Hamburger SV:Weitere Machtkämpfe plagen den HSV

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Marcell Jansen (l.), Präsident des Zweitligisten Hamburger SV, kümmert sich im Klub vor allem um den Breitensport. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Marcell Jansen gibt den Vorsitz im Aufsichtsrat ab, bleibt aber HSV-Präsident. Hinter den Kulissen droht Ärger um Klub-Anteilseigner Kühne und eine von ihm gewünschte neue Art der Einflussnahme.

Von Thomas Hürner, Hamburg

In Berlin war gerade eine viel diskutierte Wiederholungswahl in Vorbereitung, als in Hamburg einige Menschen an die Urnen traten. Aus der Hansestadt wurden keine nennenswerten Vorfälle gemeldet, die Wahl ging glatt über die Bühne, zumal es sich bei den Urnen in Wahrheit um moderne Smartphones handelte. Das Wahlergebnis: 467 Vereinsmitglieder stimmten Ende Januar dafür, dass Marcell Jansen Präsident des Hamburger SV bleiben soll, nur 169 waren dagegen. Der Ex-Profi hatte somit einen Abwahlantrag gegen ihn überstanden, der in Hamburg wochenlang ein riesengroßes Debattenthema gewesen war.

Aus demokratietheoretischer Sicht hatte der Vorgang zwar die signifikante Schwäche, dass nur ein sehr kleiner Teil der circa 90 000 HSV-Mitglieder an der Jahresversammlung teilnahm, aber noch verwirrender war: Über was genau wurde da eigentlich entschieden?

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Diese Frage hat am Montag neue Aktualität erhalten, als eine Nachricht erging, die das Hamburger Abendblatt veranlasste, über das "Ende der Unruhe?" beim Traditionsklub zu spekulieren: Marcell Jansen, der Präsident des HSV, ist nicht mehr der Aufsichtsratsvorsitzende des HSV - was nicht nur eine Menge über die Erfolgsbilanz Jansens im Kontrollgremium erzählt, sondern auch über die hinter den Kulissen ausgetragenen Machtkämpfe, die den HSV seit Jahren auf der Stelle treten lassen.

Jansen gegen Kühne: So lautete die aktuelle Konfliktlinie beim HSV

Auf die Person Jansens kaprizieren sich dabei alle Debatten. Als Präsident des HSV e.V. ist der 37-Jährige vor allem für den Breitensport zuständig, aber er darf auch mitentscheiden über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, der wiederum den Kurs in der Profiabteilung vorgibt, die in eine AG ausgegliedert ist. Zwischen den Aufgabengebieten verläuft eine nur schwammige Trennlinie, die auch bei der Mitgliederversammlung Ende Januar zu besichtigen war. Zugespitzt formuliert: Jansen behielt das Präsidentenamt, weil die Leichtathleten und Rollstuhlbasketballer zufrieden mit ihm waren. Jene, die Jansen nicht länger als Aufsichtsratschef sehen wollten, wurden überstimmt.

Am Montag wurde das nun bei der Hauptversammlung der AG nachgeholt. Jansen gibt den Rats-Vorsitz an Michael Papenfuß ab, den Schatzmeister des e.V., er bleibt dem Kontrollgremium aber statutengemäß als einfaches Mitglied erhalten. Hinter der Absetzung steckt diesmal allerdings nicht das Wahlvolk, sondern die Macht des Kapitals - also allen voran der HSV-Anteilseigner Klaus-Michael Kühne, der früher mal als Unterstützer Jansens galt, inzwischen aber zu dessen schärfsten Kritikern zählt.

Und zu beanstanden hatte der Milliardär in den vergangenen Monaten so einiges: Jansens Kumpelei mit dem inzwischen zurückgetretenen Vorstand Thomas Wüstefeld etwa, die ein Jahr lang die Hamburger Geschäftsstelle lahmlegte; oder seine Nähe zu dem in Verruf geratenen Private-Equity-Mann Detlef Dinsel, der gerne Klubanteile gekauft hätte; dazu kamen monatelange Querelen im von Jansen angeführten Aufsichtsrat und ein zerrüttetes Verhältnis zu HSV-Sportchef Jonas Boldt und Trainer Tim Walter.

Das sind aber nur die in der Öffentlichkeit bislang am meisten diskutierten Punkte auf der Mängelliste Kühnes, denn hinter seiner Opposition zu Jansen steckt auch etwas anderes: Eine mögliche Rechtsformänderung des HSV, von einer AG in eine KGaA. Kühne ist dafür, weil er so zusätzliche Anteile kaufen und somit seinen Einfluss ausweiten könnte; Jansen ist dagegen, weil das Präsidentenamt deutlich an Gewicht verlöre. Mit Jansens Entthronung vom Aufsichtsratsvorsitz konnte Kühne einen ersten Teilerfolg erzielen.

Dass es der 85-Jährige ernst meint mit seinem Vorhaben, das zeigt sich jedenfalls nicht nur an der Summe von 120 Millionen Euro, die er gerne in den Klub stecken würde. Es lässt sich auch an seinem Vokabular ablesen: "Die Schlacht ist noch nicht geschlagen", hat Kühne neulich im Manager-Magazin angekündigt und dabei eines sicher nicht vergessen: Eine neue Rechtsform gibt es nur, wenn er eine Kampfabstimmung unter den HSV-Mitgliedern gewinnt.

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