SZ-Klimakolumne:Klimaaktivisten und Verdi - passt das zusammen?

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Gemeinsame Sache: Protestierende von Fridays for Future und Verdi vor der Verdi-Zentrale in Bochum. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Heute gehen "Fridays for Future" und Gewerkschaften erstmals gemeinsam auf die Straße. Warum diese Liaison durchaus Zukunft hat.

Von Vera Schroeder

Die Verkehrswende hinkt den Klimazielen weit hinterher und ist das aktuell größte Sorgenkind bei der Frage, wie sich die Treibhausgasemissionen in Deutschland insgesamt senken lassen. Ein Fünftel aller Emissionen kommen aus diesem Sektor. Verkehrsminister Volker Wissing scheint das jedoch relativ wenig zu bekümmern. Vor ein paar Tagen erst fing er wieder damit an, das eigentlich so gut wie beschlossene Verbrenner-Aus in der EU anzuzweifeln - zum Ärger von Umweltministerin Steffi Lemke.

Dass sich für die heutigen Streiks und Proteste nun die Klimaprotestierenden von Fridays for Future und die Gewerkschaft Verdi zusammengetan haben, mag auf den ersten Blick nach einer leicht verwirrenden Liaison aussehen. Meine Kollegen Thomas Hummel und Benedikt Peters stellen in diesem Text auch die Frage, ob es der Versuch der Fridays ist, sich neu zu erfinden.

Andererseits: Ohne eine umfassende Verkehrswende wird eine zielführende Klimapolitik nicht zu machen sein und ein wichtiger Teil dieser Wende muss nun mal die Aufwertung des öffentlichen Nahverkehrs werden. Da erscheint die Vereinigung gar nicht mehr so verwunderlich. Wer mehr Busse braucht, braucht ausreichend Busfahrende. Damit das ein attraktiver Job bleibt, müssen im Nahverkehr die Löhne steigen, so die Argumentation.

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Ganz anders sieht das mein Kollege Nikolaus Piper. Er findet, dass sich die Ziele der Fridays und von Verdi eigentlich widersprechen, auch weil höhere Löhne zu steigenden Ticketpreisen führen und damit gegen die Verkehrswende wirken könnten. Dass viele Menschen wegen Klima-Gewerkschaftsprotesten am Streiktag mit dem Auto in die Arbeit fahren müssen, statt mit den Öffentlichen, helfe dem Klima ebenfalls wenig weiter. Manch einer könnte sich dadurch gar für dumm verkauft fühlen.

Zweifelsohne existiert der Typus kopfschüttelnder Autofahrer, der sich von Protestierenden aller Art gestört fühlt. Gleichzeitig zeugt die Verwunderung über den Schulterschluss der Protestparteien davon, wie wenig grundsätzlich der Wandel hin zu einer weitgehend klimaneutralen Lebensweise von vielen Menschen immer noch gesehen wird. Denn eine Gewerkschaft wie Verdi und die Klimabewegung eint mehr und auch Größeres als das Ziel eines funktionierenden Nahverkehrs.

Was beide Protestparteien zusammenhält, ist die Idee, soziale Gerechtigkeit zu priorisieren. Als Gewerkschaft im Auftrag der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Und als Klimabewegung, so erklären es Fridays for Future immer wieder, weil der fortschreitende Klimawandel die Kluft zwischen armen und reichen Menschen nicht nur global, sondern auch in Deutschland weiter vergrößern wird und weil die Hauptverursacher nicht die ärmeren, sondern die reichen Menschen sind.

"Das Märchen vom Widerspruch zwischen sozialer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit nützt wenigen und schadet vielen", sagte Deutschlands prominenteste Vertreterin der Klimabewegung, Luisa Neubauer, vor ein paar Monaten im Spiegel. Die gemeinsamen Proteste heute unterstreichen diesen Kurs. Ob er erfolgreich ist, muss sich noch zeigen.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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