AfD: Party in der Parallelwelt

AfD: Alexander Gauland (hier mit Parteichefin Alice Weidel) ist eines der wenigen Gründungsmitglieder, die noch dabei sind.

Alexander Gauland (hier mit Parteichefin Alice Weidel) ist eines der wenigen Gründungsmitglieder, die noch dabei sind.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Die AfD begeht ihr zehnjähriges Jubiläum - und nutzt den Abend, um sich selbst zu verklären.

Von Roland Preuß, Königstein

So wie Alice Weidel es darstellt, strotzt die AfD nur so vor Kraft. Unaufhaltsam strebt sie der Macht zu, die Verweigerungshaltung der Union gegen ein Regierungsbündnis werde keinen Bestand haben. "Wir haben einiges erreicht und viel verhindert", sagt die AfD-Chefin. "Wir wollen nicht nur mitreden, wir wollen mitgestalten, wir wollen mit regieren." Was man eben so sagt, wenn man von allen anderen Parteien als Paria behandelt wird und niemand auch nur einen Antrag gemeinsam mit einem in den Bundestag einbringen will.

Königstein bei Frankfurt, die AfD hat für Montagabend eingeladen, um ihr zehnjähriges Bestehen zu feiern. Draußen schwenken Demonstranten Fahnen des DGB und der Jusos Hessen Süd und rufen "Nazis raus", ältere Damen tragen Sticker "Omas gegen Rechts". Drinnen, im "Haus der Begegnung" haben sich die Parteiführung und rund 300 Anhänger versammelt, um das Jubiläum zu feiern.

Die Gründung markiert für viele eine neue Gefahr

Für die Redner hier eine wunderbare Erfolgsgeschichte, denn inzwischen sitzt man im Bundestag und fast allen Landesparlamenten, nur in Schleswig-Holstein ist man wieder rausgeflogen. Für die Protestierenden draußen und viele andere dagegen war 2013 der Ausgangspunkt für eine Verrohung der politischen Kultur und für eine neue Gefahr für die Demokratie.

Wenige Kilometer entfernt, in Oberursel, hatten sich 2013 der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der Publizist Konrad Adam und 16 weitere Männer getroffen, die Alternative für Deutschland (AfD) zu gründen, im Gemeindesaal der dortigen Christuskirche. Was sie eint, ist ihr Ärger über die Euro- und die Griechenland-Politik der Parteien im Bundestag. Inzwischen sind nur noch ein paar von damals in der Partei, unter ihnen der Ex-Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Die anderen sind ausgetreten oder verstorben.

Sie hatten genug von der Parallelwelt der AfD, die auch an diesem Abend auflebt. In dieser Welt ist die AfD die einzige Partei, die noch die soziale Marktwirtschaft verteidigt, wie Co-Parteichef Tino Chrupalla sagt. In dieser Welt ist die AfD der Grund, warum es in Deutschland überhaupt noch Meinungsfreiheit gibt, wie Gauland wenig später sagt. Und sie ist die einzige Partei, die Probleme durch Zuwanderung schonungslos anspricht und etwas gegen die "Migrationskatastrophe" unternimmt, wie Alice Weidel es nennt.

Die CDU nimmt dabei die Rolle des Wunschpartners ein, den die AfD zu ihrem Glück, sprich zu einem Bündnis mit der AfD zwingen will. Das werde kommen, erst im Osten, wo die AfD zum Teil schon stärkste politische Kraft ist, dann im Westen. So skizziert es Chrupalla. Im Publikum sitzt John Csapo, er ist Mitglied im hessischen AfD-Landesvorstand. Noch, sagt Csapo, lasse die CDU die AfD voll abprallen. Aber in Thüringen könne diese Mauer bröckeln, denn dort sei die AfD besonders stark. Mit einer Duldung einer CDU oder CDU-FDP-Regierung könne es anfangen. "Ich schätze, es wird noch sechs bis sieben Jahre dauern", sagt Csapo.

Nimmt man den Applaus zum Maßstab, so lässt sich im Saal beobachten, was die AfD-Anhänger besonders umtreibt. Da ist, natürlich, die Asylpolitik, welche die Partei von Grund auf neu gestalten will. "Es reicht schon lange", sagt Tino Chrupalla unter Applaus. Auch die Rücksicht auf Transsexuelle und andere jenseits der klassischen Geschlechterordnung sind hier ein Aufreger. "Wir wissen noch aus dem Biologie-Unterricht, dass es nur zwei Geschlechter gibt", sagt Gauland - und erntet damit den lautesten Jubel des Abends.

Nicht die AfD habe sich radikalisiert, die CDU sei zur dritten linken, "angeblich bürgerlichen Partei" geworden, sagt das frühere CDU-Mitglied Gauland. Man habe die AfD nicht gegründet, um eine andere Republik zu schaffen, sondern um die alte zu bewahren. Aus den Reden des Abends kann man nur schlussfolgern: Wenn diese Republik jemals existiert hat, so muss dies lange her sein.

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AfD Kundgebung und Gegenprotest 07.11.2015 Berlin: In Berlin demonstriert die Parte Alternative für Deutschland (AfD). Z

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