Kolumne: Vor Gericht:Ebay für Verbrechen

Lesezeit: 2 min

Selbst Saugroboter werden von der Justiz versteigert. (Foto: Michael Weber /imago images/imagebroker)

Geraubte oder gestohlene Gegenstände, die niemand zurückwill, werden von der Justiz versteigert. Über eine skurrile Art der Schnäppchenjagd.

Von Verena Mayer

Brauchen Sie einen Thermomix oder eine Kappsäge? Gibt es schon ab 200 beziehungsweise 400 Euro. Oder sind Sie auf der Suche nach einer kleinen Segelyacht (2500 Euro) oder einem nagelneuen Porsche (103 000 Euro)? All diese Dinge haben eines gemeinsam: Sie wurden irgendwann gestohlen oder geraubt, beschlagnahmt und vor Gericht als Beweismittel verwendet. Nun muss die Justiz sie wieder loswerden und lässt sie im Internet auf bestimmten Plattformen versteigern. Ebay für Verbrechen gewissermaßen.

Die Versteigerungen von Asservaten, wie solche Gegenstände genannt werden, gehören zu den skurrilsten Nebenschauplätzen der Justiz. Denn hier bekommt man alles, und damit meine ich: wirklich alles. Fahrräder, Markenhemden, Parfüms, originalverpackte iPhones, Laserdrucker, Schuhe, Champagner, Whiskey, Waschmaschinen, Beamer, Bücher, Schmuck, Staubsauger-Roboter, Rasenmäher, Messersets, Kinderwagen, Armaturen, Playstations, Teppiche, Kopfhörer, E-Bikes oder ein Mercedes-Cabrio.

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Wenn man sich durch die Angebote klickt, fragt man sich unwillkürlich, wem die Dinge gehört haben und welche Geschichte dahintersteckt. Wie wohl der schwarze Porsche 911 hier gelandet ist oder die "Statue aus Bronze Jesus am Kreuz auf Erdkugel", die die Staatsanwaltschaft Wiesbaden versteigern ließ? Das Diebesgut zeigt die Wünsche und Sehnsüchte einer Konsumgesellschaft.

In einer Zeit, in der die meisten ihr Konsumverhalten daraufhin abklopfen, wie nachhaltig und sozial verträglich es ist, beginnt man irgendwann auch, sich moralische Fragen zu stellen. Wie viel Leid war eigentlich mit diesen Gegenständen verbunden? Profitiert man hier nicht auch noch von Verbrechen? Ein Justizmitarbeiter hat mir einmal erzählt, er sei sich sicher, dass die meisten ersteigerten Asservate sofort weiterverkauft würden.

Andererseits geht es der Justiz hier wie einem Händler: Irgendwann sind die Lager voll und die Sachen müssen weg. Das passiert, wenn alle Fristen abgelaufen sind und niemand sein Eigentum zurückverlangt hat. Manche Behörden versteigern ihre Asservate sogar regelmäßig live. Ich kann mich gut an eine Auktion an einem Berliner Gericht erinnern, bei der es zuging wie in einer Shopping Mall am Black Friday. Dutzende Leute stürmten das Gebäude und kauften alles, was sich da stapelte, von einem Paket mit acht Uhren und einem Barometer über Skulpturen nackter Frauen bis zu Feuerzeugen und Tamponschachteln.

Einige versuchten, mit dem Gerichtsvollzieher zu verhandeln, der die wertvollen Sachen nur im Paket mit irgendwelchem Zeug abgab, damit Minderwertiges nicht liegenblieb. Und da war noch der Mann, der ein Brecheisen, einen Schlagbohrer und einen Bolzenschneider ersteigerte. Werkzeug, von dem allen im Raum klar war, dass es aus einem Einbruch stammte. Bis heute frage ich mich, ob es wiederverwendet wurde. Immerhin ging das Geld dafür in die Landeskasse.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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