Nach Erdbeben:"Griechenland wird sofort helfen"

Nach Erdbeben: Hilfe von den Nachbarn: Griechen und Bulgaren haben bereits Teams in die Türkei geschickt - Hatay im Südosten der Türkei.

Hilfe von den Nachbarn: Griechen und Bulgaren haben bereits Teams in die Türkei geschickt - Hatay im Südosten der Türkei.

(Foto: Depo Photos/Imago)

Der griechische Ministerpräsident reagierte als Erster. Ausgerechnet die verfeindeten Nachbarn helfen sich immer wieder bei Katastrophen. So war es schon 2020 beim Erdbeben in Izmir.

Von Christiane Schlötzer

Alle Handybesitzer in Griechenland bekamen die Warnung: "Bewegen Sie sich nur, wenn es unbedingt nötig ist." Am Sonntag war das, am Montag wurden die Schulen auf Online-Unterricht umgestellt. Der Grund für die Vorsichtsmaßnahmen: Sturm und Schnee über Hellas, in Athen schimmerte es am Montag weiß von den umliegenden hohen Bergen. Da wussten die Griechen schon, dass die eigentliche Katastrophe über Nacht die Nachbarn getroffen hatte, die Türkei. "Griechenland wird sofort helfen", sagte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Morgen.

Nur Stunden später startete von einem Militärflughafen bei Elefsina unweit von Athen eine griechische Hilfsaktion. Zwei Dutzend speziell für Erdbebenrettung ausgebildete Feuerwehrleute mit Suchhunden, Räumgerät, vier Ärzten und weiteren Spezialisten. "In Griechenland wissen wir sofort, was Erdbeben bedeuten", sagt der griechische Journalist Tasos Telloglou. "Griechenland ist sozusagen das Japan Europas."

Wenn Militärjets über der Ägäis fliegen, haben sie gewöhnlich Kampfpiloten und keine Feuerwehrleute oder Geologen an Bord. Athen und Ankara streiten seit Langem über Hoheitsrechte im östlichen Mittelmeer, Gasbohrungen, Flüchtlinge. Zuletzt hat vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Streit angefacht, bis hin zu Drohungen mit der Invasion küstennaher griechischer Inseln. Dennoch: Ausgerechnet die Griechen sind stets zur Hilfe bereit, ob bei Erdbeben, wie zuletzt im Oktober 2020 in Izmir mit knapp 120 Toten, oder einem Minenunglück wie erst vor vier Monaten im Nordwesten der Türkei. "Wir sind Teil einer Schicksalsgemeinschaft, wir leben in derselben geologischen Zone", sagt Telloglou.

Abseits der politischen Rhetorik fühlen sich beide Völker ohnehin viel enger verbunden, als es oft den Anschein hat. Viele Griechen haben familiäre Wurzeln in Kleinasien, Städtenamen wie Gaziantep und Kahramanmaraş, Epizentrum des schweren Bebens am Montag, sind vielen Griechen vertraut. Aber mehr als die Historie verbindet doch der Alltag. Griechische Kinder lernen wie türkische schon in der Schule, wie sie sich zu verhalten haben, wenn die Erde unter ihnen bebt. Die Erfahrung, dass der Boden, auf dem man lebt, sich in Bewegung versetzen kann, prägt. "Jedes Beben war ein Lehrstück für unser Land", sagt Telloglou. "Das ist eine Kultur geworden." Sie führte zu strengen Bauvorschriften, zur Vorsorge.

Selbst Israel hat den Syrern die Entsendung von Rettern angeboten

Die gibt es auch in der Türkei, eingehalten werden sie dort allerdings nicht immer. Und die Hilfe ist gegenseitig. Nach verheerenden Erdbeben, die 1999 kurz hintereinander die Regionen bei Istanbul und Athen trafen, halfen sich beide Seiten. Das löste gar eine politische Entspannung aus: Man sprach von Erdbebendiplomatie. Es könnte auch jetzt nicht schaden. Am Montagabend teilte der griechische Premier Mitsotakis dann auch mit, er habe mit Erdoğan telefoniert. Es ist der erste direkte Kontakt seit zehn Monaten.

Die Griechen allerdings sind nicht die einzigen. Die Nachbarn sagten Hilfe zu. Die Russen zunächst den Syrern: Noch am Montag sollten Rettungskräfte vom russischen Zivilschutz nach Syrien geflogen werden, wie der Kreml am Montagnachmittag mitteilte. Auch Israel will der Türkei und Syrien Hilfe leisten. Regierungschef Benjamin Netanjahu ordnete die Entsendung von Such- und Rettungsteams an. Offiziell befinden sich Syrien und Israel im Kriegszustand. Aus Bulgarien sind bereits zwei Transportflieger der Streitkräfte mit Helfern und Gütern an Bord in Richtung Adana im Nachbarland Türkei gestartet. Selbst der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij bot via Twitter Hilfe an.

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