Autoindustrie:Tesla ist jetzt ein stinknormaler Autobauer

Autoindustrie: Tesla-Chef Elon Musk: Hansdampf in allen Gassen oder stinknormaler Autobauer? Irgendwie wohl beides.

Tesla-Chef Elon Musk: Hansdampf in allen Gassen oder stinknormaler Autobauer? Irgendwie wohl beides.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Alle haben mit einer Elon-Musk-Show voller größenwahnsinniger Versprechen gerechnet. Stattdessen war der Tesla Investor Day vor allem eins: stinklangweilig. Doch selbst das dürfte Kalkül sein.

Von Christina Kunkel und Jürgen Schmieder

Stinklangweilig war er, dieser Tesla Investor Day, und wer das nicht glaubt: Noch nicht einmal der Chef des Elektroautobauers schien sich wahrhaftig begeistern zu können für das, was da in der neuen Firmenzentrale im texanischen Austin präsentiert wurde. Elon Musk kam insgesamt drei Mal auf die Bühne; dazwischen lauschte er aber nicht mehr als drei Stunden lang den Vorträgen seiner ranghöchsten Mitarbeiter, sondern verfasste Twitter-Einträge - nicht zu Tesla.

Er kommentierte die Einschätzung des Risikokapitalgebers David Sacks zum Krieg in der Ukraine; dann machte er sich kurz über den linksliberalen Moderator Keith Olbermann lustig, dessen Account kürzlich gesperrt worden war; und dann äußerte er sich zur Twitter-Sperre des republikanischen Senators Mike Lee, die mittlerweile wieder aufgehoben ist.

"Eine Botschaft voller Hoffnung und Optimismus" hatte Musk versprochen - für Leute, die nicht nur in seine Firma investieren, sondern in nachhaltige Energie und damit in die Zukunft des Planeten. Den "Master Plan 3" wollte er vorstellen, und wer mit dem Gesamtwerk des Visionärs, Revoluzzers und Disruptors vertraut ist, der erwartete Visionäres, Revolutionäres und Disruptives - also: Fahr- oder vielleicht gar Flugzeuge; Infos zur Infrastruktur der Supercharger-Ladestationen; was Neues zum Autopiloten, wegen dem Tesla gerade aufgrund vermeintlich falscher Versprechen verklagt wird.

Kurz: eine Elon-Musk-Show voller wahnsinniger Ideen und größenwahnsinniger Versprechen. Kann schon sein, dass einige in den Konzern investieren oder gar in den Fortbestand der Erde; die meisten investieren noch immer in: Elon Musk. Das war auch einer der Gründe, warum der Aktienkurs in den vergangenen Monaten derart eingebrochen ist: Musk schien ein wenig das Interesse verloren zu haben an Tesla; er schien zuletzt eher beseelt zu sein von seinem Twitter-Kreuzzug für "Free Speech" und gegen traditionelle Medien. Deshalb war dieser Termin in Austin so wichtig, die Leute erwarteten: Old-School-Musk.

"Die Nachfrage nach unseren Autos könnte durchaus unendlich sein"

Was dieser Tesla Investor Day allerdings war: eine Aneinanderreihung an Proseminaren in Maschinenbau, Produktions- und Automatisierungstechnik, Robotik, Designkunst und Firmenkultur. Tesla präsentierte sich als Konzern, der anderen Autobauern in Technologie und Effizienz meilenweit voraus ist und auf dem besten Weg, 20 Millionen Fahrzeuge pro Jahr zu produzieren, mehr als doppelt so viele wie zum Beispiel Toyota heute.

Es wirkte eher wie eine Veranstaltung, auf der Ingenieure zu Tesla gelockt werden sollen; dazu passte der Vortrag der zweiten Frau an diesem Nachmittag (die erste kam nach eineinhalb Stunden auf die Bühne), wie toll es doch sei, bei Tesla zu arbeiten - die Aussagen von Laurie Shelby darf man angesichts der Historie an Klagen wegen Diskriminierung (sowohl Hautfarbe als auch Geschlecht) als gewagt bezeichnen. Wie auch diese von Musk später, da war er kurz der gute, alte Größenwahnsinnige: "Die Nachfrage nach unseren Autos könnte durchaus unendlich sein."

Kurzer Einschub, weil das wichtig ist bei den Prognosen, die in den Vorträgen abgegeben wurden - erstaunlich häufig mit Grafiken ohne konkrete Zahlen: Vor Beginn der Proseminare war auf der Leinwand hinter der Bühne ein Disclaimer zu sehen; die 496 Wörter lassen sich zusammenfassen mit: Kann sein, dass das alles nicht so eintritt, wie es heute dargestellt wird - wegen interner oder externer Gründe. Nagelt uns bloß nicht darauf fest! Wenn danach nichts Irres präsentiert wird, sondern nur ein paar sehr große und allgemeine Ziele für nachhaltige Energie, dann ist das: stinklangweilig.

"Wir haben heute das viermillionste Fahrzeug der Firmengeschichte produziert, womöglich sind Sie bei der Führung vorhin daran vorbeigegangen", sagte Musk. Eine Million Autos hat Tesla in den vergangenen sieben Monaten produziert; um beim Vergleich mit Toyota zu bleiben: Der japanische Autobauer dürfte in diesem Geschäftsjahr knapp zehn Millionen Fahrzeuge herstellen.

