Hin und weg:Land in Sicht

Hin und weg: Japans Inselwelt hat sich zuletzt deutlich vermehrt.

Japans Inselwelt hat sich zuletzt deutlich vermehrt.

(Foto: Eugene Hoshiko/AP)

In Japan hat sich die Anzahl der Inseln dank einer neuen Messung mehr als verdoppelt. Für den Tourismus eröffnet das auch in Deutschland neue Chancen.

Glosse von Dominik Prantl

Die Vermessung der Welt ist keineswegs eine Geschichte, die mit Aristoteles begann und bei Carl Friedrich Gauß endete; sie ist vielmehr ein unaufhörlicher Prozess. Die britische Küstenlinie etwa, so bemerkte der Mathematiker Benoît Mandelbrot Ende der Sechzigerjahre, wird wegen der Rauheit der Natur immer länger, je genauer man diese mit all ihren Unregelmäßigkeiten zu vermessen versucht. Unter Bergfans - gemeinhin als große Verehrer der rauen Natur bekannt - lässt sich wiederum streiten, wie viele Viertausender beispielsweise in den Alpen stehen und welche Spitzen die Bezeichnung Berg wirklich verdient haben, während andere nur als Nebengipfel firmieren. Im Jahr 2020 wurde sogar die Höhe des Mount Everest nach genauer Prüfung von mehreren Seiten - also Nepal und China - um 86 Zentimeter nach oben korrigiert, auf 8848,86 Meter. Im Vergleich zur Vermessung aus dem Jahre 1852 ist er sogar um rund 48,86 Meter gewachsen.

In Japan haben kürzlich wiederum die Landesvermessungskundler noch einmal ganz genau hingeschaut, und siehe da: Das Land im Pazifik besteht plötzlich nicht mehr nur aus läppischen 6852 Inseln, wie bisher angenommen. Es sollen 14 125 sein. Nun fragt man sich völlig zurecht, wie 7273 Inseln in einem so technikbeseelten Staat einfach durchs Raster rutschen konnten, und erhält von übereinstimmenden Medienberichten die Antwort, dass bei der letzten Erhebung 1987 noch See- und Landkarten in Papierform verwendet worden seien. Dieses Mal bediente sich die Geospatial Information Authority of Japan (GSI) hingegen digitaler Kartierungstechnologie bei der Inselanalyse. Nicht geändert habe sich jedoch das Hauptkriterium, wonach sich eine Insel als eine von Wasser umgebene, natürliche Landmasse mit einem Umfang von mindestens 100 Metern definiert. Schüler Mandelbrots wenden hier natürlich ein, dass dieser Küstenumfang auch nicht mehr ist als eine Frage des Maßstabs. Schon alleine deshalb muss man sich auch nicht zwingend mit der Zahl 14 125 zufrieden geben.

Erahnen lässt sich auch nur, und das ist viel entscheidender, was die neuen Methoden für den Tourismus bedeuten könnten. Womöglich sehen die Spanier schleunigst nach, ob sich zwischen Mallorca und Ibiza nicht doch noch eine gänzlich unverbrauchte, ja: ursprüngliche Baleareninseln auftreiben lässt. In den Bergen der Niederlande ist garantiert noch Luft nach oben; und nicht nur Köln sollte sich die Frage stellen, ob Düsseldorf wirklich über die längste Theke der Welt verfügt. Selbst wenn man sich in Deutschland trotz aller geodätischen Winkelzüge eher keine Hoffnungen machen darf, dass die Zugspitze dem Everest noch über den Kopf wächst: Der Titel des Küstenweltmeisters ist absolut drin.

Hin und weg: Dominik Prantl würde gerne mal die britische Küste abradeln - mit GPS!

Dominik Prantl würde gerne mal die britische Küste abradeln - mit GPS!

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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