Klangwelt Klassik:Geistvoll, tieftraurig und erschütternd

Klangwelt Klassik: BR Klassik hat das Konzert mit dem Adelphi Quartett aufgenommen.

BR Klassik hat das Konzert mit dem Adelphi Quartett aufgenommen.

(Foto: Roland Unger/oh)

Das fabelhafte Adelphi Quartett zieht das Publikum in Icking mit dramatischen Werken von Bushra El Turk und Béla Bartók in seinen Bann.

Von Friedrich-Karl Bruhns, Icking

Auf eine veritable Achterbahn der Emotionen hat das fabelhafte Adelphi Quartett sein Publikum in Icking mitgenommen. Die vier konnten im Konzert am Samstagabend im Saal des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums schon mit den beiden Haydn-Quartetten aus dem Opus 33 (G-Dur, Nr. 5, und h-Moll, Nr.1) überzeugen, in deren Scherzo-Sätzen der knapp 50-jährige "Vater des Streichquartetts" die Frage, ob es Witz in der Musik gibt, mit einem ganz eindeutigen Ja beantwortet. Dieselbe ansteckende Spielfreude zeigten die jungen Musiker aus vier Ländern - Maxime Michaluk (Belgien) und Esther Augustí Matabosch (Spanien), Violine; Adam Newman (England), Bratsche; Nepomuk Braun (Deutschland), Violoncello - auch in den anderen ebenso geistvollen Sätzen mit vielen Überraschungen. Etwa dem kleinen Vierton-Motiv, das sie quasi als Appetitanreger servieren, ehe das Vivace des Dur-Quartetts mit dem eigentlichen Thema beginnt. Sparsam, aber in jedem Moment ganz bewusst, setzt das Ensemble sein feines Vibrato ein und gibt so dem wunderbar homogenen, durchweg transparenten Klang das ideale Maß an Tonfülle und Substanz mit.

Vielleicht haben trotzdem zwei hochdramatische Werke den Haydn-Quartetten ein wenig den Rang abgelaufen. Zwischen den beiden klassischen Werken stand als völliger Kontrast das brandaktuelle Stück "Saffron Dusk" ("Safran-Dämmerung"), das die britisch-libanesische Komponistin Bushra El Turk (*1981) 2021 für die Adelphis geschrieben hat. Anlass dafür war das Entsetzen über die verheerende Explosion im Hafen von Beirut, die 2020 Teile der Stadt in Trümmer legte und dabei orange-gelbe, also safranfarbene gewaltige Rauchschwaden entwickelte. Das verstörende Werk dauert zwar nur gut sechs Minuten, packt die Zuhörer aber unmittelbar. Dabei geht es weniger um eine musikalische Schilderung der Katastrophe, wesentlich sind die verschiedenen Stimmungen totaler Fassungslosigkeit, evoziert etwa durch kaum greifbares Flageolett, irritierende Vierteltöne und Glissandi. Unerwartet hört man deutlich eine orientalische Flöte (dabei sind es die Bratsche und die zweite Geige), unterlegt vom Summen aller vier Musiker, tieftraurig und dabei auch wieder tröstlich.

Die Komponistin gibt stellenweise nur musikalische Elemente oder auch eine Auswahl unterschiedlicher Motive bei vagen Zeitangaben vor, sie fordert, dass Passagen ohne erkennbares Metrum gespielt werden. Damit lässt sie Raum für Improvisation und so für unterschiedliche konkrete Gestaltung bei jeder Aufführung. Es wäre spannend gewesen, dieses Werk ein zweites Mal, ganz unterschiedlich, zu hören. Das Publikum hätte so ein Experiment sicher klaglos mitgemacht, es konnte sich nach dem eher offenen Schluss spürbar nur ganz allmählich aus dem Bann des Stücks lösen.

Das abschließende zweite Streichquartett von Béla Bartók ist zwischen 1915 und 1917 entstanden, und seine Erschütterung über den Weltkrieg ist unüberhörbar. Zoltán Kodály hat die drei Sätze als "Episoden" bezeichnet, "1. Ruhiges Leben; 2. Freude; 3. Leid" - aber nicht nur im letzten Teil überwogen Dramatik, tiefe Betroffenheit, Wut, Trauer. Mit ständigen Rhythmus- und Tempowechseln, besonders im zweiten Satz, abrupten Schwankungen zwischen lyrischen Momenten und "Barbaro"-Ausbrüchen hielt das Adelphi Quartett durchgehend die Spannung, die sich am Ende in begeistertem Applaus entlud. Das Allegretto aus Charles Gounods A-Dur-Streichquartett als Zugabe beendete mit eher friedlichen Tönen einen fulminanten Quartettabend mit einem außergewöhnlichen Programm.

Videomitschnitt von "Saffron Dusk" mit dem Adelphi-Quartett auf dessen Homepage: https://adelphiquartet.com/musik/

BR-Klassik hat das Konzert aufgezeichnet. Geplanter Sendetermin: Samstag, 29. April, 15.05 Uhr in der Sendung "On Stage"

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