Hinweisgeber:Whistleblower-Gesetz droht erneute Verzögerung

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Am 10. Februar soll der Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz formal im Bundesrat durchgewinkt werden. Doch genau dort droht der Entwurf ins Stolpern zu geraten. (Foto: Bernd Settnik/dpa/dpaweb)

Mit dem Gesetz setzt Deutschland eine EU-Richtlinie von 2019 um. Am Freitag soll es im Bundesrat die letzte Hürde nehmen. Doch nun könnte es wieder einmal blockiert werden.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Große Skandale in Unternehmen werden fast immer aufgedeckt, weil ein Mann oder eine Frau mutig ist und Informationen dazu meldet. Die Mitarbeiter oder Insider korrigieren damit Fehlverhalten von Firmen und sorgen so insgesamt für mehr Fairness auf dem Markt. Doch oftmals tun sie das mit einem hohen Preis: Whistleblower haben nach der Aufdeckung von internen Schweinereien oft Nachteile im Job und müssen mit Repressalien wie Kündigungen, Mahnungen oder Mobbing klarkommen.

Dem will die Europäische Union entgegenwirken und hat bereits 2019 eine Richtlinie erlassen, die die Mitgliedsstaaten bis Dezember 2021 in nationales Recht hätten umsetzen müssen. Sie schreibt den Ländern vor, ein effektives System aufzubauen, um die wichtigen Hinweisgeber zu schützen. Deutschland hat das bis heute nicht geschafft, weil sich SPD und Union in der alten Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht auf einen Gesetzesentwurf einigen konnten. Das hat der Bundesrepublik bereits ein Vertragsverletzungsverfahren auf EU-Ebene und viel Kritik eingebracht.

Dann kam der Regierungswechsel und mit ihm neue Hoffnung für das Gesetz. Im Dezember 2022 dann schaffte die Regierung es, einen entsprechenden Gesetzesentwurf durch den Bundestag zu bringen. Am Freitag (10. Februar) soll der Entwurf endlich die letzte Hürde nehmen und formal im Bundesrat durchgewinkt werden. Doch genau dort droht der Entwurf, auf den letzten Metern ins Stolpern zu geraten. SZ -Informationen zufolge gibt es Widerstand in einigen Bundesländern, die den Gesetzesentwurf so schlussendlich blockieren könnten. Zwar wollten mehrere Bundesländer offiziell nicht sagen, wie sie am Freitag im Bundesrat abstimmen wollen. Doch dem Vernehmen nach hat sich in Bundesländern mit Unions-Beteiligung Widerstand gegen die aktuelle Fassung gebildet. Das wird zum Problem, weil ein Bundesland im Bundesrat eigentlich immer einheitlich abstimmt. Gibt es keine Einigkeit in der eigenen Koalition, enthält man sich. Fehlen dadurch dann genug Stimmen für eine absolute Mehrheit, kann ein Gesetz nicht gebilligt werden. Das könnte nun auch dem Hinweisgeberschutzgesetz, wie es genannt werden soll, drohen, weil die Bundesländer mit Unions-Regierungsbeteiligung in der Mehrheit sind.

Gänzlich unerwartet käme das nicht: Schon im Bundestag hatte die Unionsfraktion gegen die Gesetzesvorlage gestimmt. Sie kritisieren unter anderem hohe bürokratische Hürden und Kosten für Unternehmen. In der Bundestagdebatte sagte Martin Plum (CDU) an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gewandt: "90 000 Unternehmen in unserem Land belasten Sie durch dieses Gesetz mit zusätzlichen Kosten und neuer Bürokratie." Darüber hinaus kritisiert er, dass die Aufgaben für beispielsweise Meldestellen in der aktuellen Fassung "schwammig" blieben. Buschmann hingegen betonte, der Gesetzesentwurf sei so bürokratiearm wie nur möglich.

Eine neue Abstimmung könnte Monate auf sich warten lassen

Was aber passiert bei einer Blockade im Bundesrat? Am wahrscheinlichsten gilt derzeit, dass die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen wird. Dort würde dann erneut über die Vorlage verhandelt werden. Statt sofort könnte eine erneute Abstimmung im Bundesrat dann aber Monate auf sich warten lassen und so auch das Inkrafttreten deutlich verzögern. Deutschland würde es also erneut verpassen, die EU-Richtlinie umzusetzen, die eigentlich schon Ende 2021 fällig gewesen wären. Darüber hinaus befürchten Beobachter, dass eine erneute Abänderung des Hinweisgeberschutzgesetzes dieses weiter verwässern und abschwächen könnte.

In der aktuellen Fassung sieht der Gesetzgeber vor, dass Hinweisgeber sich an interne wie auch externe Meldesysteme wenden können. Diese werden ab einer Unternehmensgröße von 50 Mitarbeitern verpflichtend. Dazu soll es die Möglichkeit geben, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, die zusätzlich zu den bestehenden in der Finanzaufsicht Bafin und dem Bundeskartellamt eingerichtet werden soll. Unter gewissen Umständen soll der Whistleblower die Missstände auch öffentlich machen dürfen. Kündigungen aufgrund einer Meldung sollen dann ebenso verboten werden wie andere Vergeltungsmaßnahmen.

Bereits diesen Kompromiss kritisierte das Whistleblower-Netzwerk als unzureichend. "Leider ist der Kompromiss der Ampelfraktionen geprägt vom Geist des Misstrauens gegenüber Whistleblowern und der Angst vor Aufdeckungen", sagte Kosmas Zittel, Geschäftsführer des Netzwerks, anlässlich der Verabschiedung im Bundestag. Er bemängelt unter anderem, dass sich Hinweisgeber primär intern melden sollen. Und, dass bestimmte Angelegenheiten wie beispielsweise die nationale Sicherheit ausgenommen sind. Außerdem fehle ein Unterstützungsfonds, der die Kosten für rechtliche oder psychologische Betreuung von Whistleblowern trage.

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