Meeresschutz:UN verhandeln über Schutzgebiete in den Weltmeeren

Meeresschutz: Auf hoher See gibt es bislang keine Regeln, die den Fischfang und andere Nutzungen der Meere einschränken würden.

Auf hoher See gibt es bislang keine Regeln, die den Fischfang und andere Nutzungen der Meere einschränken würden.

(Foto: Ton Koene via www.imago-images.de/imago images/VWPics)

Auf hoher See gibt es keine Regeln, die die dort lebenden Tiere und Pflanzen schützen. Das soll sich jetzt ändern.

Von Tina Baier und Michael Bauchmüller

Wenn es ein Land gibt, das mit dem Meer verbunden ist, dann ist es Panama. Nur geringfügig größer als Bayern, aber mit einer Küstenlinie gesegnet, die länger ist als die Dänemarks. Auf der einen Seite die Karibik, auf der anderen der Pazifik, mittendrin der Panamakanal. Und in diesem Panama sind dieser Tage Minister aus aller Welt. Ihr Thema: Die Rettung der Weltmeere. Denn am Ende dieser Woche steht für diese einiges auf dem Spiel.

Auch Steffi Lemke ist hier, man erreicht sie telefonisch auf dem Sprung zur nächsten Sitzung. "Die Debatte ist sehr, sehr intensiv im Augenblick", sagt sie. Tiefseebergbau, Plastikverschmutzung, Schutzgebiete: Themen gibt es satt für jene Gruppe von Vorreiterstaaten, die sich in Panama versammeln, darunter neben der EU auch China und die USA. "Und das Signal von hier ist wichtig, um in den politischen Verhandlungen voranzukommen."

Geht es nach den Teilnehmerstaaten der Our-Oceans-Konferenz, dann schwappt von Panama aus, um im Bild zu bleiben, eine Welle weit die Karibik und dann den Atlantik hoch, bis hinauf nach New York. Seit der vorigen Woche schon verhandeln dort, am Sitz der Vereinten Nationen, die Staaten über "Biodiversity beyond national jurisdiction", die Biodiversität jenseits staatlicher Hoheitsgebiete. Dieses internationale Meeresschutzabkommen, kurz BBNJ, soll endlich Regeln setzen auf hoher See.

"Momentan beutet eine Handvoll überwiegend reicher Nationen die hohe See aus"

Denn die ist eine Art Wilder Westen der Meere: ein nahezu rechtsfreier Raum, der niemandem und deshalb irgendwie allen gehört. Es gibt kaum Gesetze, die die See und ihre Bewohner schützen. Das BBNJ-Abkommen soll das ändern. Es geht um ein riesiges Gebiet: Jedes Meeresgebiet, das weiter als 200 Seemeilen von einer Küste entfernt liegt, gilt per Definition als Hochsee. Das sind etwa 60 Prozent der Meeres- und 43 Prozent der Erdoberfläche. Das meiste ist Tiefsee.

Seit Jahren verhandeln die Vereinten Nationen über ein internationales, rechtsverbindliches Instrument, um die Meere unter Schutz zu stellen; unter dem Dach des UN-Seerechtsübereinkommens. Doch die Pandemie verzögerte die Gespräche, und als sich die Vertreter der Staaten im vergangenen August zur fünften Sitzung trafen, konnten sie nicht alle Fragen klären.

"Momentan beutet eine Handvoll überwiegend reicher Nationen die hohe See aus", sagt Till Seidensticker, Meeresexperte bei Greenpeace. Laut Seerecht ist die "gemeinsames Erbe der Menschheit", doch weil es an Regeln fehlt, wird meist noch weniger Rücksicht auf ökologische Aspekte genommen als in Meeresgebieten, die Hoheitsgebiet eines Staats sind.

Nach Angaben von Greenpeace hat das bereits zu schweren Schäden geführt. Viele Schlüsselarten wie Albatrosse, Schildkröten und Haie sind in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Lebensräume in der Tiefsee wie Kaltwasser-Korallenriffe und Schwammgärten wurden von Schleppnetzen zerstört. Nach allem, was man weiß, sind solche Zerstörungen in der Tiefsee besonders problematisch: Es dauert sehr lange, bis sich ein einmal zerstörtes Ökosystem dort erholt, weil alle Vorgänge aufgrund der niedrigen Temperaturen und der Dunkelheit extrem langsam ablaufen.

