American Football:Lieber Mailand als Straubing

American Football: Farbwechsel: Bald kickt Robert Werner (hier noch im Trikot der Munich Cowboys) für die Munich Ravens.

Farbwechsel: Bald kickt Robert Werner (hier noch im Trikot der Munich Cowboys) für die Munich Ravens.

(Foto: Markus Fischer /Passion2Press/Imago)

Die Munich Ravens haben bisher weder ein Spiel ausgetragen noch eine Heimstätte präsentiert. Für die Konkurrenten sind sie dennoch bedrohlich, nicht nur weil deren Spieler scharenweise abwandern.

Von Christoph Leischwitz

Gute Kicker sind im deutschen Football rar gesät. Der Bundesligist Munich Cowboys hatte über Jahre hinweg einen der besten in seinen Reihen, der oft knappe Spiele zu ihren Gunsten entschied. Seine Trefferquote bei den Schüssen zwischen die Stangen - in der vergangenen Saison mehr als 90 Prozent - machte ihn zum Publikumsliebling. Damit ist Robert Werner für die Munich Ravens ein besonders wertvolles Korn. Vergangene Woche hat nämlich das neue Team der European League of Football (ELF) Werners Wechsel gemeldet und damit viele Fans schockiert. "Das trifft uns besonders hart", sagt Nadine Nurasyid, Cheftrainerin der Cowboys. "Auf der Position gibt es nicht viele Gute."

Die Ravens machen gerne jede Verpflichtung einzeln publik. So zieht keine Woche mehr ohne neue Mitteilung ins Land. Die ELF geht bereits in ihr drittes Jahr, München ist in der wachsenden Liga aber ein Neuling, ebenso wie Mailand oder Paris. Die Auswirkungen der neuen Profiliga erreichen deshalb erst jetzt die bayerischen Bundesligisten, die immer noch als Amateurklubs organisiert sind.

Der Aderlass bei den Cowboys ist noch größer als ursprünglich befürchtet: Allein ihr Team hat, Stand jetzt, 15 Spieler an die Ravens verloren. Auch die Allgäu Comets in Kempten oder die Ingolstadt Dukes beklagen namhafte Weggänge. Bei den Cowboys bekämen jetzt viele eine Chance, die noch vergangenes Jahr Ergänzungsspieler waren oder in der zweiten Mannschaft spielten, die Qualität der German Football League (GFL) jedenfalls "leidet massiv" unter der neuen Konkurrenz, davon ist Nurasyid überzeugt. Die Frage, ob eine Stadt wie München trotz steigender Zahl Aktiver groß genug ist für zwei Spitzenteams, wird auf Dauer wohl mit Nein zu beantworten sein.

Begehrte Footballer: Sowohl Unterhaching als auch der FCB könnten sich eine Kooperation mit den Ravens vorstellen

Die Spieler erklären Nurasyid ihre Weggänge so: finanzielle Kompensation fürs Training; mehr Strahlkraft für die in Deutschland so boomende Sportart; und die attraktiven Reisen. Es ist eben etwas anderes, künftig nach Barcelona (24. Juni) oder Mailand (26. August) zu reisen als nach Straubing oder Ravensburg.

Gerade weil die Ravens so professionell daherkommen, ist es umso überraschender, dass sie offiziell immer noch keine Spielstätte bekannt gegeben haben, zumal der Spielplan schon steht: Die Saison beginnt für die Ravens mit einem Heimspiel am 4. Juni gegen die Raiders Tirol. Gut möglich, dass Kicker Robert Werner dann seine Field Goals gegen das Bürofenster von Unterhachings Präsident Manfred Schwabl drischt. Der Unterhachinger Sportpark ist bei den Ravens nämlich erste Wahl - allerdings stehen noch Gespräche mit den Behörden an. Sebastian Stolz, Manager der Ravens, gibt sich in der Stadionfrage gelassen. Er bestätigt, dass es auch Gespräche mit dem FC Bayern gab, um möglicherweise Heimspiele in dessen Campus-Stadion auszutragen - dort trainierten im vergangenen November auch die Profis der Tampa Bay Buccaneers während ihres NFL-Gastspiels in München. Die Bayern sind ein sehr Football-affiner Fußballverein, eine Kooperation scheint nicht ausgeschlossen.

Ohnehin stellt sich die Frage, wie sehr sich Football und Fußball künftig in die Quere kommen. So ist es übrigens auch möglich, dass die SpVgg Unterhaching, sollte sie Regionalliga-Meister werden, einen Tag nach dem Premierenspiel der Ravens ihr entscheidendes Aufstiegsspiel zur dritten Liga im Sportpark absolviert. Den Ravens soll nach Möglichkeit eine "Gesamtheimat" geboten werden, erklärt Hachings Vizepräsident Peter Wagstyl, Unterhaching wird demnach auch die Trainingsheimat der Ravens, die dafür Miete zahlen und ein neues Publikum in den Sportpark locken.

Der deutsche Football ist im Umbruch. Die nach Jahrzehnten abgewählte ehemalige Spitze des Bundesverbands sieht sich mit Verdächtigungen des Amtsmissbrauchs konfrontiert, und die GFL wird gerade privatisiert. Rein sportlich wird sehr bald die Frage zu klären sein, wie lange Football-Amateurklubs überleben können, wenn sie jedes Jahr ihre besten Spieler verlieren. Gleichzeitig haben ELF-Teams aber ein Interesse an deren Überleben, sonst müssten sie die Spielerausbildung selbst finanzieren. Ob und wie sich zwei Wirtschaftssysteme in einer Sportart arrangieren können - dafür wird München ein gutes Beispiel abgeben.

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