Moment: Ist es wirklich schlimm, dass dieser Nachmittag stinklangweilig war und Tesla daherkommt wie eine stinknormale Firma, die in ihrem Bereich die größte der Welt werden will? Ist es nicht genau das, was Kritiker immer wieder fordern: weniger Versprechen, mehr Produktion. Weniger Visionen, mehr konkrete Pläne. Genau das hat Musk geliefert, auch wenn es langweilig gewirkt haben mag.

Im vergangenen Jahr war Teslas Model Y das meistverkaufte E-Auto in Deutschland

Aus der "Produktionshölle", wie Musk das Autobauen einst nannte, ist Tesla längst raus. Und nimmt man nur das Kerngeschäft, also Autos bauen und verkaufen, dann liefert der Elektroautohersteller ab. Eine Gewinnmarge von 17 Prozent schaffte Tesla zuletzt - das ist mehr als Mercedes, BMW oder VW. Und das nur mit E-Autos, die die alteingesessenen Autobauer immer noch mit viel weniger Gewinn verkaufen als Verbrenner. Die Gewinne der deutschen Hersteller kommen größtenteils immer noch aus dem Geschäft mit Benziner und Diesel.

Lange hieß es: sobald genug andere Hersteller E-Autos auf den Markt bringen, der Wettbewerb also härter wird, würde Tesla seine Vorreiterrolle verlieren. Zumindest auf dem deutschen Automarkt sieht es nicht danach aus. Im vergangenen Jahr war Model Y das meistverkaufte E-Auto in Deutschland, direkt gefolgt vom Model 3. Und auch im Januar 2023, als der deutsche E-Automarkt wegen der gekappten Umweltprämie schrumpfte, kam rund jedes vierte E-Auto von Tesla.

Dass sich Tesla so gut hält, liegt natürlich auch an der Preispolitik von Elon Musk. Anfang des Jahres senkte er die Preise in Deutschland drastisch, ein Model Y kostet seitdem bis zu 9100 Euro weniger. Weil VW gerade das Gegenteil machte und die Preise für seine Wagen um vier Prozent erhöhte, erhält Tesla noch mal extra Zulauf. Genau das sagte Musk bei seiner Unendliche-Nachfrage-Behauptung letztlich: "Was wir gelernt haben: Die Nachfrage richtet sich gar nicht so sehr danach, dass man etwas haben will - sondern es sich leisten kann." Das ist nun wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis, Musk sagte dennoch: "Selbst kleine Veränderungen beim Preis haben große Auswirkungen auf die Nachfrage."

Dazu hat es Tesla trotz aller Halbleiterknappheit bisher immer geschafft, seine Autos innerhalb weniger Monate auszuliefern. Auch das ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den deutschen Herstellern, die für manche E-Modelle immer noch Lieferzeiten von deutlich mehr als einem Jahr angeben. Auch das war eine der großen Botschaften der Präsentationen: Wir sind durch die Hölle gegangen, wir werden auch jetzt zuverlässig liefern können. Helfen soll dabei eine neue Fabrik in Mexiko - die der mexikanische Präsident Andrés Manuel Lopéz Obrador bereits am Tag davor angedeutet hatte. Es ist die dritte Fabrik außerhalb der USA nach Berlin und Shanghai und für Autobauer wegen der geringeren Löhne und zollfreiem Zugang zum US-Markt überaus attraktiv.

Der Aktienkurs fiel im nachbörslichen Handel um mehr als fünf Prozent

Auch in China behauptet sich Tesla bisher als einziger ausländischer Hersteller im dortigen E-Auto-Markt. Unter den zehn meistverkauften Elektrowagen: Acht chinesische Modelle und zweimal Tesla. VW? Mercedes? BMW? Finden dort quasi nicht statt. Zwar hat Tesla auch in China die Preise gesenkt, als der Absatz nicht mehr so rund lief - doch es funktionierte auch dort. Allerdings: Der chinesische Hersteller BYD dominiert den Markt daheim und will nun in Europa, vor allem in Deutschland groß einsteigen. Das ist gefährlich für Tesla.

Der Konzern muss sein Tempo auch beibehalten, ist die Vorgabe von Elon Musk ja, jedes Jahr beim Autoverkauf um mindestens 50 Prozent zu wachsen, 2030 will er 20 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Solche Pläne sind nichts anderes, als der größte Autobauer der Welt zu werden - also möglichst viel Geld mit einem altbekannten Prinzip zu verdienen.

Musk hat also nichts Bahnbrechendes präsentiert am Mittwoch, Fragen der Investoren (seit der Cybertruck-Präsentation 2019, als die vermeintlich bruchsicheren Scheiben brachen, hat der Konzern keine Vertreter traditioneller Medien mehr zu seinen Events eingeladen) wich er geschickt aus. Auf den Folien hinter den Referierenden wurden der Cybertruck gezeigt und zwei Fahrzeuge unter weißen Planen; es war ja vermutet worden, dass Musk ein superbilliges Modell vorstellen könnte und ein Robotaxi. Er sagte nur: "Es wäre zu früh, diese Fragen jetzt zu beantworten; wir werden dazu ein ordentliches Produkt-Event haben."

Das dürfte dringend notwendig sein, Tesla-Investoren jedenfalls fanden diesen Nachmittag: stinklangweilig, der Tesla-Aktienkurs fiel im nachbörslichen Handel um mehr als fünf Prozent. Dennoch hat Musk nicht gelogen mit seinem Versprechen. Es war wirklich eine Botschaft voller Hoffnung und Optimismus - nur nicht an die Investoren, sondern eher an sich selbst.

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