"Seit Längerem wächst die Besorgnis über die immer weiter ansteigende anthropogene Belastung der Meeresumwelt durch Aktivitäten in der Tiefsee wie Fischerei, Bergbau, Meeresverschmutzung und Bioprospektion", also die Untersuchung von Lebewesen auf kommerziell wertvolle Ressourcen, sagte Alexander Proelß, Experte für internationales Seerecht und Umweltrecht an der Universität Hamburg, dem Science Media Center.

Ein wichtiger Punkt bei den Verhandlungen in New York ist es deshalb, Meeresschutzgebiete auf hoher See einzurichten und zu regeln, wie sie gemanagt werden. "30 Prozent der hohen See sollten unter Schutz gestellt werden", sagt Seidensticker. Im Prinzip hatten das die Staaten auch bei der Artenschutzkonferenz von Montreal im Dezember vereinbart. Bis jetzt gibt es allerdings nicht einmal ein Gremium, das Schutzgebiete in internationalen Gewässern etablieren könnte. Das müsste erst geschaffen werden.

Ein Abkommen soll auch regeln, wie Gewinne aus den Meeren verteilt werden

Solche Schutzgebiete wären Refugien für Fische und andere Meeresbewohner, in denen sie sich ungestört von menschlichen Einflüssen erholen und vermehren könnten. Die Artenvielfalt der hohen See zu erhalten, ist auch für den Kampf gegen die Klimakrise wichtig. "Die Meereslebewesen der hohen See treiben die biologische Pumpe der Ozeane an", sagt Seidensticker. "Sie nehmen Kohlenstoff an der Wasseroberfläche auf und transportieren und speichern ihn in der Tiefe. Ohne diese wichtige Leistung würde unsere Atmosphäre 50 Prozent mehr Kohlendioxid enthalten. Die Erde wäre überhitzt und unbewohnbar."

Dafür wirbt auch Ministerin Lemke von Panama aus. Im Kampf gegen die Erderhitzung, sagt sie dort, seien die Meere ein starker Verbündeter. Aber diese Meere bräuchten ihrerseits Verbündete, "in jeder Ecke der Welt". Um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen, seien die Verhandlungen in New York zentral. Nötig sei dort ein "Paris-Moment" - wie jener seltene Moment 2015 in Paris, als sich die Staatengemeinschaft auf ein neues Klima-Abkommen verständigte. "Wir brauchen jetzt ein universelles Schutzabkommen gegen die Ausbeutung und Vermüllung", sagt die Ministerin aus Deutschland.

Neben der Frage der Schutzgebiete soll das Hochseeabkommen auch regeln, welche Länder wie an künftigen Gewinnen beteiligt werden, die aus der Erforschung von Meeresressourcen entstehen. Konkrete Beispiele wären Medikamente oder Kosmetika, die aus Tieren oder Pflanzen der hohen See gewonnen werden. "Eine mögliche Lösung wäre, dass die Länder, die marine Genressourcen nutzen, eine Pauschalgebühr zahlen", sagt Ben Boteler vom Research Institute for Sustainability in Potsdam. "Diese soll dann über einen Fonds an die Länder, die die Ressourcen nicht nutzen, verteilt werden."

Diesen Freitag enden beide Konferenzen, die in New York und die in Panama. Aus New York, wo ihr Meeresbeauftragter Sebastian Unger verhandelt, gebe es zumindest hoffnungsvolle Zeichen, sagt Ministerin Lemke. Nur seien ziemlich dicke Bretter zu bohren, und das in geopolitisch schweren Zeiten. "Aber wir haben das in Montreal geschafft", sagt Lemke, "und wir werden es auch bei der hohen See schaffen." Schon diesen Freitag?

In Verhandlungskreisen der EU sind die Zweifel zuletzt gewachsen. Die kritische Phase habe begonnen, heißt es am Donnerstag, und es gebe immer mehr Versuche, die Regeln zu verwässern, etwa indem Gebiete ausgenommen werden sollen. Andere forderten eine Einstimmigkeit, ehe Gebiete ausgewiesen werden - mit dem Ergebnis, dass jeder Staat ein Vetorecht hätte. "Es gibt rote Linien, bei denen wir nicht mitgehen", heißt es aus Kreisen der Europäer. Und leider lasse sich die große Politik am Sitz der Vereinten Nationen auch nicht ganz ausblenden: Nur eine Etage über den Meeresschützern sitzt der UN-Sicherheitsrat.

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