Museum der Phantasie:Seltener Glücksfall

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Die portugiesische Künstlerin Sofia Seidi (Mitte) präsentiert ihre Arbeiten im Buchheim-Museum. Bereits im Februar hatten (v.li.) Bernrieds Bürgermeister Georg Malterer, PR-Managerin Claudia Lamas, Museumsdirektor Daniel Schreiber und Sammler Josef Hierling die Malerin begrüßen können. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Buchheim-Museum in Bernried präsentiert eine Neuerwerbung: "Zwei stehende Mädchenakte mit grünem Stein" von Franz Marc gilt als Beispiel für die "Anstrengung zur Befreiung der Farbe von allen traditionellen Bedingungen".

Von Katja Sebald, Bernried

Es war bereits im vergangenen Jahr in der Ausstellung "Brücke und Blauer Reiter" zu sehen, jetzt darf es für immer in Bernried bleiben: Franz Marcs Gemälde "Zwei stehende Mädchenakte mit grünem Stein" wurde am Donnerstag im Buchheim-Museum als Neuerwerbung präsentiert.

Das Bild, gemalt in Öl und Tempera auf Karton, zeigt zwei stehende weibliche Akte mit kräftigem, fast orangefarbenem Inkarnat. Die rechte Figur ist in Rückenansicht zu sehen, die linke kniet mit einem Bein auf einem großen, grün schimmernden Felsbrocken. Im Hintergrund ist ein Wald in Rottönen angedeutet. Die beiden Mädchen werden von der Natur gleichsam umfangen, die jedoch wegen ihrer "falschen" Farbigkeit als mystische, fast surreale Traumwelt erscheint. Auf der Rückseite des Kartons ist das Fragment einer Zeichnung von zwei Pferden auf der Weide zu sehen. Die Zeichnung entstand im Jahr 1910, das Gemälde im selben Jahr oder im Jahr darauf.

Das Bild dokumentiert die realen Kontakte zwischen "Brücke" und "Blauer Reiter"

Museumsleiter Daniel J. Schreiber erläuterte bei der Vorstellung, warum das Gemälde ein Glücksfall für das Museum der Phantasie sei: Franz Marc, der in der Sammlung Buchheim bislang nur mit grafischen Arbeiten vertreten war, gehöre "unbedingt" zum Sammlungsschwerpunkt figurativer Expressionismus und sei über die Freundschaft mit Erich Heckel der Künstlergemeinschaft "Brücke" nahe gestanden. Insbesondere mit Heckels zeitgleich entstandenen Gemälde "Am Waldteich" weise das Bild viele kompositorische Analogien auf. Damit könnten laut Schreiber die "Familienähnlichkeiten", aber auch die realen Kontakte zwischen Marc und Heckel im Besonderen sowie "Brücke" und "Blauer Reiter" im Allgemeinen dokumentiert werden.

Die portugiesische Künstlerin Sofia Seidi (Mitte) präsentiert ihre Arbeiten im Buchheim-Museum. Bereits im Februar hatten (v.li.) Bernrieds Bürgermeister Georg Malterer, PR-Managerin Claudia Lamas, Museumsdirektor Daniel Schreiber und Sammler Josef Hierling die Malerin begrüßen können. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch darf man wohl davon ausgehen, dass schon der legendär geizige Lothar-Günther Buchheim das Bild selbst gerne gekauft hätte - und das nicht nur, weil er für den Preis von einem gleich zwei Bilder bekommen hätte. In seinem 1959 erschienenen Buch "Der Blaue Reiter und die Neue Künstlervereinigung München" zeigte er die Mädchenakte als Farbabbildung und führte sie als Beispiel für Marcs "Anstrengung zur Befreiung der Farbe von allen traditionellen Bedingungen" an.

Die "Mädchenakte" wechselten 2019 bei einer Auktion für mehr als 430 000 Euro den Besitzer

Die "Mädchenakte", die nun aus den Mitteln der Buchheim-Stiftung erworben werden konnten, haben mehr als ein Jahrhundert bewegter Geschichte hinter sich, die sich im Internet gut nachverfolgen lässt. So wechselte es beispielsweise 2019 bei einer Auktion in München für mehr als 430 000 Euro den Besitzer. Erstmals gezeigt wurde das in der Gründungsphase des "Blauen Reiters" entstandene Gemälde wohl im Jahr 1912 auf der Sonderbundausstellung in Köln. Laut Buchheim-Museum erwarb es dort die Künstlerin Alexe Altenkirch. Sie stellte es viele Jahre lang als Dauerleihgabe dem 1919 als Abteilung der Nationalgalerie Berlin eingerichteten Kronprinzenpalais zur Verfügung, das damals als wichtigste Institution für zeitgenössische Kunst in Deutschland galt. Nach Altenkirchs Tod im Jahr 1943 erbte ihr Neffe das Gemälde. 1955 wurde es in Stuttgart an Emil Georg Bührle verkauft, ein Schweizer Waffenfabrikant deutscher Herkunft, Kunstsammler und Mäzen. In den 1960er Jahren war das Bild dann in verschiedenen Ausstellungen zu sehen, tauchte 1970 wieder im Kunsthandel auf und verschwand 1980 noch einmal für viele Jahre in einer Privatsammlung.

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