Modeln alleine reicht nicht:Zwischen Laufsteg und Schnitzeisen

Modeln alleine reicht nicht: Florian Schwab arbeitet als Model. Aber das alleine reicht dem jungen Münchner nicht. Er will sich verwirklichen.

Florian Schwab arbeitet als Model. Aber das alleine reicht dem jungen Münchner nicht. Er will sich verwirklichen.

(Foto: Volker Eichenhofer)

Beim Blick auf die Laufstege der Modestädte findet man das eine oder andere Münchner Gesicht. Drei junge Models erzählen, wie sie diese Welt erleben - und warum es doch Erfüllenderes gibt.

Von Luca Lang

Für die Jacke, die in der Ecke des engen, etwas voll gestellten Kellers liegt, hat Florian Schwab, 24, sein Gesellenstück verkauft. Sie ist von der Marke, für die er das erste Mal als Model gelaufen ist. Tausend Euro hat sie damals gekostet. Viel Geld für einen jungen Mann. Trotzdem geht er mit dem Werkzeug in seinem Atelier viel sorgsamer um. Fein säuberlich sind die Schnitzeisen in einem Rolletui sortiert, mit denen er sonst an Holzreliefs arbeitet. Auf den Reliefs zu sehen ist sein Gesicht. Sein Gesicht, das während den Fashion-Weeks des vergangenen Jahres auf den Laufstegen zu sehen war. Florian ist Model. Und, was ihm viel wichtiger ist: Bildhauer und Künstler. Das Modeln allein reicht dem jungen Münchner nicht.

München und Mode? Eigentlich ist München keine Stadt, die für ihre Modeszene bekannt ist. Hätte die deutsche Ausgabe der Vogue, also des weltweit bekanntesten Modemagazins, hier nicht ihren Sitz, hätten wohl nur Kenner der auf Hochglanz polierten Branche die bayerische Landeshauptstadt auf dem Schirm. Da trifft man sich doch lieber in Mailand, Paris und London, vielleicht noch in Berlin. Auf den Laufstegen sieht man aber doch immer wieder Münchner. Und es sind gerade die männlichen Models, die besonders erfolgreich zu sein scheinen.

Eines von ihnen ist Florian. Er sitzt mit etwas gekrümmtem Rücken auf einem Hocker in seinem Atelier im Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg. Der gelernte Holzbildhauer wirkt ganz anders als die Fotos von ihm in besagtem Magazin vermuten lassen. Seine Kappe hat er tief ins Gesicht gezogen, sein Gesicht, das sonst so durchdringend in die Kamera blickt, verschwindet hinter seiner rechten Hand, wenn er lacht.

Ein angefangenes Holzrelief steht in Florians Atelier, an dem er normalerweise mit den Schnitzeisen arbeitet. "Das Relief ist eigentlich so ein Zwischending zwischen 2D und 3D", sagt er, "und so ein Brett kannst du dir auch in den Rucksack packen und mitnehmen." Das sei einfacher als bei komplett dreidimensionalen Skulpturen, wie er sie noch in seiner Ausbildung zum Bildhauer anfertigte.

Die Queernes in seinen Bildern und besonders die männliche Nacktheit - das eckt immer noch an

Auf dem Relief zu sehen ist Florian selbst, nackt, in verschiedenen Posen, die sich wie in einer Collage überschneiden. Mal in neutraler Haltung, mal in sexualisierter. Auch auf seinen Zeichnungen ist immer Florian selbst zu sehen. Es hat ihm schon immer Spaß gemacht, "die Linien eines Körpers auf einem Blatt zu ermitteln. Zu schauen: Wo ist welcher Muskel", sagt er. Und: "Ich mag es auch, damit zu provozieren." Die Queernes in seinen Bildern und besonders die männliche Nacktheit - das eckt immer noch an.

