Kolumne: Kreis und quer:Macht mal langsam!

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Schluss mit der Raserei. Wer langsam ist, kommt besser voran. (Foto: Florian Gaertner/imago images/photothek)

Wieso Autobahnraser und Grünwalder Nobelschlittenbesitzer völlig aus der Zeit gefallen sind.

Kolumne von Iris Hilberth, Landkreis München

Kaum ein Thema spaltet die Deutschen so sehr wie die Frage nach einem Tempolimit. Gut zu beobachten kürzlich, als auf der Giesinger Autobahn stadtauswärts die Schilder für 120 wieder abgeschraubt wurden. Was war das für ein Jubilieren bei einigen Autofahrern! Sie taten so, als hätten sie in den zwei Jahren, in denen die Geschwindigkeitsbegrenzung galt, ihre Karre bis zum Kreuz München-Süd schieben müssen. Die Anwohner hingegen machen jetzt wieder genervt ihre Fenster zu und Ohropax rein.

Das bisschen Lärmschutz bleibt also wieder auf der Strecke. Aber aus Grünwald weiß man ja spätestens seit dieser Woche, dass Schilder mit Tempolimits sowieso eher als Empfehlung gesehen werden. Wie im Gemeinderat zu hören war, fahren in Tempo-30-Zonen eh alle 50, weil die Grünwalder mit ihren dicken Autos überhaupt nicht 30 fahren können. Übertragen auf die Giesinger Autobahn heißt das: Es gibt viele Autos, die auf der Autobahn gar nicht 120, geschweige denn in der Nacht 80 fahren können.

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Das hat man in Taufkirchen und Unterhaching, wo man gefühlt immer ein Ohr am Randstreifen der A 995 oder der A 8 hat, auch schon vermutet. Die können gar nicht langsam fahren! Bewiesen hat das jetzt eine Geschwindigkeitsmessaktion der Autobahnpolizei, nachdem Raser jahrelang in dem Glauben gelassen wurden: Hier kann man gar nicht blitzen, denn wo sollten dafür die Geräte aufgestellt werden? Jetzt haben sie aber doch neben der Fahrspur stadteinwärts einen Platz gefunden und an vier Tagen 225 Führerscheine wegen zu schnellen Fahrens kassiert. Der Rekord lag bei 212 Stundenkilometern.

Würde man mit dem Raser verfahren wie kürzlich Viertklässler in Augsburg, könnte ihm sein Temporausch ziemlich sauer aufstoßen. Die Kinder ließen Schnellfahrer vor ihrer Schule zur Strafe in eine Zitrone beißen. Ob das notorische Raser zu geläuterten Cruisern macht, ist fraglich. Schnell ist nun mal sexy, das stellen auch die Oberhachinger und Straßlacher immer wieder fest, wenn Rennradfahrer durch die Ortschaften brettern und sich den Mühlberg hinunterstürzen. Die können gar nicht langsam fahren.

Dabei ist Schnelligkeit gar nicht mehr en vogue. Man denke nur an die vielen Achtsamkeitsseminare, die Anhänger des Slow Foods und des Slow Datings. Ja, inzwischen wurde der gute alte Schnellkochtopf vom "Slow cooker" abgelöst. In den Niederlanden sind die sogenannten Plauderkassen im Supermarkt beliebt, an denen die Waren eben nicht in Höchstgeschwindigkeit über den Scanner gezogen werden. Und wer sich und seinem Gebiss etwas Gutes tun will, der geht zum "Slow dentist", der bohrt langsam. Höchste Zeit also für "Slow driving". Dann wird man wenigstens gesehen in seinem schicken Schlitten.

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