Luftfahrt:Aus für "Space Jet": Japan stellt Milliardenprojekt ein

Luftfahrt: Ein neuer Prototyp des "Space Jet"-Passagierflugzeugs der Mitsubishi Aircraft Corp. Bei dem Projekt kam es immer wieder zu großen Fehlern.

Ein neuer Prototyp des "Space Jet"-Passagierflugzeugs der Mitsubishi Aircraft Corp. Bei dem Projekt kam es immer wieder zu großen Fehlern.

(Foto: imago images/Kyodo News)

Der Traum ist geplatzt: In Japan wird es doch nichts mit einer eigenen Luftfahrtindustrie für die Masse. Nach großen Verlusten verkündet Mitsubishi Heavy Industries das Ende des Projekts.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Vor 15 Jahren waren die Ambitionen riesig. Drei japanische Konzerne - Mitsubishi, Kawasaki und Fuji (heute Subaru) - hatten sich zusammengetan, um endlich den Durchbruch im zivilen Flugzeugbau zu schaffen. Wenn es dem brasilianischen Hersteller Embraer gelungen war, sich in der bis dahin von Europäern und Nordamerikanern beherrschten Branche zu etablieren, dann sollte es für ein japanisches Konsortium mit diesem technischen und finanziellen Hintergrund auch möglich sein, auf der Weltbühne eine Rolle zu spielen, so die Denke.

Der Traum von einer eigenständigen japanischen kommerziellen Luftfahrtindustrie ist nun endgültig geplatzt. Mitsubishi Heavy Industries (MHI) gab am Dienstag offiziell das Ende des Space-Jet-Programms bekannt. "Viel Zeit und große Mengen Geld wurden für dieses Projekt verwendet", sagt MHI-Chef Seiji Izumisawa. "Wegen der Pandemie und dem folgenden Pilotenmangel bleibt die Zukunft der Regionalluftfahrt unklar." Schon Ende 2020 hatte MHI eine "zeitweilige Pause" für das Programm angekündigt, die verklausuliert das Aus vorwegnahm.

Beim Space Jet handelt es sich um ein großes Regionalflugzeug, das in zuletzt zwei Versionen mit bis zu 100 Sitzen gebaut werden sollte. Es war damit kleiner als die Maschinen von Airbus und Boeing und damit für sie keine direkte Konkurrenz. Das Programm wurde 2007 gestartet, die ersten Maschinen sollten nach branchenüblicher Entwicklungszeit von rund sechs Jahren 2013 an All Nippon Airways ausgeliefert werden. Doch der Prototyp des damals Mitsubishi Regional Jet genannten Flugzeuges flog erst 2015. Insgesamt sechsmal musste der Hersteller den Liefertermin verschieben, bis am Ende tatsächlich die Corona-Pandemie jeden Neustart sinnlos machte. Zum Teil haarsträubende Fehler in der Entwicklung kosteten Milliarden. Insgesamt müssen die beteiligten Unternehmen und die japanische Regierung bei dem nun eingestellten Vorhaben mehr als sieben Milliarden US-Dollar abschreiben.

China baut jetzt auch eigene zivile Flugzeuge

Das Desaster zeigt, wie schwer es ist, in der Industrie als Systemführer Fuß zu fassen. Japan ist seit langem ein etablierter und geschätzter Boeing-Zulieferer, vor allem beim Langstreckenjet 787. Aber ein eigenes Programm zu führen, ist noch einmal etwas ganz anderes. Brasiliens Embraer hat dies auch deswegen geschafft, weil das Unternehmen seit der Gründung in den 1960er-Jahren kontinuierlich eigene Flugzeuge entwickelt hat, zunächst kleine. Heute hat die größte Embraer-Maschine Platz für bis zu 140 Passagiere.

Auch China hat sich auf den langen Weg gemacht, eigene zivile Flugzeuge zu bauen. Der Regionaljet ARJ-21 ist bei chinesischen Airlines mittlerweile im Einsatz, er war ebenso lang verspätet wie der Space Jet. Die Comac C919, ein direkter Konkurrent des Airbus A320 und der Boeing 737, wird voraussichtlich in diesem Jahr noch die ersten Linienflüge aufnehmen. Technisch konkurrenzfähig sind weder der ARJ-21 noch die C919. Doch sie werden politisch gefördert, chinesische Fluglinien müssen die Maschinen einsetzen - ob sie wollen oder nicht. Die nächste Flugzeug-Generation aus China könnte den westlichen Herstellern dann aber schon gefährlicher werden. Russland hat sich wegen des Krieges gegen die Ukraine selbst aus dem internationalen Luftfahrt-Geschäft herausgenommen, westliche Lieferanten haben die Zusammenarbeit wegen der Sanktionen eingestellt.

Während die japanische Industrie zum großen Teil an eigenen Fehlern gescheitert ist, ist das Aus des Space Jet indirekt Anlass für Sorge bei Embraer. Die heutigen Maschinen werden über kurz oder lang nicht mehr strengeren Umweltstandards genügen. Es muss investiert werden, aber eben nicht mehr in herkömmliche Konzepte, sondern in neue Technologien wie Wasserstoff- oder elektrische Antriebe. Und in den USA, dem wichtigsten Markt, herrscht ein großer Mangel an Piloten, seit die großen Airlines massiv Crews der kleineren Anbieter mithilfe von höheren Gehältern abwerben.

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