Kritik:Die innere Freiheit spüren

Zubin Mehta dirigiert das Bayerische Staatsorchester mit Geigerin Vilde Frang - und wird gefeiert.

Von Michael Stallknecht

Zubin Mehta ist zurück im Nationaltheater, der langjährige Generalmusikdirektor und Ehrendirigent des Bayerischen Staatsorchesters! Jüngst manchmal kränkelnd, eröffnet der 86-Jährige das vierte Akademiekonzert mit einer Uraufführung zum 500-jährigen Orchester-Bestehen: "Apollon et Dionysos. Patterns, Colors and Dances for Orchestra" von Minas Borboudakis.

Schwül sinnlich, brütend überhitzt ist die Atmosphäre im knappen, aber wuchtigen Werk des griechischen, seit Langem in München lebenden Komponisten. Wiederholte, vor allem rhythmische Pattern laden sich energetisch auf, brechen in einem Stillstand zusammen, steigern sich erneut bis zum Heulen und Toben des symphonischen Apparats. Rhythmus, inspiriert von kretischen Tänzen, entfesselt Klang, Ordnung Rausch, Apoll Dionysos.

Mit apollinischer Schönheit füllt sich das Nationaltheater spätestens im langsamen Satz von Felix Mendelssohns (e-Moll-)Violinkonzert. Die Geigerin Vilde Frang lässt es atmend entstehen, forciert nichts, weder im herrlichen Klang ihrer Guarneri del Gesù noch in der Interpretation. Dabei ist die durchaus eigen, in den extrem ausgekosteten Temposchwankungen des ersten wie im spukhaft schnellen letzten Satz, sogar in einzelnen Tönen und Phrasierungen. Aber Frang lauscht sie der Musik und dem Moment ab, nimmt zum Beispiel die große Kadenz ganz intim nach innen zurück. Mehta, im Sitzen dirigierend, aber hellwach, spürt die innere Freiheit, lauscht sie seinerseits Frangs Spiel ab, gibt sie blitzschnell an das Staatsorchester weiter.

Vertrauen für Vertrauen, das ist, was danach bei Anton Bruckners Siebter Symphonie auch zwischen den beiden langjährigen Partnern zu erleben ist. Mehta erfindet Bruckner nicht neu - wozu auch? -, schenkt den fabelhaften Bläsersolisten Raum, spannt den gigantomanen Bogen des Adagios weit auf, weiß genau, was er will und wo er nichts machen muss. Ein Altmeister eben, gefeiert mit Standing Ovations.

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