Prozess:Regierung von Schwaben besetzt: Klimaaktivist zu Geldstrafe verurteilt

Prozess: Der 34-jährige Aktivist Ingo Blechschmidt steht am Montag im Amtsgericht bei der Einlasskontrolle vor einem Gerichtssaal.

Der 34-jährige Aktivist Ingo Blechschmidt steht am Montag im Amtsgericht bei der Einlasskontrolle vor einem Gerichtssaal.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ingo Blechschmidt ist einer der führenden Köpfe des Augsburger Klimacamps und deutschlandweit an Klimaprotesten beteiligt. Nun ist er wegen Hausfriedensbruchs und übler Nachrede belangt worden.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Ingo Blechschmidt kam nicht alleine ins Amtsgericht Augsburg. Der Klimaaktivist hatte eine ganze Entourage dabei, Freunde, Unterstützer, junge Leute vom Augsburger Klimacamp. Allerdings kam er ohne Anwalt, gegen den Vorwurf des Hausfriedensbruchs und der üblen Nachrede gegen eine Person des öffentlichen Lebens verteidigte er sich am Montag ohne rechtlichen Beistand - jedoch ohne Erfolg.

Blechschmidt, inzwischen deutschlandweit an Protestaktionen gegen von Aktivisten identifizierte Klimasünden beteiligt, wurde nach einer Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag gegen die Richterin, zahlreichen Unterbrechungen und Vorträgen zum Klimawandel zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt, die Summe beträgt 2100 Euro - die Staatsanwältin hatte sogar eine sechsmonatige Freiheitsstrafe beantragt, ausgesetzt zur Bewährung.

Blechschmidt hatte gemeinsam mit zwei anderen Aktivisten im Herbst vergangenen Jahres die Regierung von Schwaben besetzt. Der 34-Jährige warf damals ein Seil aus dem Fenster, an dem eine Aktivistin außen an der Fassade hochkletterte, innen gesichert durch Blechschmidt und einen Komplizen. Die Aktivisten protestierten mit der Aktion gegen die Teilrodung des Meitinger Lohwalds durch die Lech-Stahlwerke. Dem damaligen Regierungspräsidenten warfen sie Korruption vor, weil die Behörde eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt hatte, die ihrer Ansicht nach die Teilrodung erst ermöglichte. Die Regierung von Schwaben bestreitet, dass es für die Teilrodung überhaupt einer Ausnahmegenehmigung bedurfte. Der Bund Naturschutz hat die Ausnahmegenehmigung inzwischen beim Verwaltungsgericht Augsburg beklagt.

Die Hausbesetzung und die Seilaktion räumte Blechschmidt ein, von Hausfriedensbruch wollte er allerdings nichts wissen. Weder von der Regierung von Schwaben noch von sonst jemandem sei ihm nahegelegt worden, dass er den Behördensitz verlassen sollte. Was die Korruptionsvorwürfe anbelangt, stützte sich die Anklage vor allem auf eine Pressemitteilung, die die Klimaaktivisten im Zuge der Protestaktion verschickten. Darin warfen sie dem Regierungspräsidenten Bestechlichkeit vor - einen Nachweis für die Behauptungen blieben sie allerdings schuldig.

Blechschmidt bestritt, die E-Mail mit der Pressemitteilung versendet zu haben, auch wenn sie nachweislich von seinem E-Mail-Account abgesendet worden war. "Viele Leute haben Zugang zu meinem E-Mail-Konto", sagte Blechschmidt. "Viele Leute kennen auch die Zahlenkombination meines Fahrradschlosses und kennen die Pin meiner Bankkarte." Eine Verwaltungsangestellte der Regierung von Schwaben sagte allerdings als Zeugin aus, der Angeklagte habe bei der Aktion auch aus dem Fenster gerufen, dass der Spitzenbeamte sich habe bestechen lassen.

Er hätte sich auch vor das Gebäude der Regierung von Schwaben stellen und als Protest ein Banner in die Höhe halten können, sagte Blechschmidt. Dann hätte er aber mit Glück höchstens einen kleinen Bericht in der Lokalzeitung bekommen. Ziel der Aktivisten sei es gewesen, mit der Hausbesetzung und der Seilaktion eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Es überraschte deshalb nicht, dass Blechschmidt auch den Gerichtsprozess als Bühne nutzte: Bei den Zeugen von Polizei oder Ordnungsamt bedankte er sich zum Beispiel mit den Worten, dass auch er ordnungsliebend sei, es im Zuge der künftigen Verteilungskämpfe um Nahrungsmittel aufgrund der Erderwärmung aber bald keine Rechtsstaatlichkeit in Deutschland mehr geben werde. Erfolglos stellte er auch einen Antrag für eine Begehung des Ahrtals, die Flutkatastrophe dort zeige die Relevanz des Klimawandels.

"Reuige Einsicht" sei nicht vorhanden

Der Befangenheitsantrag gegen die Richterin war da schon abgelehnt worden, weil sie ihm weder Laptop noch Handy zur Verteidigung gestatten wollte, aus Sorge, dass er damit außerhalb des Gerichtssaals kommuniziert. Mit großer Geduld ließ sie Blechschmidt auch Bücher zum Klimawandel vor sich auf dem Tisch positionieren. Allerdings lehnte sie es ab, dass Blechschmidt noch einen beteiligten Polizisten und zwei Angestellte der Regierung von Schwaben als Zeugen laden lassen wollte, um zu beweisen, dass ihn niemand aufgefordert habe, das Haus zu verlassen. Weitere Zeugen seien nicht nötig, die Schuldfrage eindeutig.

Es gebe genügend demokratische Möglichkeiten, legitim seinen Protest zum Ausdruck zu bringen, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Eine Geldstrafe reiche nicht mehr aus, um auf den Angeklagten einzuwirken, er sei, was üble Nachrede betreffe, einschlägig vorbestraft. "Reuige Einsicht" sei nicht vorhanden, das sah auch die Richterin in der Urteilsbegründung so. Es sei auch künftig nicht zu erwarten, dass der Aktivist nur Petitionen einreiche, um seine Ziele zu erreichen. Eine Bewährungsstrafe schloss sie dennoch aus. Selbst die Geldstrafe will Blechschmidt aber nicht akzeptieren. In einer Pressemitteilung kündigte er an, Rechtsmittel einzulegen.

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