Psychologie:Wie Musik und Depression zusammenhängen

Psychologie: Bildnis eines Musikers von Albert Joseph Moore.

Bildnis eines Musikers von Albert Joseph Moore.

(Foto: IMAGO/Heritage Art/Heritage Images/IMAGO/Heritage Images)

Musikalische Menschen haben laut einer Studie ein höheres Risiko, psychisch zu erkranken. Woran das liegt und warum trotzdem niemand mit dem Musizieren aufhören sollte.

Von Katharina Osterhammer

Musizieren macht glücklich - davon gehen zumindest die meisten Menschen aus. Deswegen überrascht das Ergebnis einer internationalen Studie, die unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) durchgeführt wurde. "Wir konnten beweisen, dass Menschen, die musizieren, häufiger an Depressionen oder bipolaren Störungen erkranken als Menschen, die nicht Musik machen", erklärt Miriam Mosing, Seniorautorin der Studie. Wichtig ist allerdings, dass es sich dabei nicht um einen Kausalzusammenhang handelt - Menschen bekommen also keine psychischen Probleme, weil sie musizieren.

Vielmehr konnten sich die Neurowissenschaftler den Zusammenhang anhand von fast 6000 Datensätzen aus dem schwedischen Zwillings- und Patientenregister erklären. "Es gibt genetische Faktoren, die sowohl die Wahrscheinlichkeit erhöhen, psychisch zu erkranken, als auch dafür sorgen, dass jemand musikalisch ist", so Laura Wesseldijk, Erstautorin der Studie. Je mehr Gebrauch man von diesem Talent machen würde, je intensiver also jemand auf seinem Instrument übe, desto häufiger seien auch psychische Erkrankungen festgestellt worden.

"Musizieren hat nachweislich ganzheitlich positive Effekte"

Auch andersherum fanden die Forscher unter anderem mithilfe von DNA-Tests heraus: Menschen mit mentalen Problemen sind häufiger musikalisch veranlagt - unabhängig davon, ob sie tatsächlich musizieren oder nicht. Denselben Zusammenhang konnten sie auch für andere künstlerische Begabungen nachweisen, beispielsweise fürs Fotografieren oder Zeichnen. "Am stärksten ist der Effekt allerdings bei Menschen mit Talent fürs Schreiben zu sehen", so Mosing.

Allerdings haben die Gene nur einen begrenzten Einfluss darauf, ob jemand tatsächlich depressiv wird oder nicht. Umwelteinflüsse, wie beispielsweise der Tod eines geliebten Menschen, würden die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöhen, sagt Mosing. "Nur weil es eine erhöhte Veranlagung zu psychischen Problemen und zur Musikalität gibt, heißt das nicht, dass eine Person auch tatsächlich erkrankt", betont Psychopathologin Wesseldijk.

Die Studie liefere wichtige Erkenntnisse, bestätigt auch die Leiterin des Freiburger Instituts für Musikermedizin, Claudia Spahn. "Gerade nach den Corona-Jahren, in denen viele Angebote zum Musizieren gelitten haben, ist allerdings der Blick auf Musik als Ressource wichtiger denn je", ergänzt sie.

Wie auch die Studienautoren des MPIEA betont Spahn: "Der Zusammenhang zwischen Musizieren und psychischer Gesundheit ist sehr komplex."

In ihrem Praxisalltag für psychotherapeutische Musikmedizin bestärkt sie ihre Patienten jedoch darin, trotz aktueller Probleme wie Lampenfieber oder Atemschwierigkeiten nicht mit dem Musikmachen aufzuhören. "Musizieren hat nachweislich ganzheitlich positive Effekte", so Spahn. So könne das Musizieren ein Gemeinschaftsgefühl schaffen und Selbstwirksamkeit vermitteln oder kardiovaskulären Erkrankungen und Demenz vorbeugen.

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