die Schnurre aus München darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es insgesamt gut zu laufen scheint mit den Schalten. Im Jahr 2022 hat es 12 056 solcher zivilen Verhandlungen und Anhörungen im Freistaat gegeben. "Mich freut die große Bereitschaft in der bayerischen Justiz, sich auf neue digitale Möglichkeiten einzulassen", sagt Justizminister Georg Eisenreich (CSU) angesichts der Zahlen, die sein Haus nun mitteilte. Landesweiter Spitzenreiter 2022 ist demnach das Landgericht Traunstein mit mehr als 1407 Verfahren auf digitalem Weg. Bei den Amtsgerichten führt München die Statistik an.

Die Digitalisierungsoffensive habe nicht erst mit der Pandemie begonnen, so das Ministerium, schon seit 2018 würden zentral mobile Videokonferenzanlagen für Gerichte beschafft. Eisenreich fordert darüber hinaus die "Modernisierung des Zivilprozesses" und meldet beim Bund rechtspolitischen Handlungsbedarf an. Bei Strafprozessen gilt indes der Grundsatz der Unmittelbarkeit - also Anwesenheitspflicht, mit Ausnahme etwa aufgezeichneter Vernehmungen zum Opferschutz. Ob sich ein Zivilverfahren für Schalten anbietet, entscheidet der jeweilige Richter.

Digitale Teilnahme spart Reisezeit und Kosten, andererseits gibt es wohl auch Fälle, wo der persönliche Eindruck nötig ist. Beim Studienstreit in München ließ sich die anfängliche Malaise übrigens rasch beheben - die Schweiz klinkte sich aus, der Mann überließ das Feilschen ums Honorar seinem Kompagnon und der Anwältin.

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