Polizei in München:Antisemitismus-Verfahren gegen Personenschützer von Charlotte Knobloch

Polizei in München: Der suspendierte Polizist war als Personenschützer für Charlotte Knobloch zuständig - und versendete zugleich über Whatsapp antisemitische Äußerungen.

Der suspendierte Polizist war als Personenschützer für Charlotte Knobloch zuständig - und versendete zugleich über Whatsapp antisemitische Äußerungen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Das Polizeipräsidium München will einen Beamten, der auch die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde bewachte, wegen verunglimpfender Chats aus dem Dienst entfernen. Dem Verwaltungsgericht geht das zu weit.

Von Susi Wimmer

Darf ein Polizist in polizei-internen Chatgruppen oder privaten Nachrichten ausländerfeindliche Witze reißen? Darf er als Personenschützer des israelischen Generalkonsuls seinem Polizei-Spezl schreiben, ihm wäre als Fahrziel mit seinem Chef nicht Auschwitz oder Flossenbürg, sondern Dachau lieber, da käme man früher heim - und der andere antwortet: "Aber nicht der, der den Ofen sauber machen muss."

Der suspendierte Polizist Michael R. soll in Whatsapp-Chats rassistische, nationalsozialistische und antisemitische Äußerungen getätigt haben. Als Personenschützer, der auch Charlotte Knobloch bewachte, die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde, verunglimpft haben. Und polizeiliche Maßnahmen bei den mehr oder weniger aktiven Fußballern Jérôme Boateng und Stefan Effenberg weitergegeben haben.

"Das Vertrauen ist irreparabel zerstört", sagen die Vertreterinnen des Polizeipräsidiums München vor dem Münchner Verwaltungsgericht. Das Präsidium will den 43-jährigen R. aus dem Dienst entfernen. Sein Anwalt Michael Gimpel meint, R. habe sich lediglich ein verbales Ventil gesucht zu seiner Arbeit, er sei keineswegs ausländerfeindlich, rechtsradikal oder antisemitisch eingestellt. Die Kammer 19L urteilt am Ende, R. werde um zwei Stufen in das Amt eines Kriminalmeisters zurückgestuft; er bleibt Polizist.

"Sie sind nicht der erste Beamte, den ich mit derartigen Sachen hier sitzen habe", sagt die Richterin zu R. und fragt: "Haben Sie eigentlich in Ihrer Ausbildung was von TKÜ gehört", also Telekommunikationsüberwachung. Sie könne nicht verstehen, dass ausgerechnet ein Polizist so unbedarft mit dem Messenger-Dienst Whatsapp umgehe.

Es geht um Chats mit seinem Kollegen Philipp D., der sich mittlerweile nicht mehr im Polizeidienst befindet, und um eine Chat-Gruppe mit sieben anderen Polizisten. Dort sollen entsprechende Videos, Fotos und Textnachrichten ausgetauscht worden sein. Gängige Buchstabenkombinationen zwischen Philipp D. und Michael R. waren "HH" und "SH", in rechtsradikalen Kreisen als "Heil Hitler" und "Sieg Heil" bekannt. R. versichert, das sei ein "running gag" gewesen und bedeute "Servus Homo" und "Hey ha".

Es gab auch Sprachnachrichten, in denen R. die Stimme Hitlers imitierte. "Das würde ich nie wieder machen", meint er heute. Oder der Chat mit dem Kollegen, der aufgrund der Corona-Maßnahmen meinte, man könne ja wieder ein Konzentrationslager aufmachen, den er mit "Ja" kommentierte. Oder der Topflappen mit Hitler-Emblem und dem Kommentar: "Oma weiß halt noch, was gut ist." Aber, so moniert Michael R., es werden hier Fetzen aus der Unterhaltung herausgezogen und aus dem Kontext gerissen. Er habe lediglich immer "mitgeblödelt", sich später auch von dem Freund distanziert.

Einmal hat er zur Mäßigung gemahnt

In Bezug auf Charlotte Knobloch soll er als ihr Personenschützer geschrieben haben: "Ich scheiß' ihr vor die Tür, schön braun, mit Fähnchen." R. sagt heute, das stehe in Zusammenhang mit dem damals krebskranken Hund von Frau Knobloch, der stank und Durchfall hatte, wenn er mit ihm rausgehen musste. Er habe Dampf abgelassen, früher durfte man noch auf der Dienststelle ein Bierchen trinken nach der Nachtschicht, heute dürfe man das nicht mal mehr draußen auf dem Parkplatz. Man dürfe heutzutage ja nicht mal mehr den Begriff Heimat verwenden.

In den Chats mit Kollegen taucht auch ein Einsatz bei Boateng auf, die Alkoholfahrt von Effenberg, doch die Verfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses wurden eingestellt.

Die Richterin hält R. zugute, dass es im Dienst nie zu Auffälligkeiten gekommen sei, dass er kooperiere und Reue zeige. Und dass er zumindest einmal in einem Gruppenchat seine Kollegen zur Mäßigung aufgefordert habe. Das erstellte Persönlichkeitsbild sei positiv und R. habe keinerlei Engagement in einer verfassungsfeindlichen Organisation gezeigt.

Dem Gericht ist vor allem eine Frage wichtig: Handelt es sich bei den Äußerungen um verbale Entgleisungen, oder hat sich Michael R. von demokratischen Grundlagen abgekehrt? Alle Strafverfahren gegen ihn wegen Volksverhetzung oder Verwenden von verfassungsfeindlichen Kennzeichen seien eingestellt worden.

Doch das Polizeipräsidium sieht vor allem die politische Treuepflicht bei dem Polizisten als verletzt an. Gerade die verunglimpfenden Chats in Bezug auf die zu schützenden Personen seien "das Schlimmste". "Es sprengt jeglichen Rahmen", sagt eine Vertreterin in der Verhandlung, wenn man derartige Symbole und Ausdrucksweisen wieder gesellschaftsfähig mache.

Dem Präsidium steht nun der Weg zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof offen.

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