Während auch oder gerade in der Mode weiblich gelesene Nacktheit weitestgehend normalisiert ist, wird dem Penis gesellschaftlich immer noch mit einer gewissen Fragilität begegnet. Schon 2015 zeigte der Modedesigner Rick Owens Tuniken auf dem Laufsteg, die den Schritt der Male-Models freilegten. Die Reaktionen: "Die konservativsten oder vehementesten (...) waren: 'Wie eklig!'", sagte der Designer dem Surface-Magazin. "Warum haben dir deine Eltern beigebracht, dass dein Penis hässlich ist?", fragt er.

Auch für Florian ist die Aufregung nicht ganz nachvollziehbar, wenn er seine Kunst auf Instagram zeigt: "Theoretisch sind es einfach nur Linien." Die Provokation ist, wie sie es auch meistens in der Modewelt ist, bei Florian nicht ganz frei von Kalkulation. Denn, was ebenfalls in der Mode gilt, funktioniert auch für den jungen Künstler: Sex sells. "Und Instagram ist wirklich super dafür", sagt Florian.

Entdeckt wurde Florian Schwab über Instagran - er wurde daraufhin zu einem Casting eingeladen

Entdeckt wurde er vor knapp drei Jahren - ebenfalls über Instagram. "Ich hing in Berlin mit so ein paar Künstlern ab. Von denen hat dann einer ein Bild von mir in seine Story gepostet", erzählt Florian. Er wurde daraufhin zu einem Casting eingeladen, es folgte eine erste Modenschau. Und von dort wurde Florian an eine Kölner Agentur vermittelt. Seitdem kennt er die Welt der Fotoshootings, der Shows und der After-Show-Partys.

Ein paar Monate später lief er dann für das in den vergangenen Wochen aufgrund einer Werbekampagne massiv in die Kritik geratene Modehaus Balenciaga - für die Kampagne wurden Kinder zusammen mit Teddybären im BDSM-Outfit fotografiert. Damals war Balenciaga aber noch einer der größten Namen der Branche. Florian erzählt das alles so unaufgeregt, dass man fast meinen könnte, er spiele es der Coolness wegen runter - immerhin ist Selbstdarstellung Teil der Branche.

Trotzdem bildet sich Florian nichts auf seinen Erfolg ein. Vor seinen Jobs sei er jedes Mal aufs Neue aufgeregt, sagt er. "Der schlimmste Moment ist eigentlich, wenn du dort stehst und alle Models angezogen warten, bis sie auf den Laufsteg können. Das ist so wie beim Schlachter", sagt er.

Modeln alleine reicht nicht: Modeln war "für mich in erster Linie eine Arbeit, die ich zwar gerne gemacht habe, mit der ich mich aber nicht identifiziert habe", sagt Anton Kundrus.

Modeln war "für mich in erster Linie eine Arbeit, die ich zwar gerne gemacht habe, mit der ich mich aber nicht identifiziert habe", sagt Anton Kundrus.

(Foto: Topper Komm)

Ähnlich geht es auch Anton Kundrus immer noch. Auch er ist Model, auch er ist wie Florian über Instagram entdeckt worden. Und wie für Florian reichte ihm das Modeln nicht als Lebensinhalt. "Das war für mich in erster Linie eine Arbeit, die ich zwar gerne gemacht habe, mit der ich mich aber nicht identifiziert habe", sagt Anton, der sogar eine Zeit lang aufgehört hatte zu modeln. Er ist beim Modus Kollektiv, einem Münchner Label und Technokollektiv. "Ich bin auf jeden Fall viel stolzer auf unsere Veranstaltungen als auf das Modeln." Besonders die Arbeit mit den verschiedenen Menschen, den DJs - Anton ist bei Veranstaltungen für Artist Care zuständig - gefallen ihm.

Es geht bei den Modeschauen nicht um die Models, sondern nur um die Klamotten

Es ist das, was ihm schlussendlich auch so am Modeln gefällt. "Man lernt wahnsinnig viele Leute kennen", erzählt er. Mit einigen Models von seiner ersten Fashion Week in Mailand ist Anton auch immer noch befreundet. Auch Florian kennt das. "Am Ende von jeder Show ist es eigentlich wie eine kleine Familiy", sagt er.

Dass die Modelbranche dennoch alles andere als heile Welt bedeutet, wissen die beiden nur zu gut. "Man merkt immer wieder, die Kunden kümmern sich einen Scheiß um dich. Du bist im Endeffekt ne Mannequin",sagt Florian. "Es fühlt sich irgendwie falsch an, dass die Leute in der Branche mit Menschen arbeiten, es ihnen aber gar nicht um dich, sondern nur um die Klamotten geht."

Bei Anton ging es dann so weit, dass er das Modeln sein gelassen hat. Nachdem sich während der ersten Lockdowns seine Maße verändert hatten, wurde er zwar für ein Fotoshooting gebucht - aber die Agentur schickte veraltete Fotos. "Bei dem Job haben die mir die Haare abgeschnitten, 30 Zentimeter. Und nach den ersten paar Schüssen hat der Fotograf gemeint, ich könne wieder nach Hause gehen." Warum? Weil sein Körper nicht mehr den Vorstellungen des Fotografen entsprach, erzählt Anton. Als dann die Agentur verlangt, dass er auch noch seine Reisekosten selbst zu tragen habe, hat Anton hingeschmissen. Trotz allem scheinbaren Fortschritt in der Branche: Agenturen, die diverse Körperformen akzeptieren, seien weiterhin selten, findet Anton, "aber es bessert sich zumindest ein wenig".

Modeln alleine reicht nicht: Ferdinand Schladitz ist optisch eher der "Hooligantyp", wie er sagt. Hier ein Bild aus den Anfangsjahren als Model.

Ferdinand Schladitz ist optisch eher der "Hooligantyp", wie er sagt. Hier ein Bild aus den Anfangsjahren als Model.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei einer dieser Agenturen ist Ferdinand Schladitz unter Vertrag. "Dort wird geschaut, dass nicht nur die 1,83 großen, schlankgewachsenen, geschleckten Male Models zu sehen sind", sagt er. Ferdinand selbst ist optisch eher der "Hooligantyp", wie er sagt. Mit seiner Größe von 1,77 Metern ist er auch für das klassische Runway-Modeln zu klein. Der junge Mann ist ohnehin mehr an Fotografie interessiert. In seinem Kommunikationsdesignstudium steht er selbst nun nicht mehr nur vor, sondern hinter der Kamera. Dabei hilft ihm das Vorwissen aus seinen Modeljobs, das Technische wie auch sein Verständnis für Posen und Komposition. Beim Kollektiv Broke.Today ist er außerdem als Künstler aktiv. Autodidaktisch, wie er sagt - die Zeit an der Kunst-FOS und sein Studium wohl nicht miteingeschlossen. In seinem Schaffen, sagt Ferdinand, sei er sehr "multidivers", dabei nutze er für seine Bilder die verschiedensten Eindrücke - auch die durch das Modeln.

Letzteres ist ihm, wie schlussendlich auch Florian und Anton, nicht so wichtig. Das Modeln bleibt ein Job. Einer, der den dreien Spaß macht, mit dem sich auch einfach Geld verdienen lässt. Aber einer, der nicht unbedingt zufriedener macht. Da sind Kunst und Musik schon erfüllender.

Junge Leute

München lebt. Viele junge Menschen in der Stadt verfolgen aufregende Projekte, haben interessante Ideen und können spannende Geschichten erzählen. Hier werden diese Menschen vorgestellt - von jungen Autoren.

Lust mitzuarbeiten? Einfach eine E-Mail an die Adresse jungeleute@sz.de schicken.

Weitere Texte findet man im Internet unter jungeleute.sueddeutsche.de, www.instagram.com/szjungeleute oder www.facebook.com/SZJungeLeute

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