Sicherheitsreport des Allensbach-Instituts:Der Krieg kommt näher

Sicherheitsreport des Allensbach-Instituts: "Die Bevölkerung hat Angst, dass sie das unmittelbar betrifft": Detail von einer Demonstration gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

"Die Bevölkerung hat Angst, dass sie das unmittelbar betrifft": Detail von einer Demonstration gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

(Foto: BeckerBredel/Imago)

Fast die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich persönlich davon bedroht, dass Deutschland in eine militärische Auseinandersetzung verwickelt werden könnte. Und doch gibt es eine noch größere Sorge.

Von Oliver Klasen

Die Umfragedaten, die Renate Köcher, die Chefin des Allensbach-Instituts, an diesem Dienstag vorstellt, nennt sie auch "den Sorgenkatalog der Bevölkerung". In der Liste dieser Sorgen, oder etwas drastischer formuliert: der größten Ängste der Deutschen, taucht der Krieg in der Ukraine weit oben auf. Er liegt deutlich vor der Angst um die Rente, das Gesundheitssystem oder vor dem Klimawandel, aber er ist nicht auf Platz eins. Noch mehr als vor Russlands Krieg fürchten sich die Deutschen nämlich vor steigenden Preisen.

67 Prozent der etwa 1000 Befragten empfinden es als persönliche Bedrohung, dass das Geld immer weniger wert ist. Deutlich geringer, aber immer noch sehr hoch, 47 Prozent, ist der Anteil derjenigen, die sich persönlich davon bedroht sehen, dass Deutschland in eine militärische Auseinandersetzung verwickelt werden könnte. "Einen solchen Wert haben wir Jahrzehnte nicht gehabt", sagt Köcher.

Bereits seit 2011 gibt es den jährlich erscheinenden Sicherheitsreport, den das Allensbach-Institut gemeinsam mit dem "Centrum für Strategie und Höhere Führung" herausgibt, einer Coaching- und Fortbildungsagentur für Führungskräfte. Die Daten der jetzt veröffentlichten Umfrage wurden im Januar erhoben. Die Meinungsforscher fragen stets zweierlei: Was macht Ihnen allgemein große Sorgen? Und was empfinden Sie persönlich als Bedrohung? So lässt sich demoskopisch abgrenzen, welche Angelegenheiten von der Bevölkerung als dringlich, aber trotzdem weit weg betrachtet werden, und welche eine direkte Gefahr für die persönliche Lebenswelt darstellen.

Die Zeitenwende ist in den Köpfen der Deutschen angekommen

"Der Krieg ist - anders als in unseren früheren Erhebungen - kein Fernthema mehr. Die Bevölkerung hat Angst, dass sie das unmittelbar betrifft", sagt Köcher. Tatsächlich war bereits in der Umfrage von 2022, die wenige Wochen vor Russlands Überfall auf die Ukraine herauskam, die Kriegsangst deutlich spürbar. 37 Prozent sagten damals, sie machten sich große Sorgen, dass Deutschland in einen Krieg hineingezogen werden könnte. Inzwischen sind es 63 Prozent. Noch krasser ist der Anstieg jedoch, wenn nach der direkten Betroffenheit des Einzelnen gefragt wird. 2022 fühlten sich nur 21 Prozent persönlich von einem Krieg bedroht, in diesem Jahr hat sich dieser Wert auf die erwähnten 47 Prozent mehr als verdoppelt.

Ein hoher Anteil von 82 Prozent der Befragten sieht Russland als ein Land an, von dem eine besonders große Gefahr für den Frieden auf der Welt ausgeht. Es folgen die Regime in China, Nordkorea und Iran, die von 60, beziehungsweise 52 und 41 Prozent als Friedensgefährder genannt werden. Auffällig ist, dass in Ostdeutschland die Bedrohung, die von China und Russland ausgeht, als niedriger und jene, die von den USA ausgeht, als höher eingeschätzt wird.

Die Bewertung der USA hat sich deutlich verbessert, nachdem Joe Biden 2021 Präsident wurde. So sagten im Jahr 2019 nur 17 Prozent der Befragten, dass die USA ein verlässlicher Bündnispartner seien, während 57 Prozent das verneinten. In der jetzigen Umfrage hat sich das Verhältnis umgekehrt: 46 Prozent halten die Biden-Regierung für verlässlich, nur 27 Prozent würden das nicht sagen. "Die Bevölkerung schätzt keine Unberechenbarkeit, so wie unter Trump", sagt Studien-Mitherausgeber Klaus Schweinsberg.

Das, was der Bundeskanzler als "Zeitenwende" beschrieben hat, ist nach Ansicht der Meinungsforscher in den Köpfen der Deutschen angekommen. 67 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass der Staat mehr in die Bundeswehr investieren sollte, 2017 wurde diese Forderung lediglich von 44 Prozent unterstützt.

Interessant ist ein Blick auf die Anhänger der Parteien, was die militärische Unterstützung für einen anderen Nato-Staat angeht, falls dieser, etwa von Russland, angegriffen würde. Nach Artikel 5 des Nato-Vertrages wäre Deutschland in diesem Fall zum Beistand verpflichtet, aber nur 44 Prozent der SPD-Anhänger würden einen deutschen Militäreinsatz befürworten. Bei den FDP-Anhängern liegt die Zustimmung mit 45 Prozent kaum höher. Die größte Unterstützung kommt mit 60 Prozent aus dem Lager der Grünen, einer einst pazifistisch geprägten Partei.

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