"Luden" auf Prime Video:Zu breitbeinig

"Luden" auf Prime Video: Luden-Traum vom Kapitalismus: Aaron Hilmer als der "schöne Klaus".

Luden-Traum vom Kapitalismus: Aaron Hilmer als der "schöne Klaus".

(Foto: Amazon Prime Video)

Die Serie "Luden - Könige der Reeperbahn" spielt in Hamburgs Rotlichtviertel in den Achtzigerjahren. Die berüchtigte Nutella-Bande wirkt dort wie ein Start-up.

Von Josef Grübl

Was einen guten Geschäftsmann von einem sehr guten Geschäftsmann unterscheidet: Der eine hat kaufmännisches Gespür, der andere Charakterlosigkeit, Charme und Chuzpe. Der "schöne Klaus" (Aaron Hilmer) gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Als Hamburger Jung aus der Gosse denkt er groß. Er will auf St. Pauli ein deutsches Studio 54 eröffnen. Dort solle man genauso gut feiern und vögeln können wie im New Yorker Vorbild, sagt er zu seiner Freundin. Es sind die Achtzigerjahre, und die Gegend rund um Herbertstraße und Hans-Albers-Platz ist noch keine Ausgehmeile, sondern das größte Bordell Europas.

Die sechsteilige Serie Luden - Könige der Reeperbahn begleitet den jungen Zuhälter durch die Hamburger Halbwelt und lässt den Luden Klaus den guten alten Traum vom Kapitalismus träumen. Wie ein neoliberaler Start-up-Unternehmer zieht er sein Rotlichtgeschäft inklusive Luxus-Laufhaus auf. Die alternde Sexarbeiterin Jutta (Jeanette Hain) führt ihn ins Geschäft ein und sorgt für den nötigen Cashflow, danach wird skaliert. Der mittlerweile blondgelockte Lude lockt neue Frauen an, die für ihn arbeiten sollen. Dabei zeigt er wenig Skrupel. Wenn seine eigene Freundin zu wenig Geld anschafft, lässt er sie nicht in die Wohnung. Später schickt er sie auf eine Bohrinsel, wo selbst die erfahrensten Prostituierten nicht arbeiten wollen: Zu viele sexgierige Männer, zu viele Vergewaltigungen.

Die Serie vermeidet Reeperbahn-Klischees

"Nudde sacht man nicht, man sacht Hure", klärt er seine Freunde Andy (Henning Flüsloh) und Bernd (Noah Tinwa) auf, dann heuert er sie an. Sie gebaren sich wie sogenannte Hamburger Vollkaufleute, halten Frauen klein, verdreschen Konkurrenten und steigen in den Kokainhandel ein. Sogar einen Namen geben sie sich: Nutella-Bande. Und das wiederum ist so absurd, dass es nur wahr sein kann. Die Abenteuer des schönen Klaus und seiner Freunde basieren auf realen Begebenheiten aus dem Leben des heute knapp 70-jährigen Ex-Luden Klaus Barkowsky.

Entwickelt und produziert hat die Serie die Münchner Firma Neuesuper (Hindafing). Man merkt, dass die Macher sich nicht nur in Sachen Ausstattung und Atmosphäre von anderen Filmen über die "geile Meile" St. Pauli abgrenzen wollen, von Dieter Wedels Chauvi-Schau König von St. Pauli ebenso wie von Fatih Akins Freier-Horror Der goldene Handschuh. Diese "Luden" schwelgen nicht in Kiez-Romantik, sie wollen Huren-Klischees vermeiden. Es ist ein hartes und schmutziges Geschäft unter Männern, bei dem Frauen stets auf der Verliererseite stehen.

Die Männer kommen aber mitunter wie Karikaturen daher, so breitbeinig treten sie auf, übertreiben fast den Ton des Hamburger Schnack. Das Herz der Serie sind vielmehr die Frauen, allen voran die großartige Jeanette Hain. Die von ihr verkörperte Jutta hat in all den Jahrzehnten auf dem Kiez schon alles gesehen und alles mitgemacht. Auch den Aufstieg und Fall von präpotenten Luden, deren Geschäftsgebaren nicht selten geschäftsschädigend ist.

Luden - Könige der Reeperbahn. Sechs Folgen, auf Prime Video.

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:Mit großem Ausrufezeichen

Jeanette Hain spielt in "Luden - Könige der Reeperbahn" eine Prostituierte auf der Hamburger Reeperbahn, sie ist das laut pochende Herz der Serie. Gedreht wurde in München, auch sonst verbindet die Schauspielerin sehr viel mit der Stadt.

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