Verkehrsstatistik 2022:Zahl der Fahrradunfälle in Bayern auf Rekordhoch

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In den Unfallstatistiken der bayerischen Polizei tauchen Radfahrer immer öfter auf. So ist erst am Samstag wieder bei einem Unglück auf der B2 bei Treuchtlingen (Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen) ein Radfahrer gestorben, nachdem er von einem Autofahrer überrollt worden war. (Foto: Goppelt/dpa)

Nach zwei verkehrsberuhigten Pandemie-Jahren ist wieder mehr los auf den Straßen. Die Zahl der Verkehrstoten sank 2022 auf ein Allzeit-Tief. "Entsetzt" ist Innenminister Herrmann aber über die vielen getöteten Radler.

Von Max Weinhold, Nürnberg

Er sei ein begeisterter Fahrradfahrer, erzählte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der bayerischen Verkehrsunfallstatistik. Entsprechend war Herrmann am meisten entsetzt über die hohe Zahl der Fahrradunfälle. Genau genommen ist diese nicht nur hoch, sondern am höchsten seit Beginn der Datenerhebung im Freistaat vor mehr als 65 Jahren.

19 646 Fahrradunfälle verzeichnete die Polizei im Jahr 2022 - so viele wie noch nie. Dabei starben 84 Radler, zuletzt waren es 2009 mehr. Herrmann bezeichnete die Zahlen als "besorgniserregend". "Wir müssen es schaffen, das Wachstum im Radverkehr zu entkoppeln von einem Wachstum der Unfälle", sagte er bei der Vorstellung der Zahlen im Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg.

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Bernadette Felsch, die Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Bayern, nahm die Entwicklung "mit Bestürzung" zur Kenntnis. Sie machte die "schlechten Rahmenbedingungen" für den Negativtrend verantwortlich. "Instandhaltung und der dringend nötige Ausbau des Radwegnetzes werden nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgt", kritisierte Felsch.

Hermann betonte unterdessen, dass bei gut einem Drittel der Fahrradunfälle nur Radler und keine weiteren Verkehrsteilnehmer beteiligt gewesen seien. Und er verwies auf die hohe Zahl der von Radlern selbst verursachten Unfälle - das seien mehr als zwei Drittel. Als Ursachen nannte er etwa Alkoholfahrten und Leichtsinn. "Viele Radfahrer meinen, dass sie einen Radweg in beide Richtungen nutzen dürfen", sagte er. So würden sie mitunter von Autofahrern übersehen. Geradezu empört zeigte sich Herrmann über Radler, die nachts ohne Beleuchtung fuhren. "Das ist ein wirklich indiskutables Risiko", sagte er.

Die ADFC-Landesvorsitzende Felsch hingegen machte als Ursachen für die Unfälle, an denen einzig Radfahrer beteiligt sind, abermals Infrastrukturmängel aus: "zu hohe Bordsteinkanten, Schlaglöcher, Verschmutzungen, mangelnde Räumung".

Auffällig hoch ist bei den tödlichen Radunfällen der Anteil jener mit Pedelecs (circa ein Drittel), also Fahrrädern, bei denen ein Elektromotor zur Unterstützung verbaut ist. Viele Radler würden die Geschwindigkeit ihrer Gefährte unterschätzen, so Herrmann.

Der Innenminister kündigte weitere Investitionen in die Radinfrastruktur an, um die Sicherheit zu erhöhen und die Verkehrswende voranzutreiben: "Wir müssen das Radlfahren noch sicherer machen." Er rief insbesondere Pedelec-Fahrer zur Teilnahme an Fahrsicherheitstrainings des ADFC auf: "Keiner ist so gut, dass er es überhaupt nicht braucht." Mit Blick auf die grundsätzlich zu verzeichnende Zunahme des Radverkehrs sprach Herrmann von einem "Hype" und einem "erfreulichen Beitrag zum Klimaschutz".

"Wir müssen den Kontrolldruck weiter aufrechterhalten"

Insgesamt sank die Zahl der Verkehrsunfälle in Bayern 2022 im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 - und das, obwohl sich die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge erhöhte. Mit 375 700 Unfällen im Jahr 2022 nahm der Wert im Vergleich zu 2019 um knapp zehn Prozent ab. "Gemessen an 2019 verzeichnen wir 2022 deutlich weniger Verkehrsunfälle und Unfallopfer. Damit setzt sich der erfreuliche Trend der vorangegangen Jahre weiter fort", sagte Herrmann. Mit Ausnahme der Pandemie-Jahre seien in Bayern mit 519 Toten noch nie so wenige Menschen bei Verkehrsunfällen gestorben wie im Jahr 2022.

Im Vergleich zu 2021 lag die Gesamtzahl der Unfälle 2022 allerdings erwartungsgemäß höher, nämlich um 4,7 Prozent. In den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 waren der Verkehr und in der Folge auch die Unfälle durch die Corona-bedingten Mobilitätseinschränkungen deutlich zurückgegangen.

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Ein Problem bleiben Landstraßen. 315 der 519 getöteten Menschen starben hier - oftmals wegen Alkohol am Steuer oder Raserei. "Eigentlich spricht die Vernunft dafür, dass man sich an Geschwindigkeitsregeln hält", sagte Hermann. "Es ist aber leider deutlich spürbar, dass viele diese immer nur dann beachten, wenn sie Angst davor haben, geblitzt zu werden. Deswegen müssen wir den Kontrolldruck weiter aufrechterhalten." Für 91 Todesfälle auf Landstraßen (147 Fälle insgesamt) sei überhöhte Geschwindigkeit die Unfallursache gewesen, so Hermann.

Nicht nur hinsichtlich der Landstraßen, sondern grundsätzlich wies er zudem auf Alkohol (in 58 Fällen einem Todesfall vorausgegangen) und Drogen (neun Fälle) als relevante Unfallursachen hin. Auch rief Herrmann Verkehrsteilnehmer dazu auf, ihre Sicherheit nicht leichtfertig zu gefährden. "Es ist unverantwortlich, wenn Eltern auf dem Weg zum Kindergarten auf das Anschnallen verzichten, weil es vielleicht nur zwei Kilometer sind", sagte er und ergänzte mit Blick auf Unfallermittlungen aus 2022: "52 Menschen könnten noch leben, wären sie nur angeschnallt gewesen."

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