Wechsel an der Spitze:Die Grande Dame der Kultur tritt von der Bühne

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Schlüsselübergabe in der Stadthalle Germering: Medea Schmitt (Mitte) mit ihrer Nachfolgerin Kathrin Jacobs und Oberbürgermeister Andreas Haas. (Foto: Günther Reger)

19 Jahre lang hat Medea Schmitt die Stadthalle Germering geleitet und die Veranstaltungslandschaft des Ortes geprägt. Nun geht sie in Ruhestand. An ihrem letzten Arbeitstag ist es Zeit für eine Bilanz.

Von Florian J. Haamann, Germering

Eigentlich konnte man es nicht anders erwarten. Selbst an ihrem letzten Tag als Leiterin der Stadthalle Germering kommt Medea Schmitt nicht zur Ruhe. Es ist später Vormittag, gleich steht die offizielle Schlüsselübergabe an ihre Nachfolgerin Kathrin Jacobs an, ein finaler öffentlicher Termin. Fotografen, Bürgermeister, Presse. Trotzdem nimmt sich Schmitt die Zeit für ein letztes Interview. "Entschuldigung, gleich", ruft sie im Vorbeigehen dem wartenden Journalisten entgegen und verschwindet in einem Gang, taucht kurz darauf wieder auf. "So, jetzt". Nein, nicht in ihrem Büro, da ist schon der Bürgermeister im Gespräch mit Jacobs. Also in die Künstlerumkleide. Jenen Raum, in den Schmitt in den vergangenen 19 Jahren Hunderte Künstlerinnen und Künstler geholt hat. Kabarettisten, Bands, Schauspieler, bekannte und unbekannte Namen.

Dutzende Gespräche hat man bereits geführt, kennt und begleitet sich beruflich seit nun zehn Jahren. Nun also die letzte, finale Bilanz, keine Corona-Bilanz, nicht das neue Halbjahresprogramm. Was also muss nun unbedingt noch gesagt werden? Die Stadthalle als Kulturtempel ist ein Wort, das immer wieder fällt, es geht ein Dank an das Team, "ohne das alles nie so super hätte funktionieren können. Nur als Team konnten wir so stark sein". Lobende Worte gibt es auch für die Stadt, die "uns immer unterstützt hat". Durchaus keine Selbstverständlichkeit, wie Schmitt betont. Die Debatten, ob nicht zu viel Geld für die stets defizitäre Kultur ausgegeben wird, waren in Germering tatsächlich nie so laut, wie sie in anderen Kommunen im Landkreis jedes Jahr während der Haushaltsdebatten geführt werden. Die Germeringer, so hatte man immer das Gefühl, sind stolz auf ihren "Kulturtempel" und lassen sich das auch gerne etwas kosten. Das mag auch an der Begeisterung liegen, mit der Schmitt stets für "ihre Stadthalle" werben konnte. Und sicher auch daran, dass man sie als durchaus durchsetzungsfähig bezeichnen kann.

Beim Auftritt einer AC/DC-Coverband löst die Pyrotechnik einen Feueralarm aus

Medea Schmitt im Gespräch mit der SPD-Stadträtin Tinka Rausch bei einer Ausstellung im Jahr 2004. (Foto: Günther Reger)

Insgesamt 1900 Veranstaltungen haben unter Medea Schmitts Führung in der Stadthalle stattgefunden. Gibt es da Highlights, auf die man am Ende noch einmal zurückblickt? Sofort beginnt Schmitt davon zu schwärmen, wie Mariss Jansons und das BR-Symphonieorchester 2013 in der Stadthalle geprobt haben, weil es in München keinen Platz gab. Als Dank gab es eine kostenlose Probe, zu der Hunderte Germeringer gekommen sind. Und dann sei da noch der Auftritt einer AC/DC-Coverband vor ein paar Jahren gewesen. "Wegen der Pyro ist der Feueralarm losgegangen, es gab eine Durchsage und das Licht im Saal ging an. Und das Publikum hat gedacht, es ist Teil der Show, es gab keine Panik, alle sind geordnet nach draußen gegangen", erinnert sich Schmitt.

Im Jahr 2013 probt das BR-Symphonieorchester in der Stadthalle. Zu diesem Anlass trägt sich Dirigent Mariss Jasons (vorne) unter den Augen von Medea Schmidt und Andreas Haas ins Goldene Buch der Stadt ein. (Foto: Johannes Simon)

Vieles hat sich verändert in den vergangenen 19 Jahren auf dem Weg von der Stadthalle zum "Kulturtempel". Bauliche Änderungen, wie ein komplett neues Brandschutzkonzept und die Umsetzung von Vorschlägen einer Energieanalyse. "Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind Themen, die uns schon lange beschäftigen. Aber es ist noch ein weiter Weg", sagt Schmidt. Eine Maßnahme sei etwa die Umstellung auf LED-Beleuchtung gewesen. Aber auch andere Dinge haben sich entwickelt. Etwa der Aufbau der verschiedenen Social-Media-Kanäle, Facebook, Youtube, Instagram. Zuletzt hat Schmitt noch den Aufbau eines eigenen Webshops in die Wege geleitet. Inhaltlich sei ihr aber vor allem eines immer wichtig gewesen, sagt sie: "Dass unsere Gäste eine höchstmögliche Wahlfreiheit haben". Geschlossene Aboreihen hat es in der Stadthalle deshalb immer nur ganz begrenzt gegeben, etwa für die Klassik. Ansonsten konnten die Besucherinnen und Besucher stets ein vergünstigtes Abo für mehrere frei zu wählende Veranstaltungen abschließen.

Was also noch? Ob sich schon eine gewisse Wehmut einstellt, beim Gedanken, dass es nun vorbei ist? "Nein", antwortet Schmitt sofort. "Ich freue mich auf das Leben danach. Ich habe genug Ideen und Wünsche, die ich umsetzen möchte". Reisen beispielsweise, neue Sportarten anfangen. "Und ich möchte Italienisch lernen. Ich liebe das Land und die Kultur." Damals, an der Uni, habe sie bereits begonnen, die Sprache zu lernen, dann aber wieder aufgehört. Und die Kultur, die sie in den vergangenen 19 Jahren so intensiv Tag für Tag begleitet hat? "Kultur ist mein Leben und das wird sie auch bleiben. Aber ich freue mich drauf, sie einfach genießen zu können, ohne die Verantwortung zu tragen. Einfach loslassen und genießen." Das gilt freilich noch nicht an diesem Vormittag und deshalb muss Schmitt nun los, ein letztes Mal auf die Bühne im großen Saal "ihrer" Stadthalle, wo die Scheinwerfer bereits eingestellt sind und die Fotografen warten. Schmitt schnappt sich den Stadthallen-Stimmschlüssel, den sie damals zum Amtsantritt bekommen hat und den sie nun mit einem Lächeln an Kathrin Jacobs übergibt.

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