Sieben Kurven der F1:Mercedes setzt die Leiden aus dem Vorjahr fort

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Ex-Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton (Foto: Beata Zawrzel/Imago)

Das Team von Lewis Hamilton fährt zum Auftakt klar hinterher, Max Verstappen bleibt bescheiden und Ferrari erlebt ein Déjà-vu. Die Geschichten vom Formel-1-Wochenende.

Von Elmar Brümmer, Manamah

Fernando Alonso

(Foto: Beata Zawrzel/Imago)

Wie lange es wohl dauert, bis sich das klebrige Rosenwasser, das in Bahrain anstatt des Champagners verspritzt wird, aus den Haaren rauswaschen lässt? Fernando Alonso könnte es nach seiner großen Comeback-Nacht auch als bleibende Erinnerung drin lassen. Es würde ihm beweisen, dass er tatsächlich im ersten Rennen mit Aston Martin auf den dritten Platz gefahren ist, was der Spanier selbst für "unwirklich" hielt. Mit 41 Jahren, zu Beginn seiner 20. Formel-1-Saison, ist es sein 99. Besuch auf dem Podest.

British racing green scheint die neue Komplementärfarbe zu sein, endlich hatte der Mann, der seine beiden Weltmeistertitel noch gegen Michael Schumacher herausgefahren hat, den richtigen Riecher beim Teamwechsel. Sebastian Vettel, sein Vorgänger, muss sich grün ärgern. Mit Alonsos Fahrt nach vorn ist das old school racing zurück, zelebriert gegen Lewis Hamilton und im Generationenduell mit Landsmann Carlos Sainz junior. Einstweilen gibt sich das Alphatier handzahm: "Das Auto ist wunderbar zu fahren. So glücklich und konkurrenzfähig zu Saisonbeginn war ich das letzte Mal bei Ferrari - und das ist zehn Jahre her."

Lance Stroll

(Foto: Rula Rouhana/Reuters)

Wie der Kanadier nach seinem Fahrradunfall mit zwei lädierten Handgelenken (mindestens eins davon mit Schrauben geflickt) und einem gebrochenen Zeh den vorgeschriebenen Ausstiegstest aus dem engen Cockpit in zwölf Sekunden geschafft hat, das kann nur mit übermenschlichen Kräften oder einer extrem hohen Schmerztoleranz erklärt werden. Nach dem Training musste er aus dem Auto gehoben werden.

Dass der 24-Jährige, der das Lenkrad teilweise nicht richtig umgreifen konnte, auch noch ein fehlerfreies Qualifying und mit dem sechsten Platz auch ein sehr ordentliches Rennen abliefern konnte, ist die Rehabilitation für viele Jahre, in denen er als Papakind und Milliardärssöhnchen verspottet worden war. So lange hatte er auf ein starkes Auto gehofft, dann noch einen Alonso als Rivalen im Team - sich krankschreiben zu lassen, wäre eine frühe Kapitulation gewesen. "Abgesehen von den Schmerzen hat es Spaß gemacht", bilanzierte Stroll junior. "Die letzten 20 Runden waren die härtesten. Denn selbst mit Adrenalin tun gebrochene Knochen noch immer weh."

Max Verstappen

(Foto: Glenn Dunbar/Imago/Motorsport Images)

Er will doch bloß spielen, und wenn es der Moral der Formel 1 etwas hilft, dafür sinnbildlich mit angezogener Handbremse zu fahren - bitteschön, auch das könnte zu den repräsentativen Aufgaben eines Titelverteidigers gehören. Bei den Testfahrten an gleicher Stelle hatte Red Bull Racing ja schon geübt, wie Zurückhaltung geht. Im Rennen machten es ihnen die Gegner nochmal leichter, in Maranello und Brackley herrscht deshalb das große Konzernjammern. Red Bull hatte seit zehn Jahren nicht in Bahrain gewonnen, den letzten Sieg zum Auftakt feierte 2011 Vettel.

Doch diesmal reichte es gelassen zum Doppelerfolg, und wer weiß, was da noch alles in der Hinterhand steckt. "So einen Start sind wir gar nicht gewöhnt", sagte Verstappen, der im Vorjahr an gleicher Stelle ausgeschieden war - und freute sich darauf, Alonso als echten Herausforderer im WM-Kampf zu begrüßen. Pilot George Russell würde nach Verstappens entspannter Nachtfahrt aus der Pole-Position allerdings eher darauf wetten, dass der Weltmeister in diesem Jahr alle WM-Läufe gewinnt. Im letzten Jahr waren es ja bloß deren 15 gewesen...

Nico Hülkenberg

(Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Auf einen weiteren "großen Knaller", wie es sein zehnter Platz in der Qualifikation gewesen war, hatte Nico Hülkenberg bei seinem Comeback als Stammfahrer gehofft. Die 57 Runden in der Steinwüste im Haas-Ferrari wurden eher zum Rohrkrepierer. Der 15. Platz, noch hinter seinem Teamkollegen Kevin Magnussen, war auch nur unwesentlich besser als das, was sein Vorgänger Mick Schumacher im kleinsten Team der Formel 1 abliefern konnte.

Aber der Nachfolger verkaufte es besser. Der 35-Jährige musste gar nicht allzu sehr über einen gleich am Anfang lädierten Frontflügel und einen starken Reifenabbau lamentieren, er drehte das verkorkste Rennen ins Positive, was es für das eigene Selbstvertrauen sicher auch war: "Ich konnte Kilometer fressen und lernen." Die Kampfkraft sparte er sich für aussichtsreichere Unternehmungen auf, immerhin hatte er gezeigt, dass er nach drei Jahren als Reserve grundsätzlich mit den Stammfahrern mithalten kann. Auch Teamchef Günther Steiner bekräftigte sich selbst: "So schlecht war es eigentlich gar nicht."

Charles Leclerc

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Für einen Moment musste der Fernsehzuschauer denken, dass da eine Wiederholung aus dem Vorjahr eingespielt worden war. Doch es war tatsächlich die 41. Runde im aktuellen Rennen, als der Ferrari ohne Motorenkraft ausrollte und auf der Tonspur ein ungläubig-schrilles "No, nooo, noooooooo" zu hören war. Neue Saison, alte Misere. "Was ist da los, Jungs?", fragte er mit versiegender Stimme. Der Vorjahressieger und die Unzuverlässigkeit der Technik, es scheint ein Fluch zu sein. Natürlich muss er sich da alleingelassen fühlen.

Dass Carlos Sainz junior den geerbten dritten Rang auch nicht halten konnte und leichte Beute für Alonso wurde, passte ins Bild der Schwäche, das Ferrari vor allem auf den in Bahrain besonders hohen Reifenabrieb schob. Für den neuen Teamchef Frédéric Vasseur ein echtes Drama zum Einstand: "Das kam aus dem Nichts." Illustriert durch die Geste, mit der Piero Ferrari, der Enkel des alten Enzo, in der Garage seine Kopfhörer abnahm. Das hatte schon etwas von Resignation. Rennen eins von 23 - und die Scuderia ist schon wieder im roten Bereich.

Lewis Hamilton

Ex-Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton (Foto: Beata Zawrzel/Imago)

Bessere Duelle als die drei Angriffs- und Abwehrversuche, die sich die Altmeister Fernando Alonso und Lewis Hamilton lieferten, gab es nicht in Bahrain. Ein pures Vergnügen, leider auch ein ziemlich kurzes. Fünfter zu werden war schon eine große Leistung von Hamilton. Denn Mercedes ist erneut nicht in Form, und der Rekordweltmeister hatte es schon bei der ersten Ausfahrt gespürt: "Das Auto ist nicht lebendig genug. Wir waren nicht mal in der Nähe der Red Bulls."

Für seinen Vorgesetzten Toto Wolff ist das Konzept mit den abgemagerten Seitenkästen jetzt schon tot. Es setzt nur die Vorjahresleiden unnötig fort, man hat sich selbst in die Irre leiten lassen. Der Österreicher, der das ganze Rennen über die Arme vor der Brust verschränkt hatte, sprach von der "Seuche" und kündigte an: "Wir werden das Auto auf den Kopf stellen." Aber das kostet Zeit und Geld, beides ist knapp. Dass der Geheimfavorit Aston Martin ein halber Mercedes ist, macht die Angelegenheit noch etwas peinlicher.

Pierre Gasly

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Ungeliebt und unzufrieden, so hatte Pierre Gasly den Red-Bull-Talentschuppen Alpha Tauri verlassen. Gelockt vom Alpine-Rennstall, der Sportabteilung von Renault. Für die Chance, in einer französischen Renn-Nationalmannschaft an den Start zu gehen, akzeptierte der mittlerweile 27-Jährige sogar Esteban Ocon als Teamkameraden, obwohl die beiden ursprünglichen Freunde sich ordentlich verkracht hatten. Startplatz 20, also Schlusslicht, war sicher nicht die Rückkehr, die sich Gasly vorgestellt hatte.

Aber dann arbeitete er sich beharrlich auf den neunten Rang vor - die erstes WM-Punkte im rosa Rennwagen. Wie er das gemacht hatte, was er daraus lernen konnte, entspricht dem grundsätzlichen Mantra seines Berufsstandes: "Du darfst das Vertrauen in deinen Rennwagen nicht verlieren." Aber natürlich weiß er, dass da noch viel Arbeit vor ihm liegt. Kollege Ocon rückte dafür ans Ende derer, die ins Ziel gekommen waren - mit drei Zeitstrafen für diverse Vergehen, vom Falschparken in der Startbox angefangen. Der eine lächelt, der andere ist die Lachnummer